Wassergovernance in der Schweiz — eine komplexe Angelegenheit

Was­ser ist für Men­schen lebens­wich­tig. Gleich­zei­tig ist Was­ser, bei­spiels­wei­se bei Über­schwem­mun­gen, eine gros­se Gefahr. Was­ser muss aber auch vor der vom Men­schen ver­ur­sach­ten Ver­schmut­zung beschützt wer­den. Folg­lich ist Was­ser­po­li­tik ein brei­tes Feld, wel­ches vie­le Orga­ni­sa­tio­nen umfasst. Mei­ne Unter­su­chung hat­te zum Ziel, der kom­ple­xen Schwei­zer Was­ser-Gover­nan­ce auf den Grund zu gehen und erst­ma­lig ganz­heit­lich auf­zu­zei­gen, wie in der Schweiz Was­ser poli­tisch behan­delt wird. 

Der Schutz des Was­sers for­dert poli­ti­sche Mass­nah­men und Regeln. Im Bereich der Nut­zung von Was­ser rei­chen sie von der Orga­ni­sa­ti­on und dem Unter­halt von Trink­was­ser­in­fra­struk­tur über die Rege­lung der Frei­zeit­nut­zung von Seen durch Rude­rer bis zum Bau von Was­ser­kraft­wer­ken zur Strom­pro­duk­ti­on. Geht es um den Schutz vor Was­ser, müs­sen Mass­nah­men gegen Hoch­was­ser wie Däm­me geplant und unter­hal­ten wer­den, aber auch Grund­la­gen wie Risi­ko­ka­r­ten erstellt werden.

Es ist das glei­che Was­ser, um wel­ches sich die vie­len Berei­che der Was­ser­po­li­tik dre­hen und die ent­spre­chen­den Ent­schei­de von­ein­an­der abhän­gig machen. So kann es der Bau eines Was­ser­kraft­werks unmög­lich machen, dass Fische wei­ter­hin in einem Gewäs­ser wan­dern kön­nen. Mass­nah­men gegen Hoch­was­ser­schutz, wie bei­spiels­wei­se das Erstel­len eines Damms, kön­nen die natür­li­che Dyna­mik eines Flus­ses ein­schrän­ken. Und das Absen­ken oder Anhe­ben des See­spie­gels zum Hoch­was­ser­schutz kann sowohl Schiff­fahrt wie Was­ser­le­be­we­sen beeinflussen.

In die Wasserpolitik sind die verschiedensten Organisationen involviert

In jedem Bereich rund um Was­ser sind die ver­schie­dens­ten Orga­ni­sa­tio­nen invol­viert. Die­se rei­chen von Gemein­den zu kan­to­na­len Natur­schutz­äm­tern oder Bun­des­äm­tern wie dem Bun­des­amt für Umwelt oder Ener­gie. Sie beinhal­ten pri­va­te Fir­men wie Inge­nieur­bü­ros, die einen Gross­teil von Mass­nah­men im Hoch­was­ser­schutz oder in der Trink­was­ser­ver­sor­gung bera­ten und umset­zen. Und nicht zuletzt spie­len Natur­schutz­or­ga­ni­sa­tio­nen, poli­ti­sche Par­tei­en, Bau­ern­ver­bän­de und ande­re Inter­es­sen­ver­ei­ni­gun­gen, bei­spiels­wei­se der Was­ser­kraft­be­trei­ber, eine Rolle.

Die­se Orga­ni­sa­tio­nen sind oft nicht das, was wir tra­di­tio­nel­ler­wei­se als poli­ti­sche Orga­ni­sa­tio­nen ver­ste­hen. Sie sind aber von gros­ser Wich­tig­keit, wenn wir ver­ste­hen wol­len, wie in der Schweiz mit Was­ser umge­gan­gen wird. Dar­um bie­tet es sich in die­sem Zusam­men­hang an, anstel­le von Was­ser­po­litk von Was­ser-Gover­nan­ce zu sprechen.

Und es wird noch kom­ple­xer. In der Schweiz fin­det die­se Was­ser-Gover­nan­ce näm­lich nicht nur in vie­len ver­schie­de­nen the­ma­ti­schen Berei­chen, son­dern auch auf ver­schie­de­nen Ebe­nen, von lokal bis natio­nal, statt. Bun­des­äm­ter ver­fas­sen zum Bei­spiel stra­te­gi­sche Pla­nun­gen, was Gemein­den auch tun. Gemein­den set­zen aber auch kon­kre­te Mass­nah­men um, was Bun­des­äm­ter wie­der­um nicht tun. Dazu kommt, dass sich Was­ser­ver­sor­gun­gen auf regio­na­ler Ebe­ne zusam­men schlies­sen, wäh­rend Natur­schutz­or­ga­ni­sa­tio­nen alles im Auge behal­ten und auf Fäl­le von unge­nü­gend umge­setz­tem Umwelt­schutz auf loka­ler Ebe­ne auf­merk­sam machen, damit wie­der­um auf natio­na­ler Ebe­ne grif­fi­ge­re Geset­ze erreicht werden.

Was­ser-Gover­nan­ce ist daher ein kom­ple­xes Sys­tem von ver­schie­de­nen Orga­ni­sa­tio­nen, wel­ches sich in ver­schie­de­nen Berei­chen, auf ver­schie­de­nen Ebe­nen und auf ver­schie­de­ne Arten mit Was­ser beschäf­tigt. Erst ein sol­cher ganz­heit­li­cher Blick die­ses Sys­tem ermög­licht es, sei­ne Struk­tur und Kom­ple­xi­tät wirk­lich einzuschätzen.

Grafik 1: Teilbereiche der Schweizer Wasser-Governance aufgrund von Mustern in Aktivitäten von Organisationen

Anmer­kung zur Grafik
Die Abbil­dung zeigt die Teil­be­rei­che der Schwei­zer Was­ser-Gover­nan­ce auf­grund von Mus­tern in Akti­vi­tä­ten von Orga­ni­sa­tio­nen. Ver­bin­dun­gen zwi­schen Teil­be­rei­chen ver­deut­li­chen, wie stark Orga­ni­sa­tio­nen des einen auch im ande­ren Teil­be­reich tätig sind. Je gel­ber ein Teil­be­reich ist, des­to mehr über­wiegt inner­halb des Teil­be­reichs Kon­flikt, je vio­let­ter, des­to mehr über­wiegt Über­ein­stim­mung zwi­schen Orga­ni­sa­tio­nen. Kon­flikt wird gemes­sen dar­an, wie vie­le Orga­ni­sa­tio­nen Unstim­mig­kei­ten mit ande­ren Orga­ni­sa­tio­nen inner­halb des Bereichs ange­ben (sie­he zwei­te Infobox).
Wasser-Governance in der Schweiz: Zwei grosse Hauptbereiche

Mei­ne Unter­su­chung hat­te zum Ziel, die Schwei­zer Was­ser-Gover­nan­ce in ver­schie­de­ne Teil­be­rei­che unter­tei­len. Die­se sind unter­schied­lich stark mit­ein­an­der ver­floch­ten. Dabei las­sen sich zwei gros­se Haupt­be­rei­che unter­schei­den, die sich haupt­säch­lich dar­in unter­schei­den, wie viel Kon­flikt rund um Was­ser dar­in stattfindet.

Auf der einen Sei­te sind dies Natur­schutz und Ener­gie­po­li­tik. In die­sen Berei­chen herr­schen grös­se­re Mei­nungs­ver­schie­den­hei­ten unter Orga­ni­sa­tio­nen, ins­be­son­de­re auf der natio­na­len Ebe­ne. Die­se dre­hen sich des öfte­ren um den Ein­fluss der Was­ser­kraft auf aqua­ti­sche Lebens­räu­me und Landschaftsqualität.

Auf der ande­ren Sei­te fin­det Was­ser-Gover­nan­ce zu einem gros­sen Teil unter dem Radar der Öffent­lich­keit rund um Was­ser­ver­sor­gung und Hoch­was­ser­schutz statt. Orga­ni­sa­tio­nen in die­sem Bereich haben ten­den­zi­ell weni­ger Kon­flik­te unter­ein­an­der. Die­se Teil­be­rei­che sind stark geprägt von Ver­trau­en auf Exper­ten­wis­sen und tech­ni­scher Exper­ti­se. Kon­flik­te fin­den vor allem rund um den Ein­fluss der Land­wirt­schaft auf die Gewäs­ser­qua­li­tät statt.

Oft­mals unter dem Radar und von der brei­ten Öffent­lich­keit unbe­merkt, küm­mert sich also in der Schweiz ein enorm kom­ple­xes Gebil­de dar­um, dass sau­be­res Was­ser aus unse­rem Hah­nen fliesst, sau­be­rer Strom aus Was­ser­kraft aus der Steck­do­se kommt, wir das Regen­wet­ter ohne Sor­gen vor ver­hee­ren­den Über­schwem­mun­gen aus­sit­zen kön­nen und Bäche wie­der natur­nä­her werden.

Daten und Methoden
Wie kommt man zu einer sinn­vol­len Unter­tei­lung eines so kom­ple­xen Gebil­des wie jenes der Schwei­zer Was­ser-Gover­nan­ce? Für die­se Stu­die wur­de ein Ansatz gewählt, der nach Mus­tern in den Akti­vi­tä­ten von Orga­ni­sa­tio­nen sucht.

Dafür wur­den Ant­wor­ten von 326 Orga­ni­sa­tio­nen in einer Umfra­ge zur Schwei­zer Was­ser-Gover­nan­ce aus­ge­wer­tet. Die Orga­ni­sa­tio­nen gaben in der Umfra­ge an, in wel­chem von 26 The­men in der Schwei­zer Was­ser-Gover­nan­ce (bspw. Schutz aqua­ti­scher Lebens­räu­me oder Betrieb von Gross­was­ser­kraft­wer­ken) sie tätig waren. Zu jedem The­ma wur­den sie danach befragt auf wel­chem Level (von lokal zu natio­nal) und in wel­cher Art (von Pla­nung zu Eva­lua­ti­on) sie dar­in tätig waren. Des Wei­te­ren gaben die Orga­ni­sa­tio­nen ande­re Orga­ni­sa­tio­nen zu jedem The­ma an, mit wel­chen sie the­ma­ti­sche Über­ein­stim­mun­gen wie auch Unstim­mig­kei­ten aufwiesen.

Die Ant­wor­ten der Orga­ni­sa­tio­nen erga­ben ein detail­lier­tes drei­di­men­sio­na­les Akti­vi­tä­ten­pro­fil für jede Orga­ni­sa­ti­on, inner­halb der drei Dimen­sio­nen The­men, Levels und Art der Akti­vi­tät. Dies ermög­lich­te es, nach Mus­tern inner­halb der Akti­vi­tä­ten­pro­fi­le der Orga­ni­sa­tio­nen zu suchen und mit­tels Clus­ter-Ana­ly­se (unsu­per­vi­sed lear­ning) Grup­pen von ähn­li­chen Pro­fi­len zu erstel­len. Die so erstell­ten Grup­pen reprä­sen­tie­ren Teil­be­rei­che der Schwei­zer Was­ser-Gover­nan­ce, basie­rend auf den Akti­vi­tä­ten der dar­in täti­gen Organisationen.


Refe­renz:

Bild: © Mario Angst, Autor

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