Von Vollgeld, Notenbankgeld und Schulden – weshalb Begriffe wichtig sind

Notenbankgeld, Vollgeld und schuldfreies Geld. Was bedeuten und wie unterscheiden sich die drei Konzepte und weshalb ist das in der Diskussion um die Vollgeld‐Initiative wichtig? Dieser Beitrag zeigt, dass die Initianten mindestens zwei der drei Begriffe ungenau verwenden. Dadurch entsteht der Eindruck eines weniger fundamentalen Systemwechsels als tatsächlich vorgesehen.

Notenbankgeld wird das von der Nationalbank geschaffene Geld genannt. In Fachkreisen spricht man von der Geldmenge M0. Geschäftsbanken führen bei der Nationalbank (SNB) ein sogenanntes Girokonto in Notenbankgeld. Dieses nutzen sie, um untereinander Zahlungen abzuwickeln. Ebenfalls hält Notenbankgeld, wer Bargeld besitzt.

Gewöhnliche Bürgerinnen und Bürger haben heute nur beschränkten Zugang zu Notenbankgeld, weil sie kein Bankkonto bei der Nationalbank eröffnen können. Wenn sie am elektronischen Zahlungsverkehr teilnehmen möchten, sind sie deshalb gezwungen, ein Bankkonto bei einer Geschäftsbank zu eröffnen. Geld auf einem Bankkonto ist nicht Notenbankgeld, sondern von der Geschäftsbank geschaffenes Geld, das Buchgeld genannt wird und zur Geldmenge M1 zählt. Dies empfinden die Initiantinnen als problematisch: Sie verlangen unter anderem, dass auch die heutigen Bankkonten auf Notenbankgeld lauten sollen.

Die Vollgeld-Initiative
Über die Initiative, die unter dem Namen Für krisensicheres Geld: Geldschöpfung allein durch die Nationalbank! (Vollgeld-Initiative) vom Verein Monetäre Modernisierung (MoMo) eingereicht worden ist, wird das Schweizer Stimmvolk am 10. Juni 2018 abstimmen.

Die Initiative will, dass nur noch die Schweizerische Nationalbank (SNB) Geld schaffen darf, die Geschäftsbanken hingegen nicht mehr. Zudem soll die SNB Geld «schuldfrei» in Umlauf bringen, also ohne Gegenleistung, indem sie es direkt an den Bund, die Kantone oder die Bevölkerung verteilt. Damit sollen das Geld der Bankkundinnen und ‑unden geschüzt und Finanzkrisen verhindert werden. (Quelle: Erläuterungen des Bundesrats)

Volksinitiative will Systemänderung

Gemäss Titel der Volksinitiative soll das durch die Einführung von Vollgeld geschehen. Dieses soll zu grossen Teilen schuldfrei in Umlauf kommen. Von der Nationalbank neu geschaffenes Geld würde also nicht länger auf die Girokonten der Geschäftsbanken gebucht, sondern als Transfer – beispielsweise an Bund und Kantone – direkt in den Wirtschaftskreislauf gelangen. Konkret würde die Nationalbank nicht wie heute den Geschäftsbanken Staatsanleihen abkaufen, um die Geldmenge zu erhöhen, sondern Vollgeld an den Bund und die Kantone verschenken. Aus diesem Grund wäre die Geldschöpfung im Vollgeld‐System nicht mit einer Erhöhung der Girokonten der Geschäftsbanken verbunden. Damit wäre die neu zu schaffende Geldmenge auch nicht länger eine Schuld der Nationalbank und darum zugleich Vollgeld als auch schuldfreies Geld.

Ebenso könnte das neu zu schaffende Vollgeld schuldfrei sein, wenn es als Kredite an die Geschäftsbanken in den Umlauf käme. Das erschliesst sich aus (einer der vielen) vorgeschlagenen Verbuchungsszenarien für eine solche Transaktion. Einer Anregung des «Vollgeld‐Erfinders» Joseph Hubers zufolge würden SNB‐Kredite an die Geschäftsbanken nicht auf die (nicht mehr geführten) Girokonten der Geschäftsbanken gebucht, sondern in das «Nationale Monetäre Eigenkapital».

In jedem Fall wäre ein grosser Anteil der neuen Vollgeldmenge schuldfrei und würde sich damit konzeptionell deutlich vom heutigen Geldverständnis unterscheiden, weil im heutigen System Geld auch immer eine Verpflichtung einer Gegenpartei (einer Geschäftsbank oder der Nationalbank) darstellt.

Die Argumente der Pro- und Contraseite
Pro: Das Hauptargument der Initiantinnen und Initianten und der Befürworter der Initiative bezieht sich auf das Geldschaffungsmonopol der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Obwohl die SNB als einzige Schweizer Bank Geld herstellen sollte, sei es heute auch Geschäftsbanken möglich, Geld herzustellen. Dies soll durch die Vollgeld-Initiative unterbunden werden. Damit soll das Geld auf den Konten der Kunden nicht mehr blosses «Buchgeld», sondern reales Geld sein und die Bankkunden können auch im Falle einer Bankenpleite ihr Geld nicht verlieren.

Contra: Sowohl der National- wie auch der Sänderat lehnen die Vollgeld-Initiative mit der Begründung ab, dass ein Vollgeldsystem, wie es in der Initiative gefordert ist, international bisher noch kein gleichwertiges System kennt und daher unabsehbare Risiken für die Wirtschaft und die Geldpolitik in der Schweiz birgt. Auch das gegnerische Komitee, bestehend aus Politikern aus allen Parteien, argumentiert mit Risiken für die Wirtschaft. Das Komitee sieht ebenfalls Risiken für die Kunden von Geschäftskunden: diese würden für verteuerte Finanzdienstleistungen zahlen müssen, weil Banken nicht mehr mit ihrem persönlichen Geld arbeiten dürften.

(Quelle: Bundesüchlein, Pro- und Contra-Argumente zusammengestellt durch die Redaktion von DeFacto. Das Initiativkomitee hat die Erläuterungen des Bundesrats, wie sie im Bundesbüchlein stehen, kritisiert und prüft eine Beschwerde. Die Kernbotschaften der Initiative, formuliert durch das Initiativkommittee, können hier nachgelesen werden.)

Notenbankgeld = Vollgeld?

Das Kampagnenteam der Vollgeld‐Initiative verwendet aber seit einiger Zeit die zwei Begriffe «Notenbankgeld» und «Vollgeld» quasi synonym. So wird beispielsweise behauptet, dass schon heute Vollgeld bestünde, nämlich Bargeld. Das ist aufgrund der prominenten Hervorhebung des schuldfreien Aspekts von Vollgeld im vorgeschlagenen Verfassungstext nicht korrekt, weil Bargeld heute eine bilanztechnische Schuld der Nationalbank darstellt, also nicht schuldfrei ist, wie dies die Initiative vorsehen würde. Auch ist helicopter money – obwohl permanent – kein Vollgeld, weil auch dieses geschaffen wird, indem eine Notenbank Vermögenswerte erwirbt und die neu geschaffene Geldmenge als Geldschuld verbucht. Würde mit Vollgeld tatsächlich das gemeint, was die Initianten in letzter Zeit vermehrt suggerieren, wäre der Begriff gar obsolet: Vollgeld wäre in diesem Fall gleich Notenbankgeld.

Mit dem Kampagnenargument, dass die Vollgeld‐Initiative «nur» Zugang zu Notenbankgeld für alle schaffen würde, wird ein wichtiges Element des Volksbegehrens ausgeblendet: Die Vollgeld‐Initiative möchte auch eine mehrheitlich oder vollständig schuldfreie Währung etablieren. Dies mit dem Ziel, den Wachstumsdruck zu verringern und die Verschuldung des Staates zu reduzieren.

Die vereinfachende Gleichstellung von Vollgeld und Notenbankgeld erschwert die Diskussion um die Besonderheiten eines schuldfreien Frankens. Vollgeld unterschiede sich aber fundamental von heutigem Notenbankgeld, weil es schuldfrei und ungedeckt wäre. Überwiegen davon die Vor‐ oder Nachteile? Diese Frage muss noch beantwortet werden.


Hinweis: Dieser Beitrag erschien am 19. April 2018 auch in der Südostschweiz.

Bild: Pixabay.

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KategorienPolitisches VerhaltenThemen
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