Effektive Politikberatung in der Praxis – was Regierungen brauchen

Wissenschaftliche Politikberatung ist aktueller denn je. Weltweit suchen Regierungen nach den besten Konfliktlösungsstrategien. Die Herausforderung besteht darin, die Perspektiven auf die internationale Politik flexibel zu wechseln und eine aktive Bereitschaft zum Umdenken zu zeigen. Manuela Spindler, Professorin für Wissenschaftsphilosophie sowie Theorien der Internationalen Beziehungen, ist eine bekannte Vertreterin dieser Philosophie.

Serie Portrats

Wir treffen Manuel Spindler im MFO Park hinter dem Institut für Politikwissenschaft in Oerlikon. «Nach der Anreise habe ich immer das Bedürfnis nach frischer Luft. Dieser Park ist einfach ein schöner Ort, wo man von Grün umgeben ist und die Gedanken nochmals sammeln kann», begründet Spindler ihre Wahl des Interviewortes. Die Professorin für Internationale Beziehungen (siehe Infobox) reist jeden Dienstagmorgen von Berlin nach Zürich, um hier ein Seminar zu Konfliktbearbeitung in den Internationalen Beziehungen zu halten. Die Arbeit an verschiedenen Universitäten mit unterschiedlichen Studierenden ist für die engagierte Dozentin einer der Reize ihres Berufs.

«Alle Staaten benötigen dringend Politikberatung»

«Im Grunde genommen glaube ich, dass alle Staaten dringend eine Politikberatung benötigen», antwortet Spindler lachend auf die Frage, welche Regierung eine differenzierte Politikberatung zum jetzigen Zeitpunkt am nötigsten habe. Der Wechsel von Perspektiven ist essentiell, um zwischen- und innerstaatlicher Kriege, globaler Flüchtlingskrisen und umstrittener Freihandelsabkommen Konflikte frühzeitig zu erkennen und nachhaltig sowie lösungsorientiert zu bearbeiten.

Der Fokus von Spindlers Forschung liegt auf diesem perspektivischen Spagat zwischen den verschiedenen Theorien der Internationalen Beziehungen. Sie vermittelt ihr Wissen nun engagiert weiter. Für die Professorin ist das aber nicht bloss eine akademische Angelegenheit – genau so wichtig ist ihr das Erarbeiten praktischer Handlungsempfehlungen für die Politik. Dies vor allem vor dem Hintergrund der Vielfältigkeit vorhandener Perspektiven auf die Internationalen Beziehungen.

Die Wende – Der Beginn einer neuen Zeit

Manuela Spindlers Interesse an den Internationalen Beziehungen hat einen persönlichen Grund. Eigentlich hatte sie 1989 als junge Studentin voller Enthusiasmus mit dem Psychologiestudium begonnen. Doch dann kam die überraschende Wende – der Niedergang der DDR und das Ende des Ost-West-Konfliktes. Für die in der DDR aufgewachsene Spindler war dies ausschlaggebend für das Studium der Politikwissenschaft. Der Wunsch, dieses historische Ereignis zu verstehen und erklärbar zu machen, war der eigentliche Auslöser für ihr anhaltendes Interesse an den Internationalen Beziehungen.

Sie erinnert sich an ihre ersten Vorlesung, als sich Werner Link, Professor für Internationale Politik an der Universität zu Köln sowie vielbeachteter deutscher Autor, als Vertreter der neorealistischen Schule ans Rednerpult stellte und seine Sichtweise  auf  die internationale Politik darlegte. Ihm zufolge waren Sicherheit und Machtgleichgewicht oberste Ziele im anarchischen System der internationalen Politik, und diese sollten die Staaten als einzige wichtige Akteure mit dem wirksamsten Mittel, der Realpolitik, anstreben.

«Der Schock war gross», erinnert sich Spindler, «denn die wissenschaftliche Erforschung von internationaler Politik konnte ja nicht auf Perspektiven beruhen… Aber sie tat es und tut es.» Damit war ihr Interesse an den Internationalen Beziehungen und im Besonderen an der Wissenschaftsphilosophie geweckt.

Die Wissenschaftsphilosophie stellt bis heute einen zentralen Pfeiler in Spindlers Lehre der Internationalen Beziehungen dar. Die Theorie bildet die Grundlage, auf der klare und sachbezogene Handlungsempfehlungen für die Politik erarbeitet und begründet werden. Wichtig dabei ist, sich stets der Vielfältigkeit vorhandener Perspektiven bewusst zu sein.

Dass unterschiedliche Betrachtungsweisen zu einer Vielfalt an Problemlösungsstrategien führen können, will Manuela Spindler auch ihren Studierenden mitgeben. Nicht zuletzt wird dadurch das selbstständige Erarbeiten innovativer Gedanken und Ansätze gefördert – Eigenschaften, die für das Berufsleben unabdingbar sind.

Praxisorientierte Forschung

Ein stärkeres Engagement in der Politikberatung – beispielsweise beim Auswärtigen Amt in Berlin oder beim Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten – würde die Professorin interessieren. Die erfahrene Beraterin weist allerdings darauf hin, dass politische Beratung sehr ernüchternd sein kann, weil «die Logik von Politik und Wissenschaft [aufgrund der unterschiedlichen Zeithorizonte] manchmal sehr stark auseinanderdriften».

Differenzierte politische Beratung, die verschiedene theoretische Perspektiven berücksichtigt, ist nach wie vor nicht selbstverständlich. Wissenschaftlerinnen wie Professorin Spindler leisten einen wesentlichen Beitrag im Bereich der Konfliktanalyse.

Biographie
Prof. Dr. Manuela Spindler ist Lehrbeauftragte für Politikwissenschaft mit Schwerpunkt Internationale Beziehungen und Global Governance an der Universität Luzern und Lehrbeauftragte an der Universität Zürich tätig. Weiter lehrt sie derzeit an der German open Business School und am German-Chinese Graduate Center of Global Politics an der FU Berlin.

Nach ihrem Studium der Politikwissenschaft, Psychologie und International Studies an den Universitäten Leipzig und Warwick promovierte Manuela Spindler 2005 zum Thema «Regionalismus im Wandel. Die neue Logik der Region in einer globalen Ökonomie» an der Universität Mannheim.

Von 2005 bis 2013 war sie als Juniorprofessorin für Internationale Politik an der Universität Erfurt sowie an der Brandt School of Public Policy tätig. Von 2007 bis 2008 lehrte sie als Gastprofessorin und Konrad Adenauer Visiting Chair am BMW Center for German and European Studies der Georgetown University in Washington DC.

Prof. Dr. Spindlers Forschungsinteressen liegen in den Bereichen Wissenschaftsphilosophie, Theorien der Internationalen Beziehungen und Ordnung in den Internationalen Beziehungen, Regionalismus sowie europäische Integration.


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KategorienInternationale Beziehungen, SerienThemen
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