Immer mehr Parlamentarier treten vorzeitig zurück

Noch nie tra­ten so vie­le Par­la­men­ta­rie­rin­nen und Par­la­men­ta­ri­er wäh­rend der lau­fen­den Legis­la­tur zurück wie in den ver­gan­ge­nen vier Jah­ren. Die Wie­der­wahl der Nach­fol­ger ist aber nicht garan­tiert. Nach­ge­rück­te Par­la­men­ta­rie­rin­nen und Par­la­men­ta­ri­er haben kei­nen so gros­sen Bonus wie Bis­he­ri­ge, die eine gan­ze Legis­la­tur im Par­la­ment waren. 

Im März 2014 trat der ehe­ma­li­ge FDP-Prä­si­dent Ful­vio Pel­li aus dem Natio­nal­rat zurück. Der frü­he­re SVP-Bun­des­rat Chris­toph Blo­cher ver­ab­schie­de­te sich im Juni 2014 aus Bern. Sie sind nicht die ein­zi­gen: 25 Par­la­men­ta­rie­rin­nen und Par­la­men­ta­ri­er tra­ten zwi­schen 2011 und 2015 vor­zei­tig aus ihrem Amt zurück. Das sind so vie­le wie noch nie in den ver­gan­ge­nen 80 Jahren. 

Mutationen in der Bundesversammlung

Die Gra­fik zeigt, wie Par­la­men­ta­rie­rin­nen und Par­la­men­ta­ri­er ihre Kar­rie­re in der Bun­des­ver­samm­lung beendeten:

Quel­le: Par­la­ments­dienst Bern, eige­ne Darstellung

Weniger Todesfälle, dafür mehr vorzeitige Rücktritte

Fast in jeder Ses­si­on wird mitt­ler­wei­le ein neu­es Mit­glied im Par­la­ment will­kom­men geheis­sen. In frü­he­ren Jahr­zehn­ten erfolg­te der Gross­teil der Muta­tio­nen wäh­rend der Legis­la­tur auf Grund von Todes­fäl­len. Vor 1971 gehör­ten dem Par­la­ment aus­schliess­lich Män­ner an, vie­le davon tra­ten erst ein Amt an, wenn sie bereits etwas älter waren. 

Das Par­la­ment ist heu­te viel hete­ro­ge­ner zusam­men­ge­setzt, man trifft auch auf jun­ge Par­la­men­ta­rie­rin­nen und Par­la­men­ta­ri­er. Todes­fäl­le kom­men sel­te­ner vor. Den­noch stieg die Zahl der Muta­tio­nen wäh­rend der Legis­la­tur an. Ins­be­son­de­re seit den 1990er Jah­ren nah­men die vor­zei­ti­gen Rück­trit­te im Par­la­ment deut­lich zu und erreich­ten in der 49. Legis­la­tur mit 25 einen Rekordwert. 

Vorzeitige Rücktritte sind weit verbreitet

Vor­zei­ti­ge Rück­trit­te gal­ten lan­ge Zeit als geeig­ne­te Stra­te­gie, den Sitz der Par­tei zu hal­ten und kom­men dem­entspre­chend in allen Par­tei­en vor. Aus­ser in der CVP tra­ten wäh­rend der aus­lau­fen­den Legis­la­tur zwi­schen zehn und zwan­zig Pro­zent der Frak­ti­ons­mit­glie­der aller Bun­des­rats­par­tei­en vor­zei­tig zurück. Dar­un­ter waren auch auf­fäl­lig vie­le lang­jäh­ri­ge Par­la­men­ta­rie­rin­nen und Par­la­men­ta­ri­er. Neben den bereits erwähn­ten gaben auch Ursu­la Hal­ler von der BDP (frü­her SVP-Mit­glied), die SP-Mit­glie­der Hil­de­gard Fäss­ler und Hans-Jörg Fehr oder der Unter­neh­mer Peter Spuh­ler von der SVP ihr Amt vor­zei­tig ab. 

Auf vor­zei­tig aus­schei­den­de Par­la­men­ta­ri­er fol­gen in Pro­porz­kan­to­nen die best­plat­zier­ten, aber nicht gewähl­ten Kan­di­die­ren­den der letz­ten Wah­len. In der Regel neh­men nur die­je­ni­gen Per­so­nen den Sitz an, die vor­ha­ben, bei den nächs­ten Wah­len erneut zu kandidieren. 

Zauberwörtchen „bisherig“?

Wie­der­kan­di­die­ren­de kön­nen mit dem soge­nann­ten Bis­he­ri­gen­bo­nus in den Wahl­kampf stei­gen. Sämt­li­che empi­ri­sche Unter­su­chun­gen zei­gen, dass Bis­he­ri­ge sehr viel bes­se­re Wahl­chan­cen haben als Neu­kan­di­die­ren­de.  

Doch die auf qua­si sicher geglaub­ten Sit­ze der Bis­he­ri­gen sind nicht mehr so sta­bil wie in den 1970er oder 80er Jah­ren. Im Zug der Pola­ri­sie­rung des Schwei­zer Par­tei­en­sys­tems wur­den auch immer mehr Bis­he­ri­ge nicht mehr wiedergewählt. 

Beson­ders hart trifft es nach­ge­rutsch­te Par­la­men­ta­rie­rin­nen und Par­la­men­ta­ri­er. Auch bei ihnen wird auf dem Wahl­zet­tel „bis­he­rig“ ver­merkt, selbst wenn sie nur kurz im Amt waren. Für sie ist aber die Wahr­schein­lich­keit beson­ders gross, abge­wählt zu wer­den wie eine Ana­ly­se der ver­gan­ge­nen Legis­la­tu­ren ergab.

Mehr als jeder vier­te Par­la­men­ta­ri­er, der wäh­rend der Legis­la­tur für einen ande­ren ins Par­la­ment nach­rück­te, wur­de bei der nächs­ten Wahl wie­der abge­wählt. Bei den regu­lär gewähl­ten Par­la­men­ta­ri­ern muss­te durch­schnitt­lich nur jeder Neun­te nach einer Abwahl sei­nen Sitz räu­men. Wackel­sit­ze kön­nen die Par­tei­en also noch schlech­ter hal­ten, wenn sie das Per­so­nal kurz vor den Wah­len austauschen. 

Reguläre Rücktritte nehmen ab

In eine ande­re Rich­tung geht die Ten­denz bei den regu­lä­ren Rück­trit­ten: Nur 26 Natio­nal­rä­te und 11 Stän­de­rä­te tra­ten regu­lär zurück. Der Anteil der Par­la­men­ta­ri­er, die auf Ende Legis­la­tur­pe­ri­ode frei­wil­lig abtre­ten, ist die­ses Jahr mit 15 Pro­zent so tief wie seit 1955 nicht mehr. (1971 tra­ten zwar auch 37 Par­la­men­ta­ri­er zurück. Das Par­la­ment bestand vor der Grün­dung des Kan­tons Jura 1979 aber nur aus 244 Sit­zen. Der Anteil betrug dem­entspre­chend 15.2 Pro­zent und war damit leicht höher.) 


Quel­len:

Foto: DeFacto

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