Klasse, Themen, Kontext: Wer wählt die Alternative für Deutschland?

Neue Arbei­ter­par­tei“, „Volks­par­tei“ oder „Par­tei der Glo­ba­li­sie­rungs­ver­lie­rer“? In einer Ana­ly­se wird unter­sucht, wie sich die Wäh­ler­schaft der Alter­na­ti­ve für Deutsch­land (AfD) zusam­men­setzt. Wäh­rend regio­na­le Unter­schie­de kaum eine Rol­le spie­len, zeigt sich, dass neben kul­tu­rel­len auch wirt­schaft­li­che Über­zeu­gun­gen einen gros­sen Ein­fluss haben können.

Die Anfang 2013 gegrün­de­te Alter­na­ti­ve für Deutsch­land (AfD) muss bereits aus heu­ti­ger Per­spek­ti­ve als eine der elek­to­ral erfolg­reichs­ten Par­tein­eu­grün­dun­gen der bun­des­re­pu­bli­ka­ni­schen Geschich­te gel­ten. Wäh­rend die AfD bei ihrer ers­ten Bun­des­tags­wahl die für die par­la­men­ta­ri­sche Reprä­sen­ta­ti­on not­wen­di­ge Fünf-Pro­zent-Hür­de knapp ver­fehl­te, konn­te sie – trotz inten­siv geführ­ter par­tei­in­ter­ner Aus­ein­an­der­set­zun­gen – zuletzt bei der Bun­des­tags­wahl 2017 12,6% aller Stim­men auf sich ver­ei­nen und ist nun in 14 von 16 Land­ta­gen ver­tre­ten. Ange­sichts ihres anhal­ten­den Wahl­er­folgs und ihrer pola­ri­sie­ren­den, EU-skep­ti­schen und migra­ti­ons­feind­li­chen Pro­gram­ma­tik, ist es wenig über­ra­schend, dass die AfD auch in der Par­tei­en- und Wahl­for­schung auf gros­s­ßes Inter­es­se gesto­ßen ist.

Aus­ge­hend von der eta­blier­ten Lite­ra­tur zu Radi­kal Rech­ten Par­tei­en (RRPs) in West­eu­ro­pa, unter­su­chen Achim Goe­r­res, Den­nis C. Spies und Staf­fan Kum­lin in einer aktu­el­len Stu­die die Moti­ve und Bestim­mungs­fak­to­ren von AfD-Unter­stüt­zern. Die­se umfas­sen (1) deren sozio-öko­no­mi­sches Pro­fil, (2) poli­ti­sche Ein­stel­lun­gen und (3) die Rol­le von wirt­schaft­li­chen und poli­ti­schen Kon­text­va­ria­blen. Wie die quan­ti­ta­ti­ve Ana­ly­se einer Umfra­ge aus dem Jahr 2016 zeigt, las­sen sich auch die Wäh­ler der AfD mit die­sen aus der inter­na­tio­na­len For­schung her­ge­lei­te­ten Erklä­rungs­an­sät­zen recht gut beschrei­ben. Gleich­zei­tig erwei­sen sich jedoch eini­ge, ver­meint­lich bewähr­te Erklä­rungs­an­sät­ze als nur wenig erklärungskräftig.

So stel­len die Autoren fest, dass es – bis auf die über­pro­por­tio­na­le Unter­stüt­zung durch Män­ner – kei­ne signi­fi­kan­ten sozio-öko­no­mi­schen Effek­te hin­sicht­lich der AfD-Wahl­ent­schei­dung schlicht­weg nicht gibt. Inter­pre­ta­tio­nen der AfD als „neue Arbei­ter­par­tei“ oder aber als „Par­tei der Glo­ba­li­sie­rungs­ver­lie­rer“ sind des­we­gen inso­fern irre­füh­rend, als dass der sozio-öko­no­mi­sche Sta­tus kei­nen Erklä­rungs­an­teil lie­fert, sobald für die poli­ti­schen Ein­stel­lun­gen der Befrag­ten kon­trol­liert wird. Ob man dar­aus einen Sta­tus als „Volks­par­tei“ ablei­ten kann – wie dies ver­schie­de­ne AfD-Poli­ti­ker bereits getan haben – ist jedoch eben­falls frag­wür­dig, denn die poli­ti­schen Ein­stel­lun­gen der AfD-Wäh­ler unter­schei­den sich deut­lich von denen des deut­schen Durchschnittswählers.

Wenig über­ra­schend sind die Unter­stüt­zer der AfD migra­ti­ons- und asyl­kri­ti­scher, des­il­lu­sio­niert von eta­blier­ten Par­tei­en und Medi­en und all­ge­mein kul­tu­rell sehr kon­ser­va­tiv ein­ge­stellt. Hin­sicht­lich des Wohl­fahrts­staa­tes zei­gen sie sich zwar kri­tisch gegen­über stark umver­tei­len­den Pro­gram­men, sind aber etwa der bei­trags­ba­sier­ten deut­schen Ren­ten­ver­si­che­rung gegen­über durch­aus wohl­wol­lend ein­ge­stellt. Die­se wirt­schaft­li­chen Über­zeu­gun­gen sind ein bis­her kaum betrach­te­tes aber sicher­lich zukunfts­träch­ti­ges For­schungs­feld, vor allem vor dem Hin­ter­grund einer erkenn­ba­ren sozi­al­po­li­ti­schen Neu­aus­rich­tung der zuvor markt­li­be­ra­len AfD. Auf jeden Fall kann eine Ein­stu­fung der AfD-Wäh­ler als inhalts­lee­re „Pro­test­wäh­ler“ auf Basis der empi­ri­schen Ergeb­nis­se nicht auf­recht­erhal­ten werden.

Dem­entge­gen erwei­sen sich ver­meint­lich eta­blier­te Kon­text­fak­to­ren — wie die regio­na­le Arbeits­lo­sen­quo­te und der Aus­län­der­an­teil – als nicht erklä­rungs­kräf­tig. Wäh­rend Bei­trä­ge über die star­ke Zustim­mung für die AfD in Extrem­fäl­len wie Neu­kölln (hohe Arbeits­lo­sig­keit) und dem säch­si­schen Pir­na (gerin­ger Aus­län­der­an­teil) ganz mas­sß­geb­lich die media­le Bericht­erstat­tung bestim­men, fin­den die Autoren hier kei­ne signi­fi­kan­ten Effek­te. Zwar fin­det die AfD im Osten der Repu­blik all­ge­mein mehr Zustim­mung als im Wes­ten, die­se Unter­schie­de blei­ben jedoch auch unter Kon­trol­le für die unter­schied­li­chen wirt­schaft­li­chen und demo­gra­fi­schen Ver­hält­nis­se in bei­den Regio­nen bestehen. Neben die­sem Ost/­West-Gegen­satz scheint zudem der lang­fris­ti­ge poli­ti­sche Kon­text einen star­ken Ein­fluss auf die AfD-Unter­stüt­zung zu haben, denn die Par­tei fin­det deut­lich mehr Unter­stüt­zung in jenen Regio­nen, in denen bereits in den 1990er Jah­ren die Repu­bli­ka­ner erfolg­reich waren. Die Erfor­schung der kau­sa­len Mecha­nis­men für die­se auf­fäl­li­ge Kon­stan­te wäre eben­falls ein loh­nen­des Feld für zukünf­ti­ge Arbeiten.

 


Refe­renz
Goe­r­res, Achim, Den­nis C. Spies und Staf­fan Kum­lin (2018). The Elec­tro­al Sup­por­ter Base of the Alter­na­ti­ve for Ger­may, Swiss Poli­ti­cal Sci­ence Review, first online publis­hed: 21 June 2018.
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