Die Globalisierung, die Urbanisierung, die erhöhte Mobilität, die neuen Kommunikationstechnologien und die Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Politikbereichen haben zu einem hoch vernetzten Bundesstaat geführt. Diese Rahmenbedingungen machen die Regierungsarbeit anforderungsreich. Der Föderalismus gehört zur mehrsprachigen Schweiz. Die Leistungsfähigkeit des föderalistischen Systems hängt allerdings auch von erfolgreichen Reformen ab. Beim Mitwirkungsföderalismus kommt den Direktorenkonferenzen und der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) eine zentrale Rolle zu.
Grundlagen
Die Anforderungen an die Regierungstätigkeit haben sich in den letzten Jahren nicht grundlegend verändert: Regierungen müssen in der Politikgestaltung eine Führungsrolle übernehmen. Die Globalisierung, die Urbanisierung, die erhöhte Mobilität, die neuen Kommunikationstechnologien und die Interdependenzen verschiedener Politikbereiche haben zu einem hoch vernetzten Bundesstaat geführt. Diese Rahmenbedingungen machen die Regierungsarbeit anforderungsreich. Es ist unbestritten, dass die Schweiz ein föderalistischer Staat bleiben soll. Der Föderalismus bildet die identitätsstiftende Formel zum Schutz der mehrsprachigen Schweiz.
Es wird etwa gesagt, dass sich der Föderalismus positiv auf die Wettbewerbsfähigkeit des Landes auswirkt. Das erfolgreiche Schweizer Modell laufe indessen Gefahr, durch die Tendenz zur komplexen Aufgabenverflechtung zwischen den staatlichen Ebenen und den entsprechenden Verbundfinanzierungen ausgehöhlt zu werden. Diese Aussage ist zu hinterfragen. Es wurden wichtige Dispositionen getroffen, welche die Leistungsfähigkeit des Systems erhöhen. Dazu gehören die erfolgreiche Neugestaltung der Aufgabenteilung und des Finanzausgleichs zwischen dem Bund und den Kantonen (NFA) und ein effizientes Mitwirkungsdispositiv.
Föderalismusreform
Ein föderalistisches System ist dadurch gekennzeichnet, dass den Gliedern eines Gesamtstaates eine bedeutende rechtliche und politische Autonomie eingeräumt wird (self-rule). Darüber hinaus wirken die Gliedstaaten an der Willensbildung des Gesamtstaates mit (shared rule). Der Bund und die Kantone arbeiten in vielen Bereichen zusammen. Die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung führte zu Beginn des neuen Jahrtausends zu einer umfassenden Föderalismusreform (NFA). Die NFA verfolgt schwergewichtig die nachfolgend dargestellten vier Ziele: (1)Entflechtung der Aufgaben zwischen dem Bund und den Kantonen, (2)Stärkung der bundesstaatlichen Zusammenarbeit, (3)Steigerung der Wirksamkeit des Finanzausgleichssystems, zu dem der Bund und die finanzstarken Kanton wesentlich beitragen, und (4)Stärkung der interkantonalen Zusammenarbeit.
Die Reformvorlage umfasste mehr als zwanzig Änderungen der Bundesverfassung. Die seither erstellten Wirksamkeitsberichte führten zu einer insgesamt positiven Beurteilung der Föderalismusreform. Die NFA wurde als grundlegende Reform des föderalistischen Systems anerkannt. Die ressourcenstarken Kantone forderten später gewisse Anpassungen. Der Kritik der Geberkantone soll neu dadurch Rechnung getragen werden, dass die minimale Finanzkraft aller Kantone gesetzlich verankert wird und 86,5% des schweizerischen Durchschnitts beträgt.
Mitwirkungsdispositiv
Zu diesem Mitwirkungsdispositiv gehören auf der politischen Ebene neben dem Ständerat in erster Linie die gesamtschweizerischen Direktorenkonferenzen und die Konferenz der Kantonsregierungen
Die vierzehn schweizerischen Direktorenkonferenzen dienen der Information über nationale und interkantonale Fragestellungen in den entsprechenden Politikbereichen.
Die Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) befasst sich mit Grundsatzfragen des Föderalismus, mit der Aufgabenteilung zwischen dem Bund und den Kantonen, mit der Einflussnahme auf wichtige Entscheidungsprozesse auf der Ebene des Bundes, mit dem Vollzug von Bundesaufgaben durch die Kantone sowie mit wichtigen aussenpolitischen Dossiers. Fasst die Plenarkonferenz der KdK einen Beschluss mit den Stimmen von achtzehn Kantonsregierungen, so gilt dieser als Stellungnahme der Konferenz der Kantonsregierungen. Das Recht der Kantone auf eigene Stellungnahmen bleibt gewahrt. Der Leitende Ausschuss der KdK, dem neun Regierungsmitglieder aus verschiedenen Kantonen nach einem regionalen Schlüssel angehören, ist das oberste Führungsorgan der Konferenz.
Das hier dargestellte Mitwirkungsdispositiv der Kantone überlagert die institutionellen Mitwirkungsrechte der Kantone im Bundesstaat.
Die Kantonsparlamente sind in hinreichendem Mass in die interkantonale Kooperation einzubeziehen.
Fazit
Die Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) befasst sich aus einer übergeordneten Sicht mit der Wahrung kantonaler Interessen im schweizerischen politischen System. Wichtige Politikbereiche – etwa der Straf- und Massnahmenvollzug, die Harmonisierung des Bildungswesens, der Agglomerationsverkehr, die Spitzenmedizin, Institutionen zur Eingliederung und Betreuung von Behinderten – können sinnvollerweise nur in überkantonaler Perspektive bearbeitet werden. Der kooperative Föderalismus und die Neugestaltung der Aufgabenteilung und des Finanzausgleichs zwischen dem Bund und den Kantonen (NFA) tragen zur Leistungsfähigkeit des Systems bei. Als zentral für die Regierbarkeit des föderalistischen Systems erweist sich indessen das oben dargestellte Mitwirkungsdispositiv. Die Direktorenkonferenzen und die Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) bilden ein effizientes und pragmatisches Arrangement, das die überkommene institutionelle Architektur überlagert. Dieses Mitwirkungsdispositiv mildert in der Praxis auch das institutionelle Übergewicht der kleinen Kantone. Die Stellungnahmen der Konferenz der Kantonsregierungen und auch jene der gesamtschweizerischen Direktorenkonferenzen erfolgen aus der Perspektive aller Kantone und nehmen die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen auf. Diese Mitwirkungsgremien stehen in einer engen Interaktion mit den Behörden des Bundes und erleichtern die Regierbarkeit des gesamten föderalistischen Systems.
Referenz:
Nuspliger, Kurt (2019). Regieren im föderalistischen Staat. In: Blackbox Exekutive – Regierungslehre in der Schweiz. Zürich: NZZ Libro, Reihe „Politik und Gesellschaft in der Schweiz“.
Am 18. Juni 2019 findet an der Universität Bern das vom Kompetenzzentrum für Public Management organisierte Swiss Governance Forum mit dem Fokus “Regieren in der Schweiz” statt. Im Rahmen der Veranstaltung wird das Buch “Blackbox Exekutive – Regierungslehre in der Schweiz” vorgestellt.
Bild: Wikimedia Commons