Was die Nationalbank von dieser Ökonomin lernen könnte

Die Schwei­ze­ri­sche Natio­nal­bank (SNB) ist gefan­gen in der Tief­zins­fal­le. Ein Aus­weg wäre ein höhe­res Teue­rungs­ziel, doch die­ses Manö­ver wird gefürch­tet. Dabei wäre es nicht so kost­spie­lig, wie vom Bun­des­rat und der Natio­nal­bank behaup­tet. Das zeigt die neu­es­te For­schung einer Aus­nah­me-Erschei­nung der Makro­öko­no­mie: Emi Nakamura.

Die Schwei­zer Wirt­schaft brummt und trotz­dem sind die Zin­sen nega­tiv. Mit ein Grund dafür ist das tie­fe Teue­rungs­ziel der SNB. Um die Noten­bank wie­der hand­lungs­fä­hig zu machen, schlägt Wirt­schafts-Nobel­preis­trä­ger Paul Krug­man vor, ein höhe­res Teue­rungs­ziel anzu­stre­ben. Gute Grün­de dafür lie­fert auch Emi Naka­mu­ras For­schung. Die 38-Jäh­ri­ge hat soeben die pres­ti­ge­träch­tigs­te Aus­zeich­nung der Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten erhalten.

Was kann die Schweiz von Naka­mu­ra ler­nen? Weit­her­um aner­kannt ist, dass ein höhe­res Teue­rungs­ziel der Schwei­ze­ri­schen Natio­nal­bank geld­po­li­ti­sche Fle­xi­bi­li­tät zurück­ge­ben wür­de. Es wür­de der SNB näm­lich erlau­ben, in Kri­sen­zei­ten die Zin­sen gross­zü­gig zu sen­ken. Die­se Mög­lich­keit hat sie heu­te nicht.

Der skeptische Bericht des Bundesrats

Dis­ku­tiert wird aber, wie kost­spie­lig eine Erhö­hung des Teue­rungs­ziels wäre. Naka­mu­ras For­schung sagt: weni­ger kost­spie­lig, als man gemein­hin annimmt.

Zunächst muss man wis­sen: Der Bun­des­rat steht einem höhe­ren Teue­rungs­ziel skep­tisch gegen­über, wie er in einem Bericht von 2016 fest­hält. Mit­ge­ar­bei­tet am Doku­ment hat auch die SNB, die kon­sul­ta­tiv bei­gezo­gen wurde.

Teue­rung sei pro­ble­ma­tisch, weil uner­war­te­te Teue­rungs­schü­be zu einer uner­wünsch­ten Umver­tei­lung füh­re, erklärt das Doku­ment. Uner­war­te­te Teue­rungs­schü­be sind aller­dings kein Argu­ment gegen die Ein­füh­rung eines höhe­ren Teue­rungs­ziels. Wür­de das Teue­rungs­ziel näm­lich ange­ho­ben, wüss­te jeder und jede, dass die Teue­rung künf­tig höher aus­fal­len wür­de. Ent­spre­chend wür­den sich Geld­aus­lei­her für die zu erwar­ten­de Teue­rung ent­schä­di­gen las­sen. Wis­sen­schaft­lich fest­ge­hal­ten wur­de dies bereits, als die Aus­nah­me-Öko­no­min Emi Naka­mu­ra noch nicht gebo­ren war.

Die Befürchtung ist berechtigt, aber ist sie auch relevant?

Teue­rung ver­ur­sa­che aber auch Kos­ten, wenn sie erwar­tet sei, argu­men­tiert der Bun­des­rat, «weil die Anga­ben auf Menü­kar­ten (…) häu­fig an die stei­gen­den Prei­se ange­passt wer­den müss­ten.» Naka­mu­ras For­schung zeigt, dass die Prei­se tat­säch­lich häu­fi­ger ange­passt wer­den, wenn die Teue­rung hoch ist. In einer hoch­tech­ni­sier­ten Welt, in der Prei­se innert Sekun­den elek­tro­nisch geän­dert wer­den kön­nen, ver­lie­ren die­se Menü­kos­ten aber zuneh­mend an Relevanz.

Eben­falls mahnt der Bericht, dass höhe­re Teue­rungs­ra­ten auf­grund von soge­nann­ten Preis­di­sper­si­ons­kos­ten pro­ble­ma­tisch wären. Preis­di­sper­si­ons­kos­ten ent­ste­hen, weil es inef­fi­zi­ent ist, wenn der glei­che Staub­sauger im Laden A mehr kos­tet, als im Laden B. Etwas ver­ein­facht gesagt, ist das so, weil Preis­un­ter­schie­de dazu füh­ren, dass die Kon­su­men­ten den güns­tigs­ten Laden suchen möch­ten. Der Bun­des­rat glaubt, dass die Preis­un­ter­schie­de zwi­schen ähn­li­chen Pro­duk­ten grös­ser wer­den, wenn die Teue­rung steigt.

Hier kommt Naka­mu­ra ins Spiel. Die For­sche­rin sagt: Es gibt einen Unter­schied zwi­schen Theo­rie und Pra­xis. Und nur in der Theo­rie hat der Bun­des­rat Recht. Die Beden­ken des Bun­des­rats grün­den auf theo­re­ti­schen For­schungs­ar­bei­ten, die zei­gen, dass die erwähn­ten Preis­di­sper­si­ons­kos­ten tat­säch­lich sub­stan­zi­ell sein können.

Ein wich­ti­ges Argu­ment fällt dahin

In der Rea­li­tät sind die Preis­un­ter­schie­de zwi­schen ähn­li­chen Pro­duk­ten aber nicht grös­ser, wenn die Teue­rungs­ra­te hoch ist, so Naka­mu­ras neus­te For­schung. Obwohl der Preis­an­stieg bei Staub­saugern in den 70er-Jah­ren stär­ker aus­fiel als sonst, blieb der Preis­un­ter­schied zwi­schen Laden A und Laden B über die Zeit konstant.

Die jun­ge For­sche­rin ent­kräf­tet dadurch ein wich­ti­ges Argu­ment von Bun­des­rat und Natio­nal­bank gegen ein höhe­res Teue­rungs­ziel mit einem kur­zen Befund: Preis­di­sper­si­ons­kos­ten sind in der Rea­li­tät vernachlässigbar.

Somit behält ein­zig der Ver­weis auf die Menü­kos­ten eine gewis­se Berech­ti­gung als Argu­ment gegen ein höhe­res Teue­rungs­ziel. Dem­ge­gen­über gewinnt in Zei­ten von Nega­tiv­zin­sen der Vor­teil eines höhe­ren Teue­rungs­ziels, näm­lich die Mög­lich­keit, jeder­zeit mit Zins­sen­kun­gen auf Wirt­schafts­kri­sen reagie­ren zu kön­nen, zuneh­mend an Dring­lich­keit. Der Bun­des­rat und die Natio­nal­bank könn­ten sich von Naka­mu­ras For­schungs­er­geb­nis­sen ermun­tert füh­len, ein höhe­res Teue­rungs­ziel in Betracht zu ziehen.


Die­ser Bei­trag erschien zuerst auf swissinfo.ch

Bild: Swissinfo.ch

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