Fracking-Vorhaben sind zum aktuellen Zeitpunkt nicht mit dem rechtlichen Schutz des Trinkwassers vereinbar. Dies zeigt eine Studie, die diese Tage auf sui.generis publiziert wurde.
In den USA löste die Fracking-Technologie zur Förderung von Erdgas in den vergangenen Jahren einen wahren Energieboom aus. In der Schweiz kam Fracking bisher nicht zum Einsatz, doch auch hierzulande werden entsprechende Pläne geschmiedet. Die Erdgasbohrungen am Bodensee und im Neuenburger Jura würden durch Grundwasserspeicher verlaufen, aus denen über 5 Millionen Menschen täglich mit Trinkwasser versorgt werden. Risikobehaftete Arten der Untergrundnutzung, wie insbesondere die Gewinnung von Erdgas mittels Fracking-Technologie, stellen aber nicht nur den Gewässerschutz in der Schweiz vor neue Herausforderungen.
Die intensivere Nutzung des Untergrunds und die damit einhergehenden Risiken für Mensch und Umwelt werfen bedeutende Rechtsfragen auf. Die nun vorliegende Studie zeigt auf, weshalb Fracking-Vorhaben zum aktuellen Zeitpunkt nicht mit den grundrechtlichen Schutzanforderungen zu vereinbaren sind.
Die Nutzung des Untergrunds [1] hat sich in den vergangenen Jahren entscheidend verändert: Sie hat sich intensiviert (Untertunnelung, Abbau von Bodenschätzen, Erdwärme) und neue Technologien – insbesondere Geothermie und Fracking – werfen bisher vom Gesetzgeber nicht ausreichend thematisierte Fragestellungen auf. Geologen vermuten, dass im Untergrund einzelner Regionen bedeutende Gasvorkommen abgelagert sind. Bis vor wenigen Jahren galt die Förderung dieser Energien als sich finanziell nicht lohnend, doch mit der Weiterentwicklung der technischen Möglichkeiten in den vergangenen Jahren hat diese Einschätzung geändert.
Angesichts dessen untersucht die vorliegende Studie ausgewählte grund-, verwaltungs- und prozessrechtliche Aspekte der Nutzung des Untergrunds mittels Fracking: u.a. setzt sie sich damit auseinander, welche rechtlichen Schutzpflichten dem Staat gegenüber möglichen Gefahren für das Trinkwasser [2] durch Fracking-Vorhaben obliegen und wie der Rechtsschutz gegen Fracking-Vorhaben ausgestaltet ist.
Fracking: Eine Technologie mit hohem Gefährdungspotential
Über die möglichen Umweltauswirkungen von Fracking besteht nach wie vor Uneinigkeit. Einigkeit besteht aber immerhin diesbezüglich, dass Fracking ein hohes Gefährdungspotential hat, d.h. dass die Möglichkeit einer beträchtlichen Gefährdung für Mensch und Umwelt besteht, resp. zumindest nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann.
Fracking zur Erdgasförderung ist aus rechtlicher Sicht deshalb als Technologie mit hohem Gefährdungspotential zu qualifizieren. Wird eine Technologie als eine mit hohem Gefährdungspotential eingestuft, ist der Staat verstärkt im öffentlichen Interesse zum Schutz der Menschen und ihrer Umwelt verpflichtet.
Die rechtliche Schutzpflicht des Staates bei Frackingvorhaben
Aus den staatlichen Schutzpflichten ergibt sich für den Staat die Pflicht zu einer auf Grundrechtsgefährdungen bezogenen Risikovorsorge. Durch die Gesetzgebung wird dabei die Grenze gezogen zwischen hinzunehmendem Restrisiko und unerlaubter Gefährdung.
In der Schweiz üben die Kantone die Hoheit über die Nutzung des Untergrunds aus. Die Kompetenzen zur Regulierung des Verfahrens und die Erteilung der Bewilligung von Fracking-Vorhaben liegen bei ihnen. Die Nutzung des Untergrunds und der Umgang mit Gefahren sind in den Kantonen äusserst heterogen geregelt. Die kantonalen Gesetze waren oder sind in einer Vielzahl der Kantone in Revision. Nur die wenigsten Kantone kennen ein Fracking-Verbot, ein Moratorium oder ausdrückliche gesetzliche Schutzvorbehalte gegenüber risikoreichen Vorhaben.
Auf Bundesebene finden sich jedoch für alle Kantone verbindliche Vorschriften bezüglich der Erfüllung der Schutzpflicht. Verfassungsrechtlich ist der Bund aus Art. 74 und Art. 76 BV zum regulativen Schutz der Umwelt und der Gewässer verpflichtet. Dieser Pflicht ist der Bund durch den Erlass der verschiedenen umweltrechtlichen Erlasse im Grundsatz nachgekommen.
Neue Technologien wie Fracking können aber auch ein bisher regulativ nur unzureichend berücksichtigtes Gefahrenpotential aufwerfen oder das bestehende Schutzniveau als mangelhaft erscheinen lassen. Die Bedeutung der grundrechtlichen Schutzpflichten liegt insbesondere darin, dass sie die staatlichen Institutionen zu einer dynamischen Überprüfung der bestehenden Gesetze verpflichten.
Die Bundesverfassung garantiert mit Art. 10 BV einen individualrechtlichen Anspruch auf staatlichen Schutz vor Technologien mit hohem Gefährdungspotential. Der Zugang zu Trinkwasser ist in der Bundesverfassung zwar nicht ausdrücklich durch ein eigenständiges Grundrecht geschützt, ergibt sich aber aus einer umfassenden Auslegung des Rechts auf Leben und auf persönliche Freiheit (Art. 10 BV).
Fracking-Vorhaben sind zum aktuellen Zeitpunkt unzulässig
Die Untersuchung führt zur Schlussfolgerung, dass Fracking-Vorhaben zum aktuellen Zeitpunkt nicht mit den grundrechtlichen Schutzanforderungen vereinbar sind, weil deren Risiken für das Trinkwasser bis anhin im Einzelfall nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit bestimmt werden können.
Die rechtsanwendenden Behörden sind im Bewilligungsverfahren für Fracking-Vorhaben zur verfassungs- und somit auch grundrechtskonformen Auslegung der gesetzlichen Grundlagen verpflichtet. Die gesetzlichen Vorgaben sind bei jeder einzelnen Rechtsanwendungshandlung erneut auf ihre Übereinstimmung mit den grundrechtlichen Anforderungen zu überprüfen. Angesichts der geltenden Schutzvorschriften müssten die rechtsanwendenden Behörden deshalb Gesuche für die Zulassung von Fracking-Vorhaben bis auf Weiteres zurückweisen.
Rechtsschutz gegen Fracking-Vorhaben
Abschliessend geht der Beitrag auf mögliche Rechtsmittel ein, mit welchen potentiell Betroffene die Einhaltung der grundrechtlichen Schutzvorgaben gerichtlich einfordern könnten.
Eine Zulassung der Erdgasgewinnung mittels Fracking – falls überhaupt rechtlich vorgesehen – hängt von einer Vielzahl von staatlichen Genehmigungen ab, die grundsätzlich in einem einheitlichen Verfahren zu koordinieren sind. Die Rechtsmittel dazu ergeben sich aus dem jeweiligen kantonalen öffentlichen Verfahrensrecht. Allfällige Fracking-Vorhaben können in unterschiedlichen Verfahrensstadien auf ihre Grund- und Umweltrechtskonformität hin gerichtlich überprüft werden. Wichtig ist, dass – unter Berücksichtigung der Besonderheit der jeweiligen Gefährdung – die Beschwerdelegitimation Drittbetroffener nicht zu eng ausgelegt wird; insbesondere müssen all diejenigen Personen, deren Wasserversorgung von einer potentiellen Trinkwasserverschmutzung betroffen sein könnte, Zugang zu einem rechtsstaatlichen Verfahren haben.
Anmerkungen:
[1] Als Untergrund gilt nach bundesrechtlicher Terminologie jener Teil der Erde und ihrer Inhaltsstoffe, der sich durch die Erdoberfläche von der Atmosphäre und den oberirdischen Gewässern abgrenzt (siehe entsprechend Art. 2 Bst. d Verordnung über die Landesgeologie vom 21. Mai 2008 [Landesgeologieverordnung, LGeolV, SR 510.624].
[2] Der Begriff Trinkwasser bezeichnet an dieser Stelle all diejenigen Wasservorkommen, die – allenfalls nach entsprechender Aufbereitung – für die Versorgung der Bevölkerung mit gesundheitlich einwandfreiem Wasser für Ernährung und Hygiene dienen. Der Begriff Wasser bezeichnet in genereller Weise ober- und unterirdischen Wasservorkommen, unabhängig von ihrem Ursprung oder ihrer Nutzung. Der Begriff Grundwasser bezeichnet alleine die unterirdischen Wasservorkommen.
[3] Fracking wird teilweise auch zur Nutzung tiefer Geothermie angewandt, wobei hier der Einsatz von Stützmitteln und Chemikalien nicht zwingend notwendig ist. Auch die Gefahr einer Kontamination des Grundwassers mit Formationswasser erscheint eher unwahrscheinlich, da die Bohrungen i.d.R. tiefer gehen und die Distanz zu Grundwasservorkommen grösser ist.
Hinweis: Dieser Beitrag ist die Kurzfassung von Jasmin Grossenbacher, Vanessa Rüegger, Christa Isabelle Stünzi und Karl-Marc Wyss (2016). Fracking – Technologie mit Gefährdungspotential. Ausgewählte grund-, verwaltungs- und prozessrechtliche Aspekte zur Nutzung des Untergrunds mittels Fracking, erschienen auf www.sui-generis.ch (open access).
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