Mitten durch die Gesellschaft

Die Globalisierung der Wirtschaft spaltet die Menschen auch politisch: Gewinner und Verlierer denken deutlich anders. Das zeigt eine umfassende Studie der Universität Zürich.

Eine globalisierte Wirtschaft bringt nicht allen Arbeitnehmern gleich viel. Niedrigqualifizierte, die in einem stark globalisierten Arbeitsumfeld arbeiten, schätzen ihre Arbeitsmarktsituation deutlich pessimistischer ein als ihre Kollegen in geschützteren Branchen und Berufen. Bei Hochqualifizierten ist es genau umgekehrt: in einem internationalen Umfeld beurteilen sie ihre Jobchancen deutlich besser.

In einfachen Worten: Globalisierung setzt Niedrigqualifizierte unter Druck, während Hochqualifizierte von ihr profitieren.

Stefanie Walter

Das zeigt meine Untersuchung, die jüngst im Fachmagazin Political Science and Methods erschienen ist. Dabei wurden mehr als dreissigtausend Arbeitnehmende aus 16 europäischen Staaten auf Basis ihrer Beschäftigungssituation als im globalen Wettbewerb stehend oder geschützt klassifiziert. Anschliessend untersuchte ich, wie sich die Hoch- und Niedrigqualifizierten der beiden Gruppen in Bezug auf die von ihnen wahrgenommenen Arbeitsmarktrisiken unterscheiden.

Die unterschiedlichen Erwartungen der Arbeitnehmenden bezüglich des Arbeitsmarkts wirken sich auch politisch aus. Niedrigqualifizierte, die sich stark dem globalen Wettbewerb ausgesetzt sehen, sprechen sich angesichts der Globalisierung deutlich stärker für staatliche Massnahmen gegen Lohnungleichheit aus als solche, die in geschützten Branchen und Berufen arbeiten. Hochqualifizierte stehen einer Umverteilung von Einkommen dagegen grundsätzlich skeptischer gegenüber. Zudem sind Hochqualifizierte im globalen Wettbewerb gegenüber Migration wesentlich aufgeschlossener als Personen, die in geschützten Kontexten arbeiten. Das zeigt eine weitere, gemeinsam von Rafaela Dancygier und mir verfasste und letztes Jahr publizierte Studie.

Politische Relevanz

Bisherige Untersuchungen gingen davon aus, dass sich die Globalisierung vor allem über die Branche auswirkt, in der Arbeitnehmende tätig sind bzw. legen das Hauptaugenmerk auf die Fähigkeiten der Einzelnen. Meine aktuelle Forschung zeigt, dass die Kombination beider Aspekte zentral ist und leistet unter anderem darum einen wichtigen Beitrag zur Debatte.

Die Auswirkungen der Globalisierung auf das wahrgenommene Arbeitsplatzrisiko der Menschen und auf ihre politische Einstellung sind demnach heterogener, als dies frühere Forschung angenommen hat. Genau zu wissen, auf welche Gruppen sich die Globalisierung wie auswirkt, ist aber essenziell – nicht zuletzt, weil daraus Schlüsse für sinnvolle politische Massnahmen gezogen werden können. So sind beispielsweise Massnahmen zur Abfederung globalisierungsbedingter Risiken nicht für alle Arbeitnehmenden gleich sinnvoll, während sich protektionistische Massnahmen insbesondere auf die Hochqualifizierten negativ auswirken können.

Die umfangreiche ökonomische Forschung über die wirtschaftlichen Auswirkungen der Globalisierung zeigt klar, dass ihr gesamtwirtschaftlicher Effekt insgesamt positiv ist. Allerdings schafft Globalisierung klare Gewinner und Verlierer, so dass eine politische Abfederung dieser wirtschaftlichen Effekte sinnvoll erscheint.


Literatur: 

Titelbild: Bauarbeiter bei der Arbeit. Quelle: pixabay.com 

Lektorat: Olivia Kühni

Layout: Pascal Burkhard 

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