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Wassergovernance in der Schweiz — eine komplexe Angelegenheit

Mario Angst
12th Februar 2019

Wasser ist für Menschen lebenswichtig. Gleichzeitig ist Wasser, beispielsweise bei Überschwemmungen, eine grosse Gefahr. Wasser muss aber auch vor der vom Menschen verursachten Verschmutzung beschützt werden. Folglich ist Wasserpolitik ein breites Feld, welches viele Organisationen umfasst. Meine Untersuchung hatte zum Ziel, der komplexen Schweizer Wasser-Governance auf den Grund zu gehen und erstmalig ganzheitlich aufzuzeigen, wie in der Schweiz Wasser politisch behandelt wird.

Der Schutz des Wassers fordert politische Massnahmen und Regeln. Im Bereich der Nutzung von Wasser reichen sie von der Organisation und dem Unterhalt von Trinkwasserinfrastruktur über die Regelung der Freizeitnutzung von Seen durch Ruderer bis zum Bau von Wasserkraftwerken zur Stromproduktion. Geht es um den Schutz vor Wasser, müssen Massnahmen gegen Hochwasser wie Dämme geplant und unterhalten werden, aber auch Grundlagen wie Risikokarten erstellt werden.

Es ist das gleiche Wasser, um welches sich die vielen Bereiche der Wasserpolitik drehen und die entsprechenden Entscheide voneinander abhängig machen. So kann es der Bau eines Wasserkraftwerks unmöglich machen, dass Fische weiterhin in einem Gewässer wandern können. Massnahmen gegen Hochwasserschutz, wie beispielsweise das Erstellen eines Damms, können die natürliche Dynamik eines Flusses einschränken. Und das Absenken oder Anheben des Seespiegels zum Hochwasserschutz kann sowohl Schifffahrt wie Wasserlebewesen beeinflussen.

In die Wasserpolitik sind die verschiedensten Organisationen involviert

In jedem Bereich rund um Wasser sind die verschiedensten Organisationen involviert. Diese reichen von Gemeinden zu kantonalen Naturschutzämtern oder Bundesämtern wie dem Bundesamt für Umwelt oder Energie. Sie beinhalten private Firmen wie Ingenieurbüros, die einen Grossteil von Massnahmen im Hochwasserschutz oder in der Trinkwasserversorgung beraten und umsetzen. Und nicht zuletzt spielen Naturschutzorganisationen, politische Parteien, Bauernverbände und andere Interessenvereinigungen, beispielsweise der Wasserkraftbetreiber, eine Rolle.

Diese Organisationen sind oft nicht das, was wir traditionellerweise als politische Organisationen verstehen. Sie sind aber von grosser Wichtigkeit, wenn wir verstehen wollen, wie in der Schweiz mit Wasser umgegangen wird. Darum bietet es sich in diesem Zusammenhang an, anstelle von Wasserpolitk von Wasser-Governance zu sprechen.

Und es wird noch komplexer. In der Schweiz findet diese Wasser-Governance nämlich nicht nur in vielen verschiedenen thematischen Bereichen, sondern auch auf verschiedenen Ebenen, von lokal bis national, statt. Bundesämter verfassen zum Beispiel strategische Planungen, was Gemeinden auch tun. Gemeinden setzen aber auch konkrete Massnahmen um, was Bundesämter wiederum nicht tun. Dazu kommt, dass sich Wasserversorgungen auf regionaler Ebene zusammen schliessen, während Naturschutzorganisationen alles im Auge behalten und auf Fälle von ungenügend umgesetztem Umweltschutz auf lokaler Ebene aufmerksam machen, damit wiederum auf nationaler Ebene griffigere Gesetze erreicht werden.

Wasser-Governance ist daher ein komplexes System von verschiedenen Organisationen, welches sich in verschiedenen Bereichen, auf verschiedenen Ebenen und auf verschiedene Arten mit Wasser beschäftigt. Erst ein solcher ganzheitlicher Blick dieses System ermöglicht es, seine Struktur und Komplexität wirklich einzuschätzen.

Grafik 1: Teilbereiche der Schweizer Wasser-Governance aufgrund von Mustern in Aktivitäten von Organisationen

Anmerkung zur Grafik
Die Abbildung zeigt die Teilbereiche der Schweizer Wasser-Governance aufgrund von Mustern in Aktivitäten von Organisationen. Verbindungen zwischen Teilbereichen verdeutlichen, wie stark Organisationen des einen auch im anderen Teilbereich tätig sind. Je gelber ein Teilbereich ist, desto mehr überwiegt innerhalb des Teilbereichs Konflikt, je violetter, desto mehr überwiegt Übereinstimmung zwischen Organisationen. Konflikt wird gemessen daran, wie viele Organisationen Unstimmigkeiten mit anderen Organisationen innerhalb des Bereichs angeben (siehe zweite Infobox).

Wasser-Governance in der Schweiz: Zwei grosse Hauptbereiche

Meine Untersuchung hatte zum Ziel, die Schweizer Wasser-Governance in verschiedene Teilbereiche unterteilen. Diese sind unterschiedlich stark miteinander verflochten. Dabei lassen sich zwei grosse Hauptbereiche unterscheiden, die sich hauptsächlich darin unterscheiden, wie viel Konflikt rund um Wasser darin stattfindet.

Auf der einen Seite sind dies Naturschutz und Energiepolitik. In diesen Bereichen herrschen grössere Meinungsverschiedenheiten unter Organisationen, insbesondere auf der nationalen Ebene. Diese drehen sich des öfteren um den Einfluss der Wasserkraft auf aquatische Lebensräume und Landschaftsqualität.

Auf der anderen Seite findet Wasser-Governance zu einem grossen Teil unter dem Radar der Öffentlichkeit rund um Wasserversorgung und Hochwasserschutz statt. Organisationen in diesem Bereich haben tendenziell weniger Konflikte untereinander. Diese Teilbereiche sind stark geprägt von Vertrauen auf Expertenwissen und technischer Expertise. Konflikte finden vor allem rund um den Einfluss der Landwirtschaft auf die Gewässerqualität statt.

Oftmals unter dem Radar und von der breiten Öffentlichkeit unbemerkt, kümmert sich also in der Schweiz ein enorm komplexes Gebilde darum, dass sauberes Wasser aus unserem Hahnen fliesst, sauberer Strom aus Wasserkraft aus der Steckdose kommt, wir das Regenwetter ohne Sorgen vor verheerenden Überschwemmungen aussitzen können und Bäche wieder naturnäher werden.

Daten und Methoden
Wie kommt man zu einer sinnvollen Unterteilung eines so komplexen Gebildes wie jenes der Schweizer Wasser-Governance? Für diese Studie wurde ein Ansatz gewählt, der nach Mustern in den Aktivitäten von Organisationen sucht.

Dafür wurden Antworten von 326 Organisationen in einer Umfrage zur Schweizer Wasser-Governance ausgewertet. Die Organisationen gaben in der Umfrage an, in welchem von 26 Themen in der Schweizer Wasser-Governance (bspw. Schutz aquatischer Lebensräume oder Betrieb von Grosswasserkraftwerken) sie tätig waren. Zu jedem Thema wurden sie danach befragt auf welchem Level (von lokal zu national) und in welcher Art (von Planung zu Evaluation) sie darin tätig waren. Des Weiteren gaben die Organisationen andere Organisationen zu jedem Thema an, mit welchen sie thematische Übereinstimmungen wie auch Unstimmigkeiten aufwiesen.

Die Antworten der Organisationen ergaben ein detailliertes dreidimensionales Aktivitätenprofil für jede Organisation, innerhalb der drei Dimensionen Themen, Levels und Art der Aktivität. Dies ermöglichte es, nach Mustern innerhalb der Aktivitätenprofile der Organisationen zu suchen und mittels Cluster-Analyse (unsupervised learning) Gruppen von ähnlichen Profilen zu erstellen. Die so erstellten Gruppen repräsentieren Teilbereiche der Schweizer Wasser-Governance, basierend auf den Aktivitäten der darin tätigen Organisationen.


Referenz:

Bild: © Mario Angst, Autor