Wer gehört zum Volk?

Ob das Aus­län­der­stimm­recht ein­ge­führt wer­den soll oder nicht, ist nicht nur eine poli­ti­sche, son­dern auch eine ver­fas­sungs­recht­li­che Fra­ge. Frü­her wur­de die Ansicht ver­tre­ten, die Bun­des­ver­fas­sung ent­hal­te kei­ne recht­li­chen Argu­men­te für die Ein­füh­rung des Aus­län­der­stimm­rechts. Nach einer ganz­heit­li­chen Aus­le­gung der Ver­fas­sung ist das nicht mehr zutref­fend. Ganz all­ge­mein zei­gen die poli­ti­schen und recht­li­chen Dis­kus­sio­nen über die poli­ti­schen Rech­te für Aus­län­de­rin­nen und Aus­län­der, dass sich die Schweiz mit­ten in der Aus­hand­lung eines neu­en Volks­be­griffs befindet.

Aarauer Demokratietage

Rechtliche Ausgangslage

Poli­ti­sche Rech­te schüt­zen das Recht der ein­zel­nen Per­so­nen, an poli­ti­schen Ent­schei­dun­gen teil­neh­men zu kön­nen. Zugleich bil­den die Trä­ger poli­ti­scher Rech­te das Stimm­volk. Sie üben gemein­sam eine staat­li­che Organ­funk­ti­on aus. Aus­län­de­rin­nen und Aus­län­der sind auf Bun­des­ebe­ne von der poli­ti­schen Mit­be­stim­mung aus­ge­schlos­sen (Art. 136 Abs. 1 BV). Die Kan­to­ne regeln die Aus­übung der poli­ti­schen Rech­te in kan­to­na­len und kom­mu­na­len Ange­le­gen­hei­ten sel­ber (Art. 39 Abs. 1 BV). Ver­ein­zel­te Kan­to­ne – bei­spiels­wei­se Neu­en­burg, Frei­burg und Jura – haben unter­schied­lich aus­ge­stal­te­te poli­ti­sche Rech­te für Aus­län­de­rin­nen und Aus­län­der.

Die Fra­ge, ob poli­ti­sche Rech­te für Aus­län­de­rin­nen und Aus­län­der ein­ge­führt wer­den sol­len, ist aber nicht nur eine poli­ti­sche, son­dern auch eine ver­fas­sungs­recht­li­che. Die in der frü­he­ren Staats­rechts­leh­re ver­tre­te­ne Ansicht, die Bun­des­ver­fas­sung ent­hal­te kei­ne recht­li­chen Argu­men­te für die Ein­füh­rung poli­ti­scher Rech­te für Aus­län­de­rin­nen und Aus­län­der, ist nach einer ganz­heit­li­chen Aus­le­gung der Ver­fas­sung nicht mehr zutreffend.

Verfassungsrechtliche Entwicklungslinien

Die Ver­fas­sung ent­hält zwar in ihrem Wort­laut unmiss­ver­ständ­lich defi­nier­te Vor­ga­ben, wer nach wel­chen Kri­te­ri­en zum Stimm­volk gehört und poli­ti­sche Rech­te aus­üben kann. Auf Bun­des­ebe­ne ist die Zuge­hö­rig­keit zum Stimm­volk an das Bür­ger­recht gebun­den. Das Bür­ger­recht sei­ner­seits ist eine gefes­tig­te Insti­tu­ti­on des Schwei­zer Ver­fas­sungs­rechts. Die Ver­fas­sungs­rechts­leh­re hat in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten aber ihre Aus­le­gung des Demo­kra­tie­prin­zips und der Grund­rech­te ent­schei­dend weiterentwickelt.

Vom stabilen zum dynamischen Volk

Ers­tens hat die Ver­fas­sungs­rechts­leh­re den Volks­be­griff ent­mys­ti­fi­ziert und das ihm zu Grun­de lie­gen­de Para­dox erkannt. Das Para­dox besteht dar­in, dass das Volk im Akt sei­ner Insti­tu­tio­na­li­sie­rung sei­nen eige­nen Anfang setzt, dazu aber gewis­ser­mas­sen bereits als Volk vor­aus­ge­setzt wird. Das Volk kann des­halb weder natür­lich noch unver­än­der­lich vor­ge­ge­ben sein. Es bil­det sich in einem per­ma­nen­ten Aus­hand­lungs­pro­zess immer wie­der neu.

Deut­lich wird das am Bei­spiel der Ein­füh­rung des Frau­en­stimm­rechts: Wäh­rend lan­ger Zeit war in der Schweiz klar, dass das Stimm­volk allei­ne aus Män­nern bestand. Frau­en erschie­nen zur poli­ti­schen Mit­be­stim­mung nicht geeig­net. In lang­jäh­ri­gen Aus­ein­an­der­set­zun­gen gelang es auf­zu­zei­gen, dass sich die Män­ner­de­mo­kra­tie auf Annah­men stütz­te, die nicht natür­lich vor­ge­ge­ben, son­dern his­to­risch beding­ten waren. Die Vor­stel­lung, dass nur Män­ner zum Stimm­volk gehö­ren konn­ten, ver­lor poli­tisch an Über­zeu­gungs­kraft. Der Aus­schluss der Frau­en vom Stimm­recht wur­de auch in der Rechts­leh­re zuneh­mend als Ver­let­zung der Grund­rech­te und der recht­li­chen Anfor­de­run­gen an demo­kra­ti­sche Ver­fah­ren kri­ti­siert. Nach­dem die stimm­be­rech­tig­ten Män­ner 1971 der Ein­füh­rung des Frau­en­stimm­rechts mehr­heit­lich zustimm­ten, bil­den Schwei­zer Frau­en und Män­ner gemein­sam das Stimm­volk auf Bundesebene.

Ein zeit­ge­nös­si­sches Demo­kra­tie­ver­ständ­nis zu ver­tre­ten, bedeu­tet, das Volk nicht als vor­ge­ge­be­ne Ein­heit, son­dern als recht­lich insti­tu­tio­na­li­sier­te Kon­struk­ti­on zu ver­ste­hen. Dem ver­fas­sungs­recht­li­chen Demo­kra­tie­prin­zip ange­mes­sen ist die­se Kon­struk­ti­on nur, wenn sie inklu­siv aus­ge­stal­tet ist und einer dyna­mi­schen Wei­ter­ent­wick­lung offen steht. Die poli­ti­schen und recht­li­chen Dis­kus­sio­nen über die poli­ti­schen Rech­te für Aus­län­de­rin­nen und Aus­län­der zei­gen auf, dass sich die Schweiz mit­ten in der Aus­hand­lung eines neu­en Volks­be­griffs befindet.

Von der Bürgerdemokratie zur Betroffenendemokratie

Zwei­tens ver­pflich­tet das in der Bun­des­ver­fas­sung ent­hal­te­ne Demo­kra­tie­prin­zip Bund, Kan­to­ne und Gemein­den, die demo­kra­ti­schen Teil­ha­be­rech­te am Ide­al mög­lichst umfas­sen­der Betei­li­gungs­mög­lich­kei­ten zu ori­en­tie­ren. Nach dem Demo­kra­tie­prin­zip sol­len demo­kra­ti­sche Ver­fah­ren so aus­ge­stal­tet sein, dass mög­lichst alle Betrof­fe­nen am Ent­scheid betei­ligt sind. Die Mehr­heit der Ver­fas­sungs­rechts­leh­re ori­en­tiert sich für die­ses inklu­si­ve Demo­kra­tie­ver­ständ­nis an der Dis­kurs­theo­rie von Jür­gen Habermas.

INFOBOX: Dis­kurs­theo­rie
Nach der Dis­kurs­theo­rie ist ein Herr­schafts­sys­tem dann demo­kra­tisch, wenn die Herr­schaft von der Zustim­mung der betrof­fe­nen Men­schen abhän­gig gemacht wird. Demo­kra­tie erfor­dert die Aus­ein­an­der­set­zung mit allen Argu­men­ten, die für oder gegen einen poli­ti­schen Ent­scheid spre­chen. Ein poli­ti­scher Ent­scheid ist dann legi­tim, wenn alle mög­li­cher­wei­se Betrof­fe­nen die Mög­lich­keit hat­ten, sich an der mei­nungs­bil­den­den Dis­kus­si­on zu betei­li­gen und dem Ent­scheid auch zustim­men könn­ten. Grund­la­ge eines legi­ti­men demo­kra­ti­schen Ver­fah­rens ist dem­nach, dass alle dar­an Betei­lig­ten gleich­wer­tig aner­kannt und alle mög­li­cher­wei­se Betrof­fe­nen dar­an betei­ligt sein können.

Die gel­ten­den poli­ti­schen Rech­te auf Bun­des­ebe­ne und in der Mehr­heit der Kan­to­ne wei­chen vom Demo­kra­tie­prin­zip ab, weil Aus­län­de­rin­nen und Aus­län­der, die in der Schweiz woh­nen, vom poli­ti­schen Pro­zess aus­ge­schlos­sen sind. Die Dis­kurs­theo­rie zeigt die Begrenzt­heit der Bür­ger­de­mo­kra­tie in aller Deut­lich­keit auf. Nach dem Bür­ger­prin­zip (oder Per­so­na­li­täts­prin­zip) haben nur Per­so­nen, die die Staats­bür­ger­schaft besit­zen, das Recht, an staat­li­chen Ent­schei­den ihres Staa­tes mit­zu­wir­ken. Nach dem dis­kurs­theo­re­tisch ori­en­tier­ten Demo­kra­tie­prin­zip ist die­se Auf­fas­sung von Demo­kra­tie zu eng. Sie ori­en­tiert sich viel­mehr am Ide­al einer Betrof­fe­nen­de­mo­kra­tie. Nach dem Betrof­fe­nen­prin­zip sol­len alle Per­so­nen, die von einem staat­li­chen Ent­scheid betrof­fen sind, die Mög­lich­keit haben, am Ent­scheid mitwirken.

Die Aus­wei­tung der demo­kra­ti­schen Par­ti­zi­pa­ti­on auf alle Betrof­fe­nen ist in der Pra­xis aber mit Abgren­zungs­pro­ble­men ver­bun­den. Jeder Ent­scheid hat eine unter­schied­li­che Reich­wei­te und betrifft unter­schied­li­che Per­so­nen. Nach dem Ter­ri­to­ria­li­täts­prin­zip sol­len alle Per­so­nen, die inner­halb eines bestimm­ten Ter­ri­to­ri­ums von einem staat­li­chen Ent­scheid betrof­fen sind, das Recht haben, an staat­li­chen Ent­schei­den mit­zu­wir­ken. Weil aber auch die­se Abgren­zung nach wie vor nicht pra­xis­taug­lich ist (zu den­ken ist bei­spiels­wei­se an den kur­zen Auf­ent­halt von Tou­ris­ten), bie­tet sich das Wohn­sitz­prin­zip als Lösung an.

Nach dem Wohn­sitz­prin­zip sind Per­so­nen, die in der Schweiz ihren Wohn­sitz haben, hier auch stimm­be­rech­tigt (allen­falls nach einer mehr­jäh­ri­gen Karenz­frist). Als prag­ma­ti­sche Annä­he­rung an das demo­kra­ti­sche Ide­al hat sich für das Aus­län­der­stimm­recht in den Kan­to­nen – und nicht zu ver­ges­sen: auch bereits in der inter­kan­to­na­len Mobi­li­tät von Schwei­ze­rin­nen und Schwei­zern – das Wohn­sitz­prin­zip bewährt.

Von Bürgerrechten zu Menschenrechten

Drit­tens hat sich in der Grund­rechts­leh­re ein aus­ge­wei­te­tes Ver­ständ­nis der poli­ti­schen Rech­te ent­wi­ckelt. Nach gel­ten­dem Recht sind poli­ti­sche Rech­te Grund­rech­te, deren Trä­ger­schaft grund­sätz­lich auf Schwei­zer Bür­ge­rin­nen und Bür­ger beschränkt ist. Die­se Aus­ge­stal­tung der poli­ti­schen Rech­te als Bür­ger­rech­te kann zwar his­to­risch erklärt wer­den, ist recht­lich aber nicht zwin­gend. Die jün­ge­re Grund­rechts­leh­re plä­diert dafür, den per­sön­li­chen Schutz­be­reich der poli­ti­schen Rech­te stär­ker unter Berück­sich­ti­gung von Sinn und Zweck der poli­ti­schen Rech­te aus­zu­le­gen. Poli­ti­sche Rech­te bil­den nach die­sem erwei­ter­ten Grund­rechts­ver­ständ­nis nicht nur die Grund­la­ge für die staat­li­che Organ­funk­ti­on. Viel­mehr schüt­zen poli­ti­sche Rech­te die Selbst- und Mit­be­stim­mung jedes ein­zel­nen Men­schen in der poli­ti­schen Orga­ni­sa­ti­on eines Gemeinwesens.

Es ent­spricht auf Grund der engen recht­li­chen Ver­bin­dung zwi­schen Bür­ger und Staat dem Zweck des Bür­ger­rechts, dass es auch das Recht auf poli­ti­sche Mit­be­stim­mung umfasst. Es ent­spricht aber dem Zweck der poli­ti­schen Rech­te, dass nicht nur die Bür­ger, son­dern alle Per­so­nen, die eine beson­de­re fak­ti­sche Ver­bin­dung zu einem poli­ti­schen Gemein­we­sen auf­wei­sen, ihr Selbst­be­stim­mungs­recht in poli­ti­schen Ent­schei­den aus­üben kön­nen. Denn die poli­ti­schen Rech­te sind dar­auf aus­ge­rich­tet, ihren Trä­gern die Mög­lich­keit der Mit­be­stim­mung und der kom­mu­ni­ka­ti­ven Aus­ein­an­der­set­zung in der poli­ti­schen Gemein­schaft zu ermög­li­chen. Dar­aus folgt, dass poli­ti­sche Rech­te nicht nur als Bür­ger­rech­te, son­dern auch als Grund­rech­te betrof­fe­ner Indi­vi­du­en auf Mit­spra­che in der eige­nen Gemein­schaft ver­stan­den wer­den sollten.

Ein Aus­schluss von den poli­ti­schen Rech­ten kann nach die­sem teleo­lo­gisch ori­en­tier­ten Grund­rechts­ver­ständ­nis nur noch dann gerecht­fer­tigt wer­den, wenn bei einer bestimm­ten Per­son oder Per­so­nen­grup­pe begrün­det davon aus­zu­ge­hen ist, dass die Mög­lich­keit der Teil­nah­me am Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­zess nicht hin­rei­chend gewähr­leis­tet ist. Das trifft bei­spiels­wei­se auf ent­mün­dig­te Per­so­nen oder Kin­der zu. Eben­falls recht­fer­ti­gen lässt sich der Aus­schluss von neu zuge­zo­ge­nen oder nicht dau­er­haft anwe­sen­den Per­so­nen, weil in einer Viel­zahl der Fäl­le die Ver­traut­heit mit den Lebens­ver­hält­nis­sen und mit der Spra­che noch nicht vor­han­den sein dürf­te. Nach einer gewis­sen Wohn­sitz­dau­er, bei­spiels­wei­se fünf Jah­ren, müs­sen die Ver­traut­heit mit den Ver­hält­nis­sen und die Kom­mu­ni­ka­ti­ons­fä­hig­keit hin­ge­gen vor­aus­ge­setzt wer­den. Dass die Par­ti­zi­pa­ti­on von einem Grund­kon­sens zum Schwei­ze­ri­schen Ver­fas­sungs­staat getra­gen ist, muss in einer Hal­tung des Ver­trau­ens sowohl gegen­über Bür­ge­rin­nen und Bür­gern als auch gegen­über lang­jäh­ri­gen Ein­woh­ne­rin­nen und Ein­woh­nern vor­aus­ge­setzt wer­den. Soll­te das im Ein­zel­fall nicht zutref­fen, ste­hen ein­schlä­gi­ge Sank­ti­ons­ver­fah­ren, ins­be­son­de­re die Arti­kel 265 ff. StGB, zur Verfügung.

Das führt im Ergeb­nis dazu, dass nach einem wei­ten Grund­rechts­ver­ständ­nis poli­ti­sche Rech­te grund­sätz­lich jeder Per­son gleich zuste­hen soll­ten – im Gegen­satz zur beschränk­ten Trä­ger­schaft der gel­ten­den poli­ti­schen Rech­te. Weil das Gleich­heits­ge­bot für die Aus­ge­stal­tung der poli­ti­schen Rech­te von beson­de­rer Bedeu­tung ist, sind Aus­nah­men dann nur noch mit einer äus­serst stich­hal­ti­gen Begrün­dung zulässig.

Es ist nach der teleo­lo­gi­schen Aus­le­gung der poli­ti­schen Rech­te nicht ersicht­lich, wes­halb die Staats­bür­ger­schaft das ein­zig rele­van­te Anknüp­fungs­kri­te­ri­um für die Trä­ger­schaft poli­ti­scher Rech­te sein soll. Viel­mehr soll­ten Men­schen, die dau­er­haft in der Schweiz woh­nen, als fak­tisch mit dem Gemein­we­sen ver­bun­den erfasst wer­den. Nach einem lang­jäh­ri­gen Wohn­sitz soll­ten Men­schen dem Sinn und Zweck der poli­ti­schen Rech­te ent­spre­chend Zugang zu poli­ti­schen Rech­ten erhal­ten. Weil poli­ti­sche Rech­te und Bür­ger­rech­te unter­schied­li­che Rechts­in­sti­tu­te mit ver­schie­de­nen Zweck­aus­rich­tun­gen sind, soll­te der Zugang zu poli­ti­schen Rech­ten unab­hän­gig davon erfol­gen, ob sich eine Per­son ein­bür­gern lässt.

Rechtspolitischer Ausblick

Als Lösungs­an­satz für eine zeit­ge­mäs­se Wei­ter­ent­wick­lung der demo­kra­ti­schen Par­ti­zi­pa­ti­ons­rech­te de lege feren­da bie­tet sich an, das bis­he­ri­ge Per­so­na­li­täts- mit dem Ter­ri­to­ria­li­täts­prin­zip zu ergän­zen. Anknüp­fungs­punk­te für die Trä­ger­schaft poli­ti­scher Rech­te kön­nen dann sowohl die recht­li­che Ver­bun­den­heit (Staats­bür­ger­schaft) als auch die fak­ti­sche Ver­bun­den­heit (Wohn­ort) sein. Die damit gehäuft auf­tre­ten­de mul­ti­ple Trä­ger­schaft poli­ti­scher Rech­te ist nicht das uner­wünsch­te Neben­pro­dukt die­ser Ent­wick­lung. Viel­mehr ent­spricht sie den Anfor­de­run­gen einer am Demo­kra­tie­prin­zip und an einem umfas­sen­den Grund­rechts­schutz ori­en­tier­ten und den trans­na­tio­na­len Lebens­ver­hält­nis­sen ange­mes­se­nen recht­li­chen Grund­ord­nung. Pro­ble­ma­tisch sind mul­ti­ple Trä­ger­schaf­ten nur dann, wenn ein­zel­ne Per­so­nen in der­sel­ben Wahl oder Abstim­mung ihr Stimm­recht mehr­fach aus­üben kön­nen (Ver­let­zung der Stimm­rechts­gleich­heit). Das ist aber in kei­ner der unter­such­ten Rechts­ord­nun­gen recht­lich zulässig.

Die Ver­fas­sungs­rechts­leh­re fol­gert im Anschluss an die Dis­kurs­theo­rie, dass poli­ti­sche Rech­te mög­lichst umfas­send aus­zu­ge­stal­ten sind. Die gel­ten­den poli­ti­schen Rech­te auf Bun­des­ebe­ne und in der Mehr­heit der Kan­to­ne wei­chen vom Demo­kra­tie­prin­zip ab, weil Aus­län­de­rin­nen und Aus­län­der, die in der Schweiz wohn­haft sind, vom poli­ti­schen Pro­zess aus­ge­schlos­sen sind.

Das bedeu­tet nicht, dass die gel­ten­den poli­ti­schen Rech­te ver­fas­sungs­wid­rig sind. Aber die poli­ti­schen Rech­te ste­hen in einem Span­nungs­ver­hält­nis zum demo­kra­ti­schen Leit­bild und einem erwei­ter­ten Grund­rechts­ver­ständ­nis der Ver­fas­sung. In einer die­sen Ent­wick­lun­gen ange­pass­ten, zukünf­ti­gen Aus­ge­stal­tung der Demo­kra­tie soll­ten grund­sätz­lich alle natür­li­chen Per­so­nen Trä­ger poli­ti­scher Rech­te sein. Die Vor­aus­set­zung dafür ist, dass sie eine recht­li­che oder fak­ti­sche Ver­bun­den­heit mit einem Staat auf­wei­sen, mit sei­nen Ver­hält­nis­sen ver­traut sowie kom­mu­ni­ka­ti­ons­fä­hig sind.

Hin­weis: Die­ser Bei­trag ist die schrift­li­che Zusam­men­fas­sung des Refe­rats “Wie wird ein Volk zum Volk – Demo­kra­tie und poli­ti­sche Rech­te für Aus­län­de­rin­nen und Aus­län­der”, wel­ches die Autorin im Rah­men der 8. Aar­au­er Demo­kra­tietage am 18. März 2016 hält.


Titel­bild: Walo Lüönd (l.) und Emil Stein­ber­ger im Film “Die Schwei­zer­ma­cher”. Quel­le: SRF.

Lek­to­rat: Sarah Bütikofer

Lay­out: Pas­cal Burkhard

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