Abgrenzen oder Annähern – Wie sollen etablierte Parteien den Populismus schwächen?

Eta­blier­te Par­tei­en wol­len Popu­lis­ten schwä­chen, kön­nen ihre eli­ten­kri­ti­sche Hal­tung aber nicht ein­fach über­neh­men. Die inhalt­li­che Annä­he­rung an die popu­lis­ti­schen Mit­strei­ter ist aber mög­lich, wie zum Bei­spiel Sebas­ti­an Kurz in Öster­reich gezeigt hat. Obwohl die­se Tak­tik weit ver­brei­tet ist, ist ihre erfolg­rei­che Umset­zung nicht leicht. Zudem kann sie auch bedenk­lich sein, da Par­tei­en demo­kra­tisch wich­ti­ge­re Auf­ga­ben haben als nur die Mei­nun­gen der Wäh­ler­schaft widerzuspiegeln.

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Mari­ne Le Pen, Heinz-Chris­ti­an Stra­che, Pode­mos, die Fünf-Ster­ne-Bewe­gung: In den letz­ten Jah­ren eilen Popu­lis­ten von einem Wahl­er­folg zum nächs­ten. In Polen und Ungarn sind sie mitt­ler­wei­le sogar gefes­tig­te Machtinhaber.

Was eint die­se popu­lis­ti­schen Par­tei­en? Laut Cas Mud­de stel­len sie die Gesell­schaft als zwei­ge­teilt dar, mit einem ‚rei­nen‘ Volk, das gegen eine kor­rup­te Eli­te ankämpft. Sie geben auch an, den Gemein­wil­len (volon­té géné­ra­le) zu ver­tre­ten. Sie kön­nen poli­tisch links sein, wie Syri­za, oder poli­tisch rechts, wie die FPÖ. 

Wieso sollte man den Populismus schwächen?

Natür­lich wol­len eta­blier­te Par­tei­en ange­sichts der Erfol­ge die­ser Par­tei­en wis­sen, wie sie die­se Mit­strei­ter schwä­chen kön­nen. Aber auch Bür­ge­rin­nen und Bür­ger soll­ten sich für die­se Fra­ge inter­es­sie­ren. Es ist aus libe­ral-demo­kra­ti­scher Sicht bedenk­lich, wenn popu­lis­ti­sche Dis­kur­se in die Rea­li­tät umge­setzt wer­den. Popu­lis­ten sind näm­lich oft anti-plu­ra­lis­tisch, da sie die Homo­ge­ni­tät des Volks­wil­lens unter­strei­chen. Sie sind auch anti-libe­ral, da sie den Rech­ten Ein­zel­ner oder Min­der­hei­ten weni­ger Gewicht geben als dem Wil­len der Mehr­heit. Popu­lis­ten, vor allem am rech­ten Spek­trum, fal­len immer wie­der durch ihre gerin­ge­re Wert­schät­zung für Grund­nor­men der Demo­kra­tie auf. 

Kri­tik an Eli­ten kön­nen eta­blier­te Par­tei­en nur schwer kopie­ren, da sie selbst Teil der Eli­te sind. Eine wich­ti­ge Ant­wort der eta­blier­ten Par­tei­en auf Popu­lis­ten ist daher inhalt­li­cher Natur. Dabei müs­sen sie sich zwi­schen zwei Alter­na­ti­ven ent­schei­den: Annä­he­rung und Abgrenzung.

Annä­he­rung bedeu­tet dabei, dass man die The­men und Posi­tio­nen der Popu­lis­ten über­nimmt. Eta­blier­te Par­tei­en müss­ten dann rechts­po­pu­lis­ti­sche Zuwan­de­rungs- und Sicher­heits­the­men beto­nen und links­po­pu­lis­ti­sche Stand­punk­te gegen Glo­ba­li­sie­rung und Kapi­ta­lis­mus einnehmen.

Das sind auch die Posi­tio­nen popu­lis­ti­scher Wäh­le­rin­nen und Wäh­ler. Das sieht man gut am Bei­spiel Öster­reichs, wo popu­lis­ti­sche Mei­nun­gen bei den­je­ni­gen am stärks­ten vor­han­den sind, die sowohl über­durch­schnitt­lich wirt­schaft­lich links als auch über­durch­schnitt­lich zuwan­de­rungs­kri­tisch sind (Abbil­dung 1). 

Annäherung an Populisten als Erfolgsrezept?

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Abbil­dung 1: Durch­schnitt­li­che Zustim­mung zu popu­lis­ti­schen Aus­sa­gen in vier Wäh­le­rIn­nen­grup­pen in Öster­reich. Links und rechts bezeich­net die Ein­stel­lung auf wirt­schaft­li­chen The­men, libe­ral-auto­ri­tär auf kul­tu­rel­len The­men (hier Zuwan­de­rung); Grup­pen anhand des arith­me­ti­schen Mit­tels auf­ge­teilt. Popu­lis­mus­ein­stel­lun­gen basie­ren auf der Zustim­mung zu sie­ben Aus­sa­gen, z.B.: „Das Volk soll­te die wich­tigs­ten poli­ti­schen Ent­schei­dun­gen tref­fen, nicht die Poli­ti­ker.“ Daten: Öster­rei­chi­sche Natio­nal Wahl­stu­die 2017, n=3.714.

Auf dem Zuwan­de­rungs­the­ma haben sich eta­blier­te Par­tei­en tat­säch­lich den Popu­lis­ten ange­nä­hert. Eine Ana­ly­se von Wahl­pro­gram­men seit 1980 zeigt, dass eta­blier­te Par­tei­en bei Zuwan­de­rungs­fra­gen kri­ti­scher gewor­den sind und das The­ma mehr her­vor­he­ben (Abbil­dung 2).

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Abbil­dung 2: Durch­schnitt­li­che Posi­ti­on und Sali­enz bei kul­tu­rel­len The­men für eta­blier­te und rechts­po­pu­lis­ti­sche Par­tei­en. Daten: Com­pa­ra­ti­ve Mani­festo Pro­ject. Quel­le: Wagner/Meyer 2017. 

Die­se Stra­te­gie ist zum Teil auch von Erfolg gekrönt. Ein Blick auf die Wahl in Öster­reich 2017 genügt. Sebas­ti­an Kurz hat es geschafft, die alt­ein­ge­ses­se­ne, seit 30 Jah­ren (mit)regierende Öster­rei­chi­sche Volks­par­tei als eli­ten­kri­ti­sche Bewe­gung dar­zu­stel­len und auf Zuwan­de­rungs­fra­gen här­te­re Posi­tio­nen ein­zu­neh­men. Nach Kurz‘ Über­nah­me ist die Popu­la­ri­tät der ÖVP rasant gestie­gen. 2017 war die ÖVP auch bei popu­lis­ti­schen Wäh­le­rin­nen und Wäh­lern ver­gleichs­wei­se beliebt, wenn auch die FPÖ bei die­sen immer noch am meis­ten punk­tet (Abbil­dung 3).

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Abbil­dung 3: Zusam­men­hang zwi­schen popu­lis­ti­schen Ein­stel­lun­gen und Par­tei­wahl; biva­ria­tes mul­ti­no­mi­na­les Regres­si­ons­mo­dell; Popu­lis­mus­ein­stel­lun­gen als qua­dra­ti­sche Vor­her­sa­ge­va­ria­ble; Öster­rei­chi­sche Natio­nal Wahl­stu­die 2017, n=1.586.

Wieso Abgrenzung dennoch sinnvoll sein könnte

Den­noch ist Annä­he­rung für eta­blier­te Par­tei­en mög­li­cher­wei­se nicht sinn­voll. Zunächst braucht man für die­se Stra­te­gie glaub­haf­tes Per­so­nal. Die ÖVP in Öster­reich konn­te mit­hil­fe von Sebas­ti­an Kurz punk­ten. Ande­re Par­tei­en tun sich schwe­rer, einen schnel­len Posi­ti­ons­wech­sel glaub­haft zu ver­kau­fen. Dann kön­nen schon vor­han­de­ne popu­lis­ti­sche Par­tei­en sogar gestärkt wer­den, da ihre The­men an Pro­mi­nenz gewin­nen. Wenn eta­blier­te Par­tei­en dann die Poli­tik der Popu­lis­ten nicht umset­zen kön­nen und wol­len, kann dies zu einer Ent­täu­schung bei Wäh­le­rin­nen und Wäh­lern führen.

Aber auch demo­kra­tie­po­li­tisch ist die Annä­he­rung an Popu­lis­ten bedenk­lich. Zwar ist es die Auf­ga­be von poli­ti­schen Par­tei­en, die Sor­gen und Wün­sche von Bür­ge­rin­nen und Bür­gern auf­zu­grei­fen und zu ver­tre­ten. Die Mei­nungs­for­schung zeigt aber ein­deu­tig, dass die Ein­stel­lun­gen der Bür­ge­rin­nen und Bür­ger oft unklar, intui­tiv geformt und insta­bil sind.

Die Auf­ga­be von Par­tei­en ist daher auch, in einen Dia­log mit Wäh­le­rin­nen und Wäh­lern zu tre­ten. Rechts­staat­li­che Gren­zen müs­sen erklärt, Optio­nen auf­ge­zeigt und Kon­se­quen­zen dar­ge­stellt wer­den. Par­tei­en soll­ten daher die Deli­be­ra­ti­on und den offe­nen Dis­kurs mit und in der Bevöl­ke­rung för­dern und nicht die Mehr­heits­mei­nun­gen blind umsetzen.

Drit­tens dür­fen eta­blier­te Par­tei­en nicht unter­schät­zen, dass popu­lis­ti­sche Par­tei­en unde­mo­kra­ti­sche Ten­den­zen ver­tre­ten, vor allem durch ihre Kri­tik am Plu­ra­lis­mus und durch ihre Vor­stel­lung eines ein­deu­ti­gen Volks­wil­lens. Nicht über­all sind Popu­lis­ten eine direk­te Bedro­hung für das demo­kra­ti­sche Sys­tem. Den­noch kann die Bereit­schaft, Popu­lis­ten zu kopie­ren und mit ihnen zu arbei­ten, dazu füh­ren, dass die­se Gefahr bana­li­siert wird.

Fazit

Die Annä­he­rung eta­blier­ter Par­tei­en an popu­lis­ti­sche Par­tei­en darf nicht nur aus dem Blick­win­kel kurz­fris­ti­ger Gewin­ne bei Wah­len gese­hen wer­den. Eta­blier­te Par­tei­en müs­sen sich fra­gen, was ihre Rol­le als Ver­ant­wor­tungs­trä­ger im demo­kra­ti­schen Sys­tem ist und wel­che lang­fris­ti­gen Kon­se­quen­zen wahl­tak­ti­sche Über­le­gun­gen auf demo­kra­ti­sche Grund­fes­te haben können.


Bild: en.kremlin.ru.

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