Das grosse Comeback der FDP? – Die Bilanz der kantonalen Parlamentswahlen seit 2011

Die Entwicklung der kantonalen Parteienstärken in den letzten vier Jahren zeigt den gegenwärtigen Formstand der Parteien. Die FDP steht insgesamt weniger gut da, als die jüngsten kantonalen Wahlen glauben lassen. Dafür schneiden GLP, SP und SVP besser ab.

Es ist auf der Basis von kantonalen Parlamentswahlen schwer abzuschätzen, wer am Abend des 18. Oktobers als Gewinner in die Kameras lächeln wird. Schenkt man dem neusten Wahlbarometer von gfs.bern Glauben, gewinnen FDP, SP und SVP, während BDP, CVP, GLP und Grüne mit Verlusten rechnen müssen. Diese Trends decken sich grösstenteils mit der Bilanz der kantonalen Parlamentswahlen seit 2011.

Die Freisinnigen haben in den kantonalen Wahlen dieses Jahres grosse Erfolge erzielt. Dennoch haben sie während der letzten Legislatur in vielen Kantonen an Wählern eingebüsst. Umgekehrt sieht die Bilanz der GLP auf den zweiten Blick besser aus : Seit 2011 haben die Grünliberalen prozentual am meisten Wählerinnen und Wähler dazu gewonnen, auch wenn sie im Kanton Zürich in diesem Jahr einen herben Rückschlag einstecken mussten.

Kantonale Wahlen seit 2011

Kantonale Wahlen
Quelle: Bundi 2015

Kommt es zum liberalen Herbst?

Bei den Baselbieter Landratswahlen vom 8. Februar 2015 konnte die FDP ihren Stimmenanteil um 3.8 Prozent steigern. Seither reitet sie auf einer Erfolgswelle, denn in den weiteren kantonalen Wahlen lief es ebenfalls blendend: in Luzern gewannen die Freisinnigen 2.1 Prozent mehr Wähleranteil, in Zürich 4.3 Prozent und im Tessin 1.5 Prozent.

Auch wenn sich diese Gewinne in der Tat sehen lassen können, darf man nicht vergessen, dass die Partei nach den letzten eidgenössischen Wahlen 2011 bis zu den Genfer Grossratswahlen im Jahr 2013 zwei Jahre lang stark an Terrain eingebüsst hatte. Erst 2014 konnten sich die Freisinnigen wieder stabilisieren. 2015 setzten sie dann zum Höhenflug an, der im Triumph bei den Zürcher Kantonsratswahlen im April seinen momentanen Höhepunkt erreichte. Allerdings hat die FDP bei den diesjährigen Zürcher Kantonsratswahlen in erster Linie einfach ihr altes Niveau von vor 2007 zurück erobert, denn 2011 verlor sie überdurchschnittlich viele Wähler.

Obwohl es für die Freisinnigen bei den kantonalen Wahlen in diesem Jahr sehr gut lief, müssen sie erst noch beweisen, dass sie in anderen Kantonen die Gunst der Wählerschaft ebenfalls wieder zurückgewinnen können. Es wäre ein Trugschluss, davon auszugehen, dass mit einem Wahlsieg im Kanton Zürich die ganze Schweiz gewonnen werden kann.

CVP und Grüne als grosse Verlierer

Im Gegensatz zur FDP hatten die CVP und die Grünen in letzter Zeit nicht viel zu lachen. Die Partei der Christdemokraten darf sich zwar als Königin der Abstimmungen rühmen, verlor allerdings in den kantonalen Parlamentswahlen weiter an Wähleranteilen, besonders in ihren konservativen Stammlanden in den Kantonen Freiburg, St.Gallen und Wallis. Die Partei hat es während der vergangenen Legislaturperiode verpasst, sich mit der BDP zu einer Mitte-Union zusammenzuschliessen. Seit den 1990er Jahren schreitet der Niedergang der Christdemokraten langsam, aber stetig voran.

Die Grüne Partei versucht sich derweil mit neuen Themen zu profilieren, bisher aber erst mit mässigem Erfolg. Gemäss des Wahlbarometers von gfs.bern ist die Umwelt nur noch für einen von dreissig Wählern das dringendste Problem. Der Wähleranteil der Grünen scheint sich deshalb wieder auf dem Niveau von 2007 einzupendeln.

Neue Mitte – Einbruch nach gutem Start

Unterschiedlich fällt die Bilanz der neuen Mitteparteien aus. Bis zu den Nidwaldner Landratswahlen 2014 waren sowohl die GLP als auch die BDP auf der Gewinnerseite.

Die grosse Zäsur erfolgte bei den Berner Grossratswahlen. Während die Grünliberalen ihre Parteistärke nochmals deutlich ausbauen konnten, musste die BDP die bisher bitterste Niederlage ihrer noch jungen Parteigeschichte einstecken. Die BDP verlor bei den Berner Wahlen fast ein Drittel ihrer Mandate und büsste damit ihren Zuwachs seit 2011 komplett ein. Seither geht es bergab. Die BDP hat 2015 bei allen kantonalen Wahlen nochmals stark verloren.

Aber auch die GLP ist nicht mehr so erfolgsverwöhnt wie vor einigen Jahren. 2015 musste die Partei bei den Kantonsratswahlen in Luzern und vor allem in Zürich deutliche Verluste hinnehmen. Dennoch gehören die Grünliberalen immer noch zu den klaren Gewinnern bei den kantonalen Parlamentswahlen und haben deutlich mehr Wählerinnen und Wähler als noch 2011.

Die gegenwärtigen Prognosen von SRG SSR, 20min und Tagesanzeiger deuten zwar eher auf Verluste oder zumindest auf keine Gewinne der GLP hin. Dennoch könnten die Grünliberalen durchaus zulegen bei den eidgenössischen Wahlen – vorausgesetzt, sie können ihre bisherige Wählerschaft in den Kantonen mobilisieren.

Die Polparteien als heimliche Gewinner

Neben der GLP dürfen sich die beiden Polparteien SP und SVP als eigentliche Gewinner der kantonalen Parlamentswahlen freuen.

Die SVP hatte zwar einen harzigen Start. Nach ihrer überraschenden Niederlage bei den eidgenössischen Wahlen 2011 entgegen aller Prognosen, verlor sie auch am „Super Sunday“ (die kantonalen Wahlen in Uri, Schwyz, St.Gallen und Waadt vom 11.März 2012) und bei allen darauffolgenden kantonalen Wahlen.

Erst bei den kantonalen Wahlen im Wallis und in Solothurn schaffte die SVP die Wende und überflügelte kurz darauf bei den Grossratswahlen im Kanton Bern sogar die BDP. Die SVP konnte das zweitstärkste Wählerwachstum seit 2011 verbuchen.

Anders sieht der Trend bei der SP aus. Im Gegensatz zur SVP konnte sie zu Beginn der Legislatur stark zulegen und hat sich seither in den kantonalen Wahlen konstant gehalten. Dies ist durchaus bemerkenswert. Das schwierige Umfeld spricht eher für die FDP (Frankenstärke) und die SVP (EU-Debatte, Migration). Auch bei den Abstimmungen waren die Sozialdemokraten schon erfolgreicher. Die 1:12 oder die Mindestlohn-Initiativen der laufenden Legislatur erlitten deutliche Niederlagen an der Urne.

Inwieweit das Abschneiden der Parteien in den Kantonen während der Legislatur als Gradmesser für die nationalen Wahlen gelten kann, wird sich am kommenden Sonntag zeigen. 

INFOBOX: Methodik und Berechnung der kantonalen Parteienstärke

Die Grafik zeigt die prozentuale Veränderung der Parteistärke seit 2011. Dabei wurde auf Grundlage des Wähleranteils und der Anzahl Stimmberechtigen die Parteistärke zum Zeitpunkt der eidgenössischen Wahlen für 2011 ermittelt. Für jeden Wahltag (zum Teil haben die Kantone am gleichen Tag ein neues Parlament gewählt – siehe Super-Sunday von 2012) wurde dieser Wert neu ermittelt und anschliessend mit der vorherigen Parteistärke verglichen. Die prozentuale Abweichung der beiden Werte wurde anschliessend für jede Partei berechnet.

Da die Parteistärke nach Anzahl der Stimmberechtigten gewichtet wurde, haben die grösseren Kantone (Zürich, Bern, Waadt) einen stärkeren Einfluss auf die prozentuale Veränderung als kleinere (Uri, Obwalden, Glarus).

Die Kantone, die vornehmlich im Majorzsystem wählen (Graubünden, Appenzell Innerrhoden, Appenzell Ausserrhoden), wurden nicht berücksichtigt

Um die Parteistärke der FDP.Die Liberalen vor und nach der Fusion der beiden Parteien vergleichen zu können, wurden die separaten Werte der beiden Parteien zusammengenommen.

Die Gewichtung der Parteistärke nach der Stimmbevölkerung macht den relativen Einfluss der Kantonsgrösse direkt sichtbar. Allerdings hat diese Trendanalyse auch Nachteile: Die Extrapolation von vergangenen Wahlen lässt den Umstand ausser Acht, dass sich die Parteipräferenzen der Wählerschaft mittlerweile vielleicht schon wieder verändert haben. Die Analyse der Parteistärke kann zudem den Effekt der gegenwärtigen Kampagnen nicht berücksichtigen. 


Foto: FDP.Die Liberalen.

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