Was die Vertretung der Frauen in der Politik anbelangt, liegt die Schweiz im besten Fall im Mittelfeld. Es gab zwar einmal für kurze Zeit eine Frauenmehrheit im Bundesrat, doch der Frauenanteil in der Politik ist nach wie vor weit entfernt von mit Männern vergleichbaren Sitzanteilen. Über die Vertretung der Frauen in der Lokalpolitik war bisher wenig bekannt, da es kaum offizielle Statistiken gibt. Unsere gesamtschweizerische Befragung bei Gemeinden ermöglicht es nun aber, die Vertretung der Frauen auf lokaler Ebene zu schätzen und die Entwicklung über die letzten Jahrzehnte aufzuzeigen.
Der Vertretung der Frauen in den politischen Institutionen auf lokaler Ebene kommt insofern eine grosse Bedeutung zu, als dass der Weg in höhere politische Ämter häufig über ein Engagement auf der Gemeindeebene und damit über die Lokalpolitik führt. Zudem sind die Hürden für eine erfolgreiche Wahlteilnahme in den Gemeinden deutlich tiefer, da es oft an genügend geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten fehlt und gar kein eigentlicher Wahlkampf stattfindet.
Bei einer Untervertretung der Frauen kann demzufolge ausgeschlossen werden, dass diese von den Wählerinnen und Wählern systematisch diskriminiert und verhindert werden. Es muss vielmehr davon ausgegangen werden, dass das Kandidatinnenangebot eher klein ist. Viele Ämter sind zudem überblickbarer und leichter zugänglich, sodass die Gemeindeebene mit Recht als Einstiegsebene in die Politik bezeichnet werden kann. Eine besonders starke Vertretung der Frauen in der Lokalpolitik würde für das Erreichen einer besseren Vertretung auf höherer Ebene positive Auswirkungen haben.
Anstieg flacht sich ab, kaum mehr Gemeinden ohne Frauen
Ende der 1980er Jahre waren die Frauen in den Gemeindeexekutiven noch kaum vertreten. Über 60 Prozent der Gemeinden hatten keine einzige Frau im Gemeinderat und der Frauenanteil in der Gesamtheit der Exekutiven betrug lediglich 7 Prozent (vgl. Tabelle 1). In den 1990er Jahren stieg der Frauenanteil dann stark an und erreichte fast die 20-Prozent-Marke. Seither wurde der Anstieg deutlich abgebremst.
Heute wird gegen ein Viertel der Sitze in den Gemeindeexekutiven von Frauen gehalten. Damit liegt der Anteil etwa im Bereich der kantonalen Regierungen, aber deutlich hinter dem Nationalrat und den kantonalen Parlamenten sowie hinter den Parlamenten in den grösseren Städten. Einzig der Ständerat hat mit rund 15 Prozent einen markant tieferen Anteil. Mit Simonetta Sommaruga, Karin Keller-Sutter und Viola Amherd ist der Frauenanteil auch im Bundesrat höher. Der Anteil der Gemeinden, die von einem reinen Männergremium geführt werden, beträgt heute noch 15 Prozent.
Tabelle 1: Frauenanteil und Anteil Gemeinden ohne Frauen (1988-2017)
Kleine Gemeinden haben nicht weniger Frauen
Spannend ist die Frage, in welchen Gemeinden die Frauen besonders gut vertreten sind. Interessanterweise besteht kein klarer Zusammenhang zwischen dem Frauenanteil in den Exekutiven und der Grösse der Gemeinde (Abbildung 1). Einzig in den Gemeinden mit mehr als 20‘000 Einwohnerinnen und Einwohnern sind mit gegen 30 Prozent deutlich mehr Frauen in den Exekutiven vertreten. Dieser markante Anstieg in der einwohnerstärksten Kategorie ist neueren Datums und könnte ein Anzeichen dafür sein, dass sich die Parteien intensiver mit der Gleichstellung der Frauen in der Politik befassen. Sicher hat er aber auch damit zu tun, dass das Mitte-links Lager, das generell mehr Frauen in seinen Reihen zählt, in den Städten stärker geworden ist.
Abbildung 1: Durchschnittlicher Frauenanteil und Gemeindegrösse (1988 und 2017)
Eher gering ist der Frauenanteil in den touristischen Gemeinden, eher höher ist er in den grösseren Zentren. In agrarischen Gemeinden liegt der Frauenanteil hingegen nicht tiefer als in industrialisierten Gemeinden.
Stadtkantone und Luzern, Uri und Appenzell-Ausserrhoden an der Spitze
Die regionalen Unterschiede sind teilweise erstaunlich. Besonders hoch sind die Frauenanteile in den Gemeinden der Zentralschweiz. In der französischsprachigen Schweiz sind die Anteile leicht höher als in der deutschsprachigen Schweiz und deutlich höher als im Tessin. Die höchsten durchschnittlichen Frauenanteile in den kommunalen Exekutiven haben die Stadtkantone Basel-Stadt und Genf, sowie Uri, Appenzell-Ausserrhoden und Luzern (vgl. Abbildung 2).
Mit Ausnahme von Genf, sind alle diese Kantone im Vergleich zu 1988 neu in der Spitzengruppe anzutreffen. Besonders tief sind die Frauenanteile in Glarus und Schwyz. In diesen beiden Kantonen war der Frauenanteil schon vor 30 Jahren sehr tief, wie damals auch in den Kantonen Uri, St. Gallen und Appenzell-Innerrhoden. Zu den grossen Aufsteigern gehören neben Uri, den beiden Appenzell und St. Gallen auch die Kantone Luzern und Zug. Eine statistische Überprüfung widerlegt jedoch den Eindruck, dass ein hoher Frauenanteil mit einem hohen Anteil an Katholiken einhergeht.
Abbildung 2: Durchschnittlicher Frauenanteil in den Gemeindeexekutiven nach Kantonen (1988 und 2017)
Sechs von zehn Gemeinderätinnen sind Mitglied einer Partei
Etwas mehr als 40 Prozent der Gemeinderätinnen sind parteilos. Unter den Parteien stellt die FDP die meisten Frauen in den Exekutiven mit etwa 15 Prozent aller weiblichen Exekutivmitglieder (Abbildung 3). Auf den weiteren Plätzen folgen die CVP, die SP und schliesslich die SVP. Das verhältnismässig schlechte Abschneiden der SP rührt daher, dass sie deutlich weniger Sitze in den Gemeindeexekutiven hält als die anderen Parteien. Dies ist wiederum eine Folge ihrer schwachen Vertretung in den vielen kleinen Gemeinden. Betrachtet man die Vertreterinnen und Vertreter der einzelnen Parteien, so ist der Anteil der Frauen und bei den SP-Vertretungen mit rund einem Drittel am höchsten. Danach folgen CVP und FDP mit Anteilen zwischen 20 und 25 Prozent und die SVP mit rund 18 Prozent (vgl. Abbildung 4).
Abbildung 3: Parteizugehörigkeit in den Exekutiven (2017)
N = 2328
Abbildung 4: Anteil der Frauen unter den Parteivertretern in den Exekutiven
Wenig Hoffnung auf Gleichstellung von unten
Hofft man auf eine gleichmässige Vertretung der Geschlechter in den politischen Gremien, so sind die Zahlen zu den Zusammensetzungen der Gemeindeexekutiven eher enttäuschend. Zwar haben die Frauen in den 1990er-Jahren stark an Boden gut gemacht und es gibt heute nur noch relativ wenig Gemeinden, in denen die Frauen nicht in Exekutiven vertreten sind, aber die Zunahme hat sich in der Folge verlangsamt und hat die Grenze von einem Viertel noch nicht überschritten.
Dies dürfte auch Folgen für eine anhaltend bessere Vertretung der Frauen auf höherer politischer Ebene haben. Geht man davon aus, dass die Zugangshürden auf der untersten Ebene tiefer sind und dass politische Karrieren in den Gemeinden beginnen, so macht es auf der einen Seite nicht den Anschein, dass Frauen in die Politik drängen und anderer fehlt es an einer breiteren Basis für politische Karrieren von Frauen auf höherer Ebene.
Für die stärkere Vertretung der Frauen auf höherer Ebene ist offenbar weniger das Angebot, das heisst die grosse Zahl der wirklich an einem Amt interessierter Frauen, sondern vielmehr die Nachfrage verantwortlich. Die politischen Parteien haben ein Interesse, Kandidatinnen aufzustellen und mit Frauen in den wichtigen Ämtern vertreten zu sein, da dies nicht zuletzt auch von den Wählenden gewünscht wird. Wenn der Druck für mehr Frauen in der Politik nicht von unten aus den Gemeinden kommt, bleibt jedoch zumindest die Hoffnung, dass erfolgreiche Politikerinnen auf den höheren Ebenen eine Vorbildrolle einnehmen und so mehr Frauen zu einem aktiveren Engagement in der Politik animieren.
Referenzen:
- Bundesamt für Statistik (2019). Frauenanteil in den städtischen Exekutiven. BFS: ga-d-ssv-17.02.04. https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/aktuell/neueveroeffentlichungen.assetdetail.8026569.html
- Geser, Hans, Urs Meuli, Andreas Ladner, Reto Steiner und Katia Horber-Papazian (2011). Die Exekutivmitglieder in den Schweizer Gemeinden. Ergebnisse einer Befragung. Zürich/Chur: Rüegger Verlag.
- Ladner, Andreas (2011). Wahlen in den Schweizer Gemeinden. Durchführung, Verlauf, Beteiligung und Ergebnisse 1988-2009. Lausanne: Cahier de l’IDHEAP Nr. 263.
- Ladner, Andreas und Urs Meuli (1995). Frauen in der Lokalpolitik. Die Vertretung der Frauen in den kommunalen Gremien. Zürich: Kleine Zürcher Gemeindestudien Nr. 4.
- Ladner, Andreas (1991). Politische Gemeinden, kommunale Parteien und lokale Politik. Eine empirische Untersuchung in den Gemeinden der Schweiz. Zürich: Seismo.
Bild: rawpixel.com