Werden Kinderbetreuungsmöglichkeiten ausgebaut, gehen mehr Frauen einer bezahlten Arbeit ausser Haus nach. Während dieser Zusammenhang schon oft belegt wurde, stellt sich weiterhin die Frage, ob Kinderbetreuungsmöglichkeiten auch dazu führen, dass Eltern weniger Probleme darin sehen, Erwerbsarbeit, Familie und Freizeit zu vereinbaren. Unsere Analysen zeigen auf, dass Kinderbetreuungseinrichtungen zwar mit einer egalitäreren Rollenteilung verbunden sind, aber nicht mit weniger Zeitkonflikten von Müttern und Vätern einhergehen. Viel eher zeigt sich sogar, dass Väter eine egalitäre Aufgabenteilung als komplexer und stressiger wahrnehmen als eine traditionelle Aufgabenteilung.
Zahlreiche Studien haben bisher aufgezeigt, dass familienexterne Kinderbetreuungsangebote die Integration der Frauen in den bezahlten Arbeitsmarkt fördern (Chang 2004; Mandel und Semyonov 2006; Stadelmann-Steffen 2008). Weit weniger klar ist, inwiefern sich die verstärkte Erwerbstätigkeit der Frauen auf die Arbeitsteilung im Haushalt auswirkt.
Wenn Frauen stärker erwerbstätig sind, könnte man einerseits erwarten, dass dafür die Männer zu Hause stärker in die Hausarbeit einbezogen werden. Andererseits sprechen andere Studien dafür, dass Paare, welche die Erwerbsarbeit sehr egalitär aufteilen, dieses „normabweichende“ Verhalten gegen aussen mit traditionellen Rollen zu Hause kompensieren. Konkret heisst das, dass auch in solchen Familien der grössere Teil der Hausarbeit nach wie vor mehrheitlich von Frauen erledigt wird – das belegen aktuelle Zahlen des Bundesamts für Statistik.
An diesem Punkt setzt unsere Studie an. Wir untersuchen, ob es externe Kinderbetreuungsangebote Eltern erleichtern, Erwerbsarbeit, Familie und Freizeit unter einen Hut zu bringen. Dabei betrachten wir nicht in erster Linie die tatsächliche Zeitaufteilung von Frauen und Männern auf die verschiedenen Lebensbereiche, sondern konzentrieren uns auf deren Wahrnehmung von Zeitkonflikten bezüglich der Vereinbarkeit. Konkret untersuchen wir, inwiefern die geschlechterspezifische Wahrnehmung von Zeitkonflikten zwischen Erwerbsarbeit, Arbeit zu Hause und Freizeitaktivitäten vom kommunalen Kinderbetreuungsangebot abhängt.
Kinderbetreuungsangebote haben grosse Wirkung auf Väter
Unsere Ergebnisse zeigen, dass externe Kinderbetreuungsangebote vor allem auf Väter eine grosse Wirkung haben. Konkret weisen Männer mit kleinen Kindern in Gemeinden ohne Kinderbetreuungseinrichtungen sogar eher weniger Zeitkonflikte auf als kinderlose Männer. Väter, in deren Wohngemeinden ein Angebot externer Kinderbetreuung besteht, fühlen hingegen deutlich stärkere Zeitkonflikte. Sie geben häufiger an, dass ihnen die Zeit sowohl für die Hausarbeit als auch für Freizeitaktivitäten fehlt. Sobald die Kinder das Schulalter erreichen, wird diese Wahrnehmung wieder etwas schwächer.
Bei Frauen hingegen nimmt die Wahrnehmung, dass die Freizeit zu kurz kommt, mit kleinen Kindern und mit steigendem Beschäftigungsgrad im Arbeitsmarkt generell zu, während die Zeitkonflikte bezüglich Hausarbeit abnehmen. Dies, weil Frauen mit kleinen Kindern ihre Erwerbstätigkeit häufig stark reduzieren und die Verantwortung für die Arbeit zu Hause – d.h. für die Betreuungs- und auch für die Hausarbeit damit praktisch vollständig übernehmen.
Bemerkenswert ist jedoch, dass die Zeitkonflikte bei Frauen mit kleinen Kindern unabhängig davon sind, ob es in ihren Wohngemeinden Angebote von Kinderbetreuungseinrichtung gibt oder nicht. Die Verfügbarkeit von externen Kinderbetreuungsplätzen ist lediglich mit leicht höheren Zeitkonflikten verbunden, wenn die Kinder älter werden und in die Schule kommen. Dies lässt sich damit erklären, dass Mütter die zunehmende Unabhängigkeit ihrer Kinder oft nutzen, um den eigenen Beschäftigungsgrad zu steigern.
Bemerkung: Marginaler Effekt von kleinen Kindern für Frauen und Männern in Gemeinden mit und ohne Kinderbetreuungsangebot für Vorschulkinder. Lesebeispiel: Männer mit kleinen Kindern in Gemeinden ohne Kinderbetreuungsangebot stimmen der Aussage, dass sie zu wenig Zeit für Hausarbeit haben, weniger oft zu als Männer ohne Kinder. Im Gegensatz dazu stimmen Männer mit kleinen Kindern in Gemeinden mit Kinderbetreuungsangebot der gleichen Aussage häufiger zu als Männer ohne Kinder.
Egalitäre Arbeitsteilung wirkt sich auf Mütter und Väter unterschiedlich aus
Was steckt hinter den unterschiedlichen Wahrnehmungen von Müttern und Vätern? Unsere Analysen machen deutlich, dass das Angebot an externer Kinderbetreuung zu einer gleichberechtigteren Aufteilung der Arbeit innerhalb von Partnerschaften führt. Allerdings bedeutet die egalitärere Arbeitsteilung für Väter und Mütter etwas Anderes und wird entsprechend auch unterschiedlich wahrgenommen.
Für Frauen bieten sich dank dem Angebot externer Kinderbetreuung in erster Linie neue und mehr Wahlmöglichkeiten bezüglich Erwerbstätigkeit. Frauen sind zwar durch ihr Engagement auf dem Arbeitsmarkt zeitlich eingespannter, nehmen die Ausweitung der eigenen Möglichkeiten aber mehr als Chance denn als Last wahr (Jacobs und Gerson 2004, 39). Diese Sichtweise wird dadurch verstärkt, dass bei Müttern kleiner Kinder die Zeitkonflikte sowieso und auch ohne Erwerbstätigkeit zunehmen.
Auf der anderen Seite lässt die egalitärere Aufteilung der Arbeit das Leben der Väter komplexer werden. Die Vorteile der modernisierten Familienrollen sind für Männer weniger offensichtlich, sie sehen sich vor allem mit neuen Herausforderungen konfrontiert wie den stärkeren Einbezug in die Haus- und Betreuungsarbeit.
Obwohl sich in den letzten Jahrzehnten zwar das Ideal des involvierten und partizipierenden Vaters entwickelt hat, hat sich das Bild von einem «richtigen Mann» nicht stark verändert (Brandth und Kvande 1998; Wall und Arnold 2007). Maskulinität ist nach wie vor stark verbunden mit Vollzeiterwerbsarbeit ausserhalb der eigenen vier Wände sowie der Rolle des Familienernährers. Dies führt zu einem Konflikt zwischen unterschiedlichen normativen Idealbildern, welcher sich auch in strukturellen Hürden widerspiegelt und die Situation für die Väter besonders erschwert.
Politik muss Männer konkret ansprechen
Aus diesen Ergebnissen kann zunächst gefolgert werden, dass Politikerinnen und Politiker beim Entwickeln von Massnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht nur die Frauen, sondern vermehrt auch die Männer in das Blickfeld rücken sollten. Eine Politik, welche die Männer nicht einfach nur als indirekt Betroffene wahrnimmt, sondern sie ebenso wie Frauen als Zielgruppe definiert und integriert, kann möglicherweise die Chancen dieser Veränderungen auch für Männer sichtbarer machen und gleichzeitig bei Männern den Eindruck vermindern, dass für sie diese Massnahmen vor allem Nachteile bringen.
Zudem wird klar, dass Kinderbetreuungsangebote alleine nicht reichen für eine egalitäre haushaltsinterne Rollenteilung. In einem Land wie der Schweiz, in dem noch immer mehrheitlich traditionelle Familienmodelle gelebt werden und das externe Kinderbetreuungsangebot schwach ausgebaut ist, können die durch politische Massnahmen ausgelösten Veränderungen kurz- und mittelfristig gar zu (normativen) Konflikten führen. Gleichzeitig haben aber diese Instrumente auch das Potenzial, traditionelle Geschlechternormen aufzuweichen und den Vätern und Müttern positive Erfahrungen in ihren neuen Rollen zu ermöglichen. Auch wenn diese Prozesse Zeit brauchen, können die durch Kinderbetreuungsangebote angestossene Veränderung längerfristig dazu führen, dass die Möglichkeit gleichberechtigter Arbeitsteilung im Arbeitsmarkt und zu Hause nicht nur von Frauen, sondern auch von Männern stärker als Chance und weniger als Belastung wahrgenommen werden.
Der Beitrag bezieht sich auf:
Stadelmann-Steffen Isabelle und Dominique Oehrli (2017). Perceiving Reconciliation: Child Care Policies and Gendered Time Conflicts, in: Gender & Society 31(5).
Quellen:
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