Der Bisherigenbonus war 2015 für Frauen höher als für Männer

Der neue Nationalrat ist zu drei Vierteln der alte. Der Bisherigenbonus war auch bei den Nationalratswahlen 2015 sehr relevant: 84 Prozent der Bisherigen schafften die Wiederwahl. Bisherige Nationalrätinnen haben noch bessere Wiederwahlchancen als bisherige Nationalräte. Die meisten Abgewählten verloren ihren Sitz, weil ihre Partei schlechter abschnitt als vor vier Jahren und nicht, weil sie von einem Parteifreund verdrängt wurden. 

Grosse Mehrheit wiedergewählt

2015 traten vergleichsweise viele Bisherige wieder zu den Wahlen an. 174 bisherige Nationalratsmitglieder wollten es noch einmal wissen, 147 von ihnen gelang die Wiederwahl. Das ergibt eine Wiederwahlquote von 84 Prozent für Bisherige und entspricht dem langjährigen Durchschnitt. Frauen hatten wie schon bei den Wahlen davor mit 89 Prozent die grössere Wiederwahlquote als Männer mit 82 Prozent.

Abbildung 1: Ergebnis der Bisherigen bei den Nationalratswahlen 1995-2015

Bei sechs von zehn Abgewählten verlor die Partei einen Sitz

Für eine Abwahl gibt es nur zwei Gründe, entweder verliert die Partei einen Sitz oder ein Parteifreund macht mehr Wählerstimmen (siehe Infobox). 2015 verloren noch mehr Abgewählte ihren Sitz deshalb, weil ihre Liste weniger oder gar keine Sitze mehr erreichte als bei den Wahlen 2011. 16 der 27 Abwählen (59 Prozent) sind auf Sitzverluste der Partei zurückzuführen, d.h. die Parteiliste gewann weniger Sitze als Bisherige zur Wahl antraten. Am häufigsten traf es die GLP, die fünf Bisherige wegen Sitzverlusten verlor, gefolgt von der CVP und der SP mit je drei Abwahlen aufgrund von Sitzverlusten und den Grünen und der BDP mit je zwei Abwahlen aufgrund von verlorenen Sitzen in den jeweiligen Kantonen.

11 Bisherige mussten ihren Sitz einem Parteifreund überlassen

Durch interne Konkurrenz überflügelt wurden 11 Bisherige. Fünf davon stammen aus der SVP, bei der wie bereits 2011 überdurchschnittlich oft interne Konkurrenz zu Abwahlen führte. Dieses Jahr traf es auch die Parteiprominenz. National bekannte Politiker wie Christoph Mörgeli, Hans Fehr oder Roland Borer mussten ihre langjährigen Karrieren im Nationalrat unfreiwillig beenden und ihre Sitze dem Nachwuchs überlassen. Trotz Sitzgewinne der SVP gelang es nicht allen Bisherigen der Partei, sich zu halten. Das zeugt von einer starken internen Konkurrenz innerhalb der SVP, die stärker ist als bei anderen Parteien.

Einige Abgewählte haben doch noch Chancen, wieder nach Bern zu gelangen

Noch sind nicht alle Abgewählten definitiv aus dem Rennen. Im Waadtland zum Beispiel haben die Co-Präsidentin der Grünen, Adèle Thornes, der Sozialdemokrat Jean-Christoph Schwaab sowie Fathi Derder von der FDP alle noch Chancen, ihren Sitz doch zu behalten. Entscheiden wird der zweite Wahlgang der Ständeratswahlen am 8. November. Die ersten beiden stehen auf dem Ersatzplatz für die bisherigen Waadtländer Ständeräte, die auch auf den Nationalratslisten antraten und gewählt wurden. Der Ständeratskandidat der FDP, Olivier Français, wurde neu in den Nationalrat gewählt. Falls es ihm im zweiten Wahlgang gelingen sollte, einen Bisherigen aus dem Ständerat zu verdrängen, wird der abgewählte Fathi Derder seinen Sitz erben.

INFOBOX: Die zwei Gründe einer Abwahl
  • Ein Bisheriger verliert den Sitz an einen Parteikollegen. Das passiert, wenn innerhalb der gleichen Liste ein neu Kandidierender mehr Kandidatenstimmen macht als Bisherige. Dies ist dann der Fall, wenn die neue Person häufiger kumuliert oder panaschiert bzw. weniger häufig von der Liste gestrichen wird.

  • Die Partei eines Bisherigen verliert einen oder mehrere Sitze. In diesem Fall ist eine Abwahl nicht durch die Konkurrenz zwischen den Kandidierenden der gleichen Partei bedingt. Die Sitzgewinne der Partei hängen von der allgemeinen politischen Konjunktur und dem Parteienwahlkampf zusammen. Einzelne Kandidierende können den Wahlerfolg einer Partei nur ganz selten beeinflussen.

Frauen mit besseren Wiederwahlchancen als Männer

Wie in den vergangen Wahlen schnitten auch 2015 die bisherigen Frauen besser ab als die bisherigen Männer (siehe Abbildung 2). Von den 56 Frauen, die wieder antraten, wurden nur sechs nicht wiedergewählt. Die bisherigen Frauen haben mit 89 Prozent eine höhere Wiederwahlquote als Männer, deren Quote 82 Prozent beträgt.

Abbildung 2: Wiederwahlquote nach Geschlecht, Nationalrat 1995-2015

Damit hatten die bisherigen Frauen nun zum vierten Mal in Folge bei Nationalratswahlen bessere Wiederwahlchancen als die Männer. Frauen werden an der Urne nicht systematisch durch Wählerinnen und Wähler diskriminiert. Dies zeigen auch andere Analysen, welche die Erfolgschancen von Frauen und Männern in der Schweiz untersuchen. Die Gründe für die Unterrepräsentation der Frauen im Nationalrat liegen vor allem in ihrer schlechten Verankerung innerhalb der bürgerlichen Parteien. Auf deren Listen beträgt der Anteil der Frauen unter den Kandidierenden weit weniger als 50 Prozent. Entsprechend liegt auch der Anteil der Gewählten weit unter dem Durchschnitt.

INFOBOX: Der Bisherigenbonus
  • Bisherige sind bereits bekannt. Bisherige bekommen während einer ganzen Legislatur viel Aufmerksamkeit durch die Medien. Bekanntheit ist die wichtigste Währung, um eine Wahl zu gewinnen. Dies gilt in besonderem Masse für Wahlen, in der hauptsächlich die Kandidierenden der gleichen Liste gegeneinander antreten und die Wählerinnen und Wähler die politischen Positionen einzelner Kandidaten kaum unterscheiden können.

  • Bisherige profitieren von einer guten Vernetzung. Die Verflechtungen zwischen Mitgliedern des Parlamentes und Interessengruppen sind in der Schweiz vielfältig und ausgeprägt. Dies ist eine win-win Situation für beide: Interessengruppen erhalten direkten Zugang zu politischen Entscheidungsträgern und setzen sich dafür ein, dass eine bereits aufgebaute Beziehung möglichst erhalten bleibt. Parlamentsmitglieder erhalten dafür neben Ressourcen für ihre politische Arbeit Zugang zu Unterstützung für ihren Wahlkampf, sei es finanziell oder in Form von Empfehlungen an die Mitglieder, die wichtige Zusatzstimmen bringen. Bisherigen gelingt es deshalb auch, im Durchschnitt mehr Geld für ihre Wahlkämpfe zu sammeln als neu Kandidierende.


Foto: Parlamentsdienste 3003 Bern, parlament.ch

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KategorienPolitisches Verhalten, Schweizer Politik, SerienThemen
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