In meiner Arbeit als Politberater habe ich Kunden erlebt, denen Korruption, Alkoholismus, Drogenkonsum, eheliche Untreue, zweifelhafte Allianzen oder überteuerte Projekte vorgeworfen wurden. Anderen wurde vorgehalten, sie seien zu alt, zu lange im Amt, zu dogmatisch, politisch zu extrem oder sie hätten die falsche Herkunft. Also habe ich acht Lektionen des Krisenmanagements aufgeschrieben. Ich habe sie vor Jahren während meiner Zeit an der Graduate School für Politisches Management an der George Washington University in Washington D.C. gelernt und seither erfolgreich angewendet. Sie scheinen mir in Zeiten von «Fake News» wichtiger denn je.
Lektion 1: Negative Campaigning ist omnipresent – auch bei uns
Viele Schweizerinnen und Schweizer meinen, die Fernsehwerbung mit frontalen Angriffen seien eine amerikanische Eigenheit. In der Tat läuft «Negative Campaigning» in den USA sehr explizit und direkt zwischen den Kandidaten. In Europa findet «Negative Campaigning» hingegen häufig via Medien statt. Wie die Fälle Geri Müller, Jonas Fricker, Alfred Heer, Roman Burger, Yannick Buttet, Bruno Zuppiger, Géraldine Savary und Pierre Maudet unter Umständen illustrieren, ist es aber auch bei uns omnipräsent. In den USA reagiert das Stimmvolk mittlerweile eher abgestumpft auf die Angriffe. Wie die erwähnten Fälle zeigen, ist «Negative Campaigning» bei uns aber erstaunlich effizient. Während weniger Wochen können Karrieren beendet werden.
Lektion 2: Fakten schnell zusammengetragen
Im Zentrum einer Krise steht normalerweise ein Vorwurf oder ein (angeblicher) Skandal. Häufig gibt es Warnzeichen, manchmal kommen sie aber auch aus dem Nichts. In jedem Fall gibt es aber einen «breaking point», wo der Vorwurf publik wird und ab welchem es kein Zurück mehr gibt. Ab dann ist es als Krisenmanager essentiell, so schnell wie möglich die Fakten zusammen zu tragen. Als Berater muss ich die – unter Umständen brutale – Wahrheit kennen. Denn es ist wie der Gang in einem Labyrinth: Wenn man zu Beginn falsch abbiegt, wird alles, was folgt, auch falsch sein.
Lektion 3: Nicht reflexartig abstreiten
In vielen Fällen reagiert eine beschuldigte Person defensiv und streitet die Beschuldigung reflexartig ab. Dies ist zwar eine durch und durch menschliche Reaktion, trägt aber häufig dazu bei, die Situation zu verschlimmern. Nicht selten ist es das Lügen und Abstreiten, welches zum echten Problem wird, während man den eigentlichen Vorwurf leicht hätte entkräften können. Je mehr ein Vorwurf oder ein Skandal dem öffentlichen Image eines Politikers oder einer Politikerin widerspricht, desto gefährlicher ist er.
Lektion 4: Kommunikationsstrategie von juristischer Verteidigung unterscheiden
Bei jeder Verteidigungsstrategie sollte zwischen Kommunikation und Öffentlichkeit auf der einen Seite, und der juristischen Schiene auf der anderen Seite unterschieden werden. Anwälte wollen normalerweise so wenig wie möglich sagen und je nach Fall kann dies das einzig Richtige sein. Aber was die Öffentlichkeit angeht, wird “kein Kommentar” häufig als Schuldanerkennung wahrgenommen. So wie Kommunikationsberater nicht die Gerichtskorrespondenz verfassen sollten, sollten Anwälte also auch nicht die Kommunikationsstrategie konzipieren. Natürlich muss koordiniert werden, aber ein zentraler Unterschied zwischen den beiden Ebenen ist das Timing. Bis man juristisch reingewaschen ist, ist man politisch meistens längst tot.
Lektion 5: Den 24-Stunden Nachrichtenzyklus akzeptieren
Es ist noch nicht allzu lange her, als die abendlichen Nachrichten das Tagesgeschehen zusammenfassten und auch die Zeitungen grundsätzlich berichteten, was am vorherigen Tag passiert ist. Doch heute ist der Nachrichtenfluss praktisch ohne Unterbruch. Auch der Wettbewerb unter den diversen Newsprodukten hat sich verstärkt. Dem erhöhten Tempo muss das Krisenmanagement gerecht werden. Politikerinnen und Politiker denken manchmal, dass es die Medien auf sie abgesehen haben. Und in der Tat führen Medien manchmal regelrechte Kampagnen gegen bestimmte Persönlichkeiten. In diesen Fällen ist es das Beste, durch einen anderen medialen Kanal zu antworten. Als Faustregel gilt auch: Meistens wissen Journalistinnen und Journalisten mehr, als sie im ersten Bericht publizieren.
Lektion 6: Es ist in Ordnung, sich zu wehren
Niemand muss sich mehr Beleidigungen gefallen lassen als politische Persönlichkeiten. Je nach Situation ist es folglich auch in Ordnung, sich zu wehren. Gerade wenn es um die Verletzung der Privatsphäre geht, sind die juristischen Möglichkeiten in der Schweiz zum Beispiel eher günstig.
Lektion 7: Wann die Wahrheit ans Licht muss
Heute ist es schwierig geworden, eine Krise einfach auszusitzen. Wenn die Anschuldigungen berechtigt sind, ist es die beste Strategie (als Kommunikationsstrategie, nicht juristisch), Fehler zuzugeben und Verantwortung zu übernehmen. Je schneller und je vollständiger man dies tut, desto eher ist das Stimmvolk bereit, zu vergeben. Man sollte in diesem Moment nicht zum Gegenangriff ausholen, sondern eher konkrete Massnahmen präsentieren, wie man versuchen wird, die Verfehlung gutzumachen.
Lektion 8: Nicht alles ist ein Skandal
Wir leben in einer Zeit – und ich glaube, es hat viel mit Social Media und der Schnelllebigkeit der Medien zu tun – wo man sehr schnell und über sehr viel empört ist. Nicht alles ist aber ein Skandal. Folglich muss eine Kampagne auch nicht auf jeden Tweet, jeden Post und jede Anschuldigung reagieren.
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