Warum sich ein Studium finanziell lohnt und was die Politik damit zu tun hat

Immer wieder gibt es Debatten darüber, ob sich ein Studium finanziell lohnt. Neuste Zahlen machen es deutlich: Studierte verdienen in Skandinavien etwa 20 Prozent mehr als Nichtstudierte, in den USA sogar bis zu 70 Prozent mehr. Der Lohnzuschlag für einen Universitätsabschluss wird allerdings massgeblich durch die Politik geprägt, wie unsere Analye zeigt.

Eine weitverbreitete These besagt, dass Arbeitskräfte mit tieferer Bildung zu den «Globalisierungsverlierern» gehören. Von Stagnation und Abstiegsängsten geprägt, werden diese Menschen empfänglich für (rechts)populistische Plattformen. Folglich spielt die Bildung auch für die Politik eine zentrale Rolle. Doch wie gross sind die Lohnunterschiede zwischen Studierten und Nichtstudierten tatsächlich?

Es gibt erstaunlich wenig Daten, um obengenannte Thesen zu überprüfen. Nur wenige Studien vergleichen die Lohnunterschiede zwischen Studierten und Nichtstudierten über mehrere Länder hinweg und verfolgen die Entwicklung der Unterschiede über die Zeit. Fragwürdig an bisherigen Studien ist zudem die Annahme, dass Lohndiskrepanzen das Resultat von «automatischen» Prozessen wie der Globalisierung oder des technologischen Wandels seien, woraus ein Lohndruck auf Personen mit tiefer Ausbildung entstehe, da deren Tätigkeiten ausgelagert werden können.

Die Rolle der Politik

Wir bestreiten nicht, dass die Prozesse der Globalisierung und des technologischen Wandels in manchen Ländern tatsächlich einen Beitrag zu steigender Lohnungleichheit leisten. In unserer Studie argumentieren wir jedoch, dass es eine Reihe von staatlichen Politiken gibt, die auf die Lohnunterschiede zwischen Bildungsgruppen einwirken. Die zwei Hauptinstrumente sind die öffentlichen Bildungsausgaben sowie die Umverteilungswirkung durch Steuern und Sozialleistungen.

Wo der Staat viel in die Bildung investiert, ist der Zugang zu weiterführender Bildung gleichmässiger verteilt. Das führt auch dazu, dass ein Studium nicht nur aus persönlichem Nutzenkalkül absolviert wird. Wo der Staat viel umverteilt, sind tiefqualifizierte Arbeiter besser gegen Arbeitsmarktrisiken abgesichert, während höhere Einkommensgruppen besonders stark steuerlich belastet werden. Zusammen können staatliche Bildungsausgaben und Umverteilung also den Lohndruck auf Leute mit tiefen Qualifikationen eindämmen.

Datengrundlage und Methoden
Die Untersuchung basiert auf einem neuen Datensatz, in dem wir die «Bildungsprämien» in 22 OECD-Ländern zwischen 1989 und 2014 erfasst haben. Wir definieren die Bildungsprämie als das Verhältnis im Median-Bruttolohn von Angestellten mit und ohne tertiärem Bildungsabschluss (25- bis 59-jährige Vollzeit-Angestellte). Die Daten wurden aus harmonisierten Einkommensumfragen (Luxembourg Income Study) berechnet. In unserer Analyse untersuchen wir den Effekt von verschiedenen staatlichen Politiken unter Kontrolle von anderen Erklärungen (wie etwa dem Grad der Globalisierung). Unsere statistischen Modelle berücksichtigen sowohl die Varianz zwischen Ländern als auch die Varianz innerhalb von Ländern.

Abbildung 1 zeigt die Lohnunterschiede zwischen tertiär und nicht-tertiär ausgebildeten Angestellten um das Jahr 2007. Die Bildungsprämien schwanken zwischen weniger als 20 Prozent in Skandinavien und über 60 Prozent in den USA (und Luxemburg). Die Länder in Kontinentaleuropa liegen dazwischen. Im Zeitvergleich stellt sich heraus, dass die Bildungsprämien in westeuropäischen Ländern wie Deutschland, den Niederlanden, Österreich und der Schweiz stark angestiegen sind (aber nicht in Frankreich). Derselbe steigende Trend trifft auf die USA zu. In anderen Ländern hingegen nahm die Bildungsprämie in den letzten Jahrzehnten ab (nordische Staaten, Ost- und Südeuropa).

Abbildung 1: Lohnunterschied zwischen Studierten und Nichtstudierten (22 Länder, ca. Jahr 2007)

Öffentliche Bildungsausgaben und Umverteilung zentral

Unsere statistische Analyse zeigt (vgl. Infobox), dass öffentliche Bildungsausgaben und ein umverteilendes Steuer- und Transfersystem einen wichtigen Beitrag zur Eindämmung der Lohnunterschiede leistet. Diese Befunde beruhen einerseits auf dem zwischenstaatlichen Vergleich, wo sich die Unterschiede zwischen den stark ausgebauten universalen Wohlfahrtsstaaten in Skandinavien und dem schlanken liberal-angelsächsischen Wohlfahrtsstaat bemerkbar machen. Andererseits spielen auch Sozialstaatsreformen der letzten Jahre eine Rolle. In Ländern wie Deutschland, die einen Teil ihres Wohlfahrtsstaates stärker marktförmig umgestaltet haben, könnte dies zu grösseren Lohnunterschieden zwischen Studierten und Nichtstudierten geführt haben.

Insgesamt lenkt unsere Analyse den Blick auf einen wichtigen Aspekt der Lohnungleichheit: wie sehr sich eine gute Ausbildung in spürbar höheren Löhnen auszahlt. In den USA müssen Leute ohne Universitätsabschluss mit einem etwa um 70 Prozentpunkte tieferen Lohnniveau rechnen. Diese grosse Lohndiskrepanz löst einen starken Anreiz auf Eltern aus, ihre Kinder auf ein College zu schicken. Die Kehrseite davon ist, dass die Personen, die keine universitäre Ausbildung sicherstellen können, immer mehr abgehängt werden. Wenn die Politik nicht eingreift, werden sich die Lohnunterschiede zwischen Studierten und Nichtstudierten zunehmend akzentuieren.


Referenz:

 

Bild: Auch in der Schweiz lohnt sich ein Studium finanziell. (Studierende an der Universität Zürich; by Frank Brüderli )

image_pdfimage_print