Wenn hierzulande von Populismus die Rede ist, kommt man schnell auf die Schweizerische Volkspartei (SVP) zu sprechen. In einer vergleichenden Analyse zeigt sich, dass die Lega dei Ticinesi und das Genfer MCG genauso populistisch sind, vor allem was ihre charismatischen Führungspersönlichkeiten angeht. Allerdings unterscheiden sich die beiden kleineren Parteien in thematischer Hinsicht deutlich von der SVP.
Der schillernde Begriff des Populismus ist zurzeit in aller Munde. Ob Trump, Syriza oder AfD – in jüngster Zeit haben als populistisch eingestufte Parteien oder Kandidierende zum Teil spektakuläre Wahlerfolge gefeiert.
Der populistische Diskurs der SVP
In der Schweiz wird Populismus oft mit der SVP in Verbindung gebracht. Die Volkspartei durchlief Ende der 1980er Jahre unter dem Einfluss des von Christoph Blocher angeführten Zürcher Flügels eine Radikalisierung, die sich vor allem in einem harten Kurs in der Ausländer- und Europapolitik manifestierte.
Diese Transformation des ideologischen Profils trug ihre Früchte. Der SVP gelang es, politische Debatten zu prägen, spektakuläre Abstimmungssiege (insb. EWR-Nein und Annahme Masseneinwanderungsinitiative) zu erzielen und zur grössten Partei der Schweiz aufzusteigen (Wähleranteil 2015: 29,4%).
Die Exponenten der SVP greifen regelmässig auf eine populistische Rhetorik zurück. Dabei wird auf das Volk als homogene Einheit rekurriert, das in einem fundamentalen Interessengegensatz zu den Eliten gesehen wird. Als Folge davon werden Letztere nicht selten pauschal verunglimpft. Da das Volk über allem zu stehen hat, wird zudem die Einhaltung der Volkssouveränität eingefordert.
Die Spreu trennt sich vom Weizen
In Bezug auf den Populismus in der Schweiz entspricht der Fokus auf die SVP allerdings einer verkürzten Sichtweise. Wie aus einer kürzlich publizierten Studie hervorgeht, können zwei weitere Schweizer Parteien als ebenso populistisch angesehen werden. Dabei handelt es sich um die Lega dei Ticinesi (Lega) und das Genfer Mouvement Citoyen Genevois (MCG).
Abbildung 1: Populismus nach Parteien
Abbildung 1 stellt das Ausmass des populistischen Diskurses von sieben Schweizer Parteien dar. Es zeigt sich, dass sich SVP, Lega und MCG deutlich von den restlichen Parteien (FDP, SP, CVP und Grüne) abheben. Erstere greifen im Durchschnitt beinahe sechs Mal häufiger auf populistische Rhetorik zurück als Letztere.
Die Parteien haben unterschiedliche populistische Profile
Wie aus Abbildung 2 ersichtlich ist, unterscheiden sich die populistischen Diskurse von SVP, Lega und MCG erheblich nach Themenbereichen. Die SVP erweist sich im kulturellen Bereich von ihrer populistischen Seite. Dies betrifft insbesondere Fragen rund um das Völkerrecht sowie die Europapolitik und die Ausländerpolitik. Im Gegensatz dazu setzt sie im wirtschaftlichen Bereich in weit geringerem Masse auf populistische Aussagen als die Lega oder das MCG.
Abbildung 2: Populismus nach Themenbereichen
Der Wirtschaftspopulismus ist dafür sowohl bei der Lega als auch beim MCG weit verbreitet. Dies hängt mit dem gegenüber der SVP weit sozialeren Profil zusammen, was insbesondere in der Gesundheitspolitik und in der Altersvorsorge zum Tragen kommt. Auch im kulturellen Bereich setzen Lega und MCG auf die populistische Karte. Für die MCG steht die Grenzgängerproblematik im Vordergrund, während die Lega zusätzlich zur Einwanderung auch in der Europapolitik auf populistische Weise kommuniziert.
Somit erstreckt sich der Populismus von Lega und MCG über ein breiteres Spektrum, während im Fall der SVP von einer selektiven Logik die Rede sein kann.
Populistisch dank charismatischen Parteianführern
Betrachtet man die individuelle Ebene, sticht in der Abbildung 3 die herausragende Bedeutung der starken Oppositionsführer ins Auge. Die populistische Kommunikation durch Christoph Blocher, Giuliano Bigasca (gestorben 2013) und Eric Stauffer (hat MCG im Sommer 2016 verlassen) erweist sich als besonders ausgeprägt. Diese Persönlichkeiten lassen die restlichen Parteimitglieder in Bezug auf eine populistische Rhetorik weit hinter sich. Stark ausgeprägt ist dabei der Gegensatz zu den Exekutivmitgliedern. Somit kann in populistischer Hinsicht von einer Art “Arbeitsteilung” gesprochen werden.
Abbildung 3: Populismus auf individueller Ebene
Hinweis: Dieser Beitrag basiert auf dem Kapitel von Laurent Bernhard aus dem Sonderheft der Schweizerischen Zeitschrift für Politikwissenschaft zum Populismus (Heft 23(4), 2017):