Digitalisierung, Medienkonvergenz und Anforderungen an das Recht

Die bestehen­de Medi­en­ord­nung muss dem digi­ta­len Zeit­al­ter ange­passt wer­den. Die Ver­fas­sung gibt weder die SRG als Insti­tu­ti­on noch einen Leis­tungs­auf­trag für das Inter­net vor. Ob der Gesetz­ge­ber die nöti­ge Reform­kraft auf­bringt, um die ver­fes­tig­ten Struk­tu­ren im Medi­en­markt auf­zu­bre­chen, ist aller­dings fraglich.

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Der Bun­des­rat und offen­bar der Stän­de­rat wol­len die seit 80 Jah­ren bestehen­de Medi­en­ord­nung mit­samt Finan­zie­rungs­mo­dell auch im digi­ta­len Zeit­al­ter fort­füh­ren. Der audio­vi­su­el­le Ser­vice Public soll wei­ter­hin vor allem von der SRG getra­gen wer­den, bei glei­chem Budget.

Heu­te kos­tet die Medi­en­för­de­rung etwa 1400 Mil­lio­nen Fran­ken jedes Jahr. 2015 gin­gen davon 1’235 Mil­lio­nen an die SRG, 54 Mil­lio­nen an loka­le Radio- und Fern­seh­an­bie­ter, 54 Mil­lio­nen an die Bil­lag und 50 Mil­lio­nen über die indi­rek­te Pres­se­för­de­rung an die Print­me­di­en. Die­ses Arran­ge­ment ist nicht gott­ge­ge­ben und müss­te schon auf­grund der Ver­fas­sung regel­mäs­sig auf sei­ne Wirk­sam­keit und Ange­mes­sen­heit hin­ter­fragt werden.

In einer inter­dis­zi­pli­nä­ren Stu­die sind Mark Schel­ker und ich zur Auf­fas­sung gelangt, dass die Digi­ta­li­sie­rung tief­grei­fen­de Refor­men der Medi­en­ord­nung ver­langt, damit der von der Ver­fas­sung ange­streb­te publi­zis­ti­sche Wett­be­werb gesi­chert wer­den kann.

Digitalisierung hat weitreichende Veränderungen in der Medienlandschaft ausgelöst

Die durch die Digi­ta­li­sie­rung aus­ge­lös­ten Ver­än­de­run­gen der schwei­ze­ri­schen Medi­en­land­schaft sind all­ge­mein aner­kannt. In den frü­hen Jah­ren des Radi­os und des Fern­se­hens war die Pro­duk­ti­on und Ver­brei­tung von Radio- und Fern­seh­in­hal­ten mit sehr hohen Fix­kos­ten ver­bun­den. Die Auf­nah­me­ge­rä­te waren teu­er und der Auf­bau der Ver­brei­tungs­net­ze mit hohen Infra­struk­tur­in­ves­ti­tio­nen ver­bun­den. Eine staat­li­che För­de­rung die­ser Medi­en­for­men war lan­ge Zeit ange­zeigt und gerecht­fer­tigt. Dies hat sich in den letz­ten 30 Jah­ren stark verändert.

Die Kos­ten der Pro­duk­ti­on von audio­vi­su­el­len Inhal­ten sind stark gesun­ken und die Inhal­te kön­nen über vie­le ver­schie­de­ne Net­ze über­tra­gen wer­den. Mit dem Auf­kom­men des Inter­nets haben wir über­all ste­ti­gen Zugang zu unter­schied­lichs­ten media­len Inhal­ten, sei­en dies Pres­se­er­zeug­nis­se, Radio- und Fern­seh­in­hal­te oder neue, web­ba­sier­te Medi­en. Das Inter­net hat damit zu einer Kon­ver­genz der Medi­en geführt, wodurch die unter­schied­li­chen Medi­en­pro­duk­te nun im direk­ten Wett­be­werb zueinanderstehen.

Durch die tech­no­lo­gi­schen Ent­wick­lun­gen der letz­ten Jahr­zehn­te sind die tra­di­tio­nel­len Recht­fer­ti­gun­gen für einen Staats­ein­griff in die Medi­en­ord­nung ent­fal­len. Die Ver­än­de­run­gen haben unter dem bestehen­dem För­der­re­gime tief­grei­fen­de, nega­ti­ve Kon­se­quen­zen für die Medienvielfalt.

Auf der einen Sei­te ste­hen heu­te die tra­di­tio­nel­len Infor­ma­ti­ons­an­bie­ter der Pres­se, wel­che sich vor allem über Abon­ne­ments und den Anzei­ge­markt eigen­stän­dig refi­nan­zie­ren müs­sen. Auf der ande­ren Sei­te steht allen vor­an ein staat­lich finan­zier­ter Pro­gramm­an­bie­ter, die SRG.

Die­se Asym­me­trie in der Finan­zie­rung war solan­ge kein gros­ses Pro­blem, als der Pres­se- sowie der Radio- und Fern­seh­markt weit­ge­hend von­ein­an­der getrennt waren. Im digi­ta­len Zeit­al­ter ist die Tren­nung auf­ge­ho­ben. Mit der Kon­ver­genz der Medi­en­in­hal­te dro­hen die ungleich lan­gen Spies­se bei der Finan­zie­rung der ange­bo­te­nen Leis­tun­gen pri­va­te Medi­en­an­ge­bo­te immer stär­ker zu ver­drän­gen und die Medi­en­viel­falt nach­hal­tig zu schwächen.

Demo­kra­tie ist auf poli­tisch infor­mier­te Bür­ger angewiesen

Weil eine funk­tio­nie­ren­de Demo­kra­tie auf gut infor­mier­te Bür­ge­rin­nen und Bür­ger ange­wie­sen ist, kann ein Ein­griff zur Sicher­stel­lung des Zugangs zu unab­hän­gi­ger und viel­fäl­ti­ger Infor­ma­ti­on not­wen­dig sein. Unab­hän­gi­ge Medi­en erfül­len dabei eine zen­tra­le Rolle.

Eine Viel­zahl von wis­sen­schaft­li­chen Stu­di­en belegt den frucht­ba­ren Ein­fluss von unab­hän­gi­gen Medi­en im Wett­be­werb auf die poli­ti­sche Bil­dung und die demo­kra­ti­sche Par­ti­zi­pa­ti­on und Kon­trol­le durch die Bür­ge­rin­nen und Bür­ger. Das spricht für eine staat­li­che För­de­rung im Medi­en­be­reich. Aus öko­no­mi­schen und ver­fas­sungs­recht­li­chen Grün­den hat die­se staat­li­che För­de­rung die Unab­hän­gig­keit der Medi­en zu wah­ren und zu Medi­en­viel­falt und (publi­zis­ti­schem wie auch öko­no­mi­schem) Wett­be­werb beizutragen.

Daher muss die Infor­ma­ti­ons­leis­tung der Medi­en im Vor­der­grund einer staat­li­chen För­der­po­li­tik ste­hen. Infor­ma­ti­on, im Gegen­satz zu den ande­ren vom Pro­gramm­auf­trag genann­ten Leis­tun­gen wie etwa Unter­hal­tung, kann bei den typisch schwei­ze­ri­schen Gege­ben­hei­ten kaum am Markt voll­stän­dig refi­nan­ziert werden.

Gemes­sen an der heu­ti­gen Situa­ti­on und den Anfor­de­run­gen an eine frucht­ba­re staat­li­che Inter­ven­ti­on erscheint die För­de­rung von Voll­pro­gram­men eines ein­zel­nen Anbie­ters als ana­chro­nis­tisch. Die Medi­en­för­de­rung muss alle Medi­en ein­be­zie­hen, auf Viel­falt set­zen und sicher­stel­len, dass die För­de­rung neu­tral und unab­hän­gig von poli­ti­scher Beein­flus­sung ist. Eine sinn­vol­le Medi­en­för­de­rung soll­te bestehen­de Struk­tu­ren auch nicht zemen­tie­ren und kei­ne aus Sicht von Wett­be­werb und Viel­falt frag­wür­di­ge Kor­po­ra­tio­nen von Medi­en­in­sti­tu­ten hervorbringen.

Der Gesetz­ge­ber ver­fügt bei der Gestal­tung der Medi­en­ord­nung über einen gros­sen Spiel­raum: Die Ver­fas­sung gibt weder die SRG als Insti­tu­ti­on noch einen Leis­tungs­auf­trag für das Inter­net vor. Es wird sich bald zei­gen, ob der Gesetz­ge­ber die nöti­ge Reform­kraft auf­bringt, die ver­fes­tig­ten Struk­tu­ren im Medi­en­markt auf­zu­bre­chen und für Neu­es zu öffnen.


Hin­weis: Die­ser Bei­trag bezieht sich auf Het­tich, Peter und Mark Schel­ker (2016): Medi­en im digi­ta­len Zeit­al­ter. Neu­ge­stal­tung des Pro­gramm­auf­trags aus öko­no­mi­scher und recht­li­cher Sicht. Zürich/St.Gallen: Dike Verlag.

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