Warum es für die SVP schwierig wird in der Romandie zu wachsen

Die SVP sieht in der Roman­die noch Wachs­tums­po­ten­ti­al. Doch um zu wach­sen, müss­te sie zuerst stark an Beliebt­heit zule­gen. Der Wäh­ler­an­teil ist in der Roman­die vor allem des­halb gerin­ger, weil die SVP weni­ger beliebt ist und nicht weil sie schlech­ter mobi­li­siert. Das zeigt eine Ana­ly­se der Selects-Daten zu den Wah­len 2015.

Die SVP hat bei den Wah­len 2015 von allen Par­tei­en am meis­ten zuge­legt. Ihr Wäh­ler­an­teil betrug knapp dreis­sig Pro­zent. Aller­dings sind die Wäh­ler­an­tei­le nicht in allen Lan­des­tei­len gleich. In der Deutsch­schweiz wähl­ten drei von fünf Wäh­lern die SVP, in der Roman­die nur zwei von fünf. In der Roman­die war zudem 2015 auch der Zuwachs deut­lich beschei­de­ner als in der Deutschschweiz.

Das möch­te die Par­tei­spit­ze ändern. Ver­schie­de­ne Par­tei­füh­rer haben nach den Wah­len erklärt, man kön­ne in der Roman­die noch zule­gen. Nicht zuletzt die Hoff­nung auf Zuwachs in der Roman­die bewog die SVP dazu, den Waadt­län­der Wein­bau­er Par­me­lin als Kan­di­da­ten für die Nach­fol­ge von Eve­li­ne Wid­mer-Schlumpf in den Bun­des­rat aufzustellen. 

Geringeres SVP-Potential in der Romandie

Aber hat die SVP in der Roman­die tat­säch­lich noch brach­lie­gen­des Poten­ti­al? Eine Aus­wer­tung der Selects-Daten nach Sprach­re­gi­on zeigt, dass die SVP in der Roman­die klar unbe­lieb­ter ist als in der Deutsch­schweiz. In die­ser Befra­gung wur­den alle Wäh­le­rin­nen und Wäh­ler gefragt, ob sie sich vor­stel­len könn­ten, je ein­mal SVP zu wäh­len. In der Deutsch­schweiz gaben 35 Pro­zent aller Wäh­len­den an, dass sie sich sehr gut vor­stel­len könn­ten, SVP zu wäh­len. In der Roman­die sind es nur 23 Pro­zent, die sich sehr gut vor­stel­len kön­nen, die SVP zu wählen.

Gleich­zei­tig ist die SVP bei den Wäh­lern der Roman­die auch unbe­lieb­ter. 58 Pro­zent der Befrag­ten der Roman­die gaben an, dass sie sich über­haupt nicht vor­stel­len könn­ten, SVP zu wäh­len. In der Deutsch­schweiz sind es dem­ge­gen­über nur 45 Pro­zent. Somit ist die SVP auch die­je­ni­ge Par­tei, die am stärks­ten pola­ri­siert. Per­so­nen, wel­che der Par­tei eher neu­tral gegen­über­ste­hen, sind sowohl in der Roman­die wie in der Deutsch­schweiz eine sehr klei­ne Gruppe. 

Abbildung 1:

Graph 1

Lese­bei­spiel: 45% der Wäh­len­den der Deutsch­schweiz (D) gaben an, dass sie mit einer sehr gerin­gen Wahr­schein­lich­keit (vio­lett, 0–2) je ein­mal SVP wäh­len wür­den, 35% gaben an, dass für sie die­se Wahr­schein­lich­keit sehr hoch sei (lila, 8–10). In der Roman­die (F) gaben 58% der Wäh­len­den an, dass sie eine sehr gerin­ge Wahr­schein­lich­keit hät­ten, SVP zu wäh­len. 23% gaben eine sehr hohe Wahr­schein­lich­keit an, ein­mal SVP zu wählen.

INFOBOX: Wie wur­de gefragt? 

Im Rah­men von Selects haben wir für jede Par­tei abge­fragt, ob sich die Wäh­len­den vor­stel­len könn­ten, ein­mal die­se Par­tei zu wäh­len. 0 bedeu­tet, man kann sich das gar nicht vor­stel­len, 10 bedeu­tet, man kann sich das sehr gut vor­stel­len. Dar­aus lässt sich berech­nen, wie stark die Zu- bzw. Abnei­gung aller Wäh­len­den gegen­über einer Par­tei ist. Bei die­ser Fra­ge zeigt sich zudem über alle Par­tei­en hin­weg, dass bei einem Wert von 5 oder dar­un­ter fast nie­mand mehr die­se Par­tei effek­tiv auch wählt. Erst bei einem Wert von 8 oder mehr liegt der Anteil der Per­so­nen, die die­se Par­tei dann effek­tiv auch gewählt haben, bei fast allen Par­tei­en bei 50 Pro­zent oder höher.

Hohe Ausschöpfung in Romandie und Deutschschweiz

Die SVP ver­füg­te 2015 über ein deut­lich gerin­ge­res Poten­ti­al in der Roman­die als in der Deutsch­schweiz. Dafür gelang es der SVP in bei­den Lan­des­tei­len über­durch­schnitt­lich gut, die poten­ti­el­len SVP-Wäh­len­den dazu zu bewe­gen, SVP zu wäh­len. In bei­den Lan­des­tei­len haben vier von fünf Per­so­nen, die sich sehr gut vor­stel­len kön­nen, SVP zu wäh­len, auch SVP gewählt.

Unter­schie­de in der Mobi­li­sie­rungs­fä­hig­keit zwi­schen den Lan­des­tei­len gibt es nicht. Die Mobi­li­sie­rung des Wäh­ler­po­ten­ti­al ist bei der SVP aller­dings sehr viel höher als bei allen ande­ren Par­tei­en. So zeig­te die Selects-Stu­die zu den Wah­len 2015 etwa, dass nur 44 Pro­zent der poten­ti­el­len FDP-Wäh­len­den auch FDP gewählt haben. Noch tie­fer liegt der Wert bei der GLP: Nur 28 Pro­zent der Per­so­nen, die sich eigent­lich sehr gut vor­stel­len könn­ten, GLP zu wäh­len, haben der GLP dann auch ihre Stim­me gegeben.

Anders aus­ge­drückt liegt der tie­fe­re Wäh­ler­an­teil der SVP in der Roman­die nicht in der gerin­ge­ren Mobi­li­sie­rung, son­dern vor allem am gerin­ge­ren Wäh­ler­po­ten­ti­al. Das heisst, es gibt schlicht weni­ger Leu­te, die SVP wäh­len möchten. 

Abbildung 2:

Graph 2

Lese­bei­spiel: Von den­je­ni­gen Wäh­lern mit einer sehr hohen Nei­gung, SVP zu wäh­len, haben in der Deutsch­schweiz 83% tat­säch­lich auch SVP gewählt, in der Roman­die 81%. In der Deutsch­schweiz wäh­len 6% der SVP-Sym­pa­thi­stan­ten am Wahl­tag FDP, in der Roman­die 10%. Die Wahr­schein­lich­keit, dass SVP-Sym­a­thi­san­ten eine wei­te­re ande­re Par­tei wäh­len, ist sehr tief. 

Moderate SVP-Sympathisanten wählen weniger häufig SVP

Auch wenn die SVP ins­ge­samt sehr gut mobi­li­siert, so gibt es doch Unter­schie­de zwi­schen ver­schie­de­nen Grup­pen von SVP-Sym­pa­thi­san­ten. Am auf­fäl­ligs­ten sind die Unter­schie­de in der Mobi­li­sie­rung nach der poli­ti­scher Orientierung.

Abbil­dung 3 zeigt, wie gut die SVP unter ihren Sypmpa­thi­san­ten mobi­li­sie­ren konn­te und zwar in Abhän­gig­keit der poli­ti­schen Posi­tio­nie­rung der Wäh­ler. Dabei zeigt sich, dass die SVP vor allem unter den rech­ten Wäh­len­den sehr gut mobi­li­siert hat. SVP-Sym­pa­thi­san­ten, die sich ganz rechts ein­ord­nen, wähl­ten zu 93 Pro­zent SVP. Jene SVP-Sym­pa­thi­san­ten, die sich in der poli­ti­schen Mit­te ein­ord­nen, wäh­len hin­ge­gen nur zu 75 Pro­zent SVP. In der Mit­te hat die SVP ihre pon­ten­ti­el­len Wäh­ler somit schlech­ter mobilisiert.

Abbildung 3:

Graph 3

Lese­bei­spiel: Die Abbil­dung zeigt die Mobi­li­sie­rung der Wäh­ler, die sich sehr gut vor­stel­len könn­ten, SVP zu wäh­len. Die SVP-Sym­pa­thi­san­ten, die sich in der Mit­te posi­tio­nie­ren, haben zu 75% SVP gewählt. Wäh­ler, die sich ganz rechts posi­tio­nie­ren, haben zu 93% SVP gewählt. SVP-Sym­pa­thi­san­ten, die links der Mit­te posi­tio­niert sind, gibt es prak­tisch kei­ne, dar­um feh­len sie in der Abbildung. 

Parmelin kanns wohl nicht richten

Das erklär­te Ziel der SVP, in der Roman­die noch mar­kant zuzu­le­gen, ist ambi­tio­niert bis unrea­lis­tisch. Das Pro­blem der SVP in der Roman­die liegt nicht bei der Mobi­li­sie­rung. Bei den Wah­len 2015 waren die Sym­pa­thien und das Wäh­ler­po­ten­ti­al für die Par­tei in der Roman­die deut­lich gerin­ger als in der Deutschschweiz.

Für eine Par­tei, die pola­ri­siert, ist es nicht ein­fach, ihre Wäh­ler­ba­sis zu ver­brei­ten. Wie die Selects-Stu­die 2015 gezeigt hat, ist das Wäh­ler­po­ten­ti­al der SVP in den letz­ten zwölf Jah­ren sehr sta­bil geblie­ben. Anders gesagt: Die Par­tei ist für eine Mehr­heit der Wäh­ler­schaft in der Schweiz nach wie vor nicht wähl­bar. Ins­be­son­de­re Mit­te-Wäh­len­de mit SVP-Sym­pa­thie wäh­len deut­lich weni­ger häu­fig SVP als rech­te Wäh­len­de mit SVP-Sympathie.

Dadurch ist die SVP in einem Dilem­ma. Ver­sucht sie mit mode­ra­te­ren Posi­tio­nen und kon­zi­li­an­te­ren Tönen ihre Wäh­ler­ba­sis in der Mit­te aus­zu­wei­ten, ent­täuscht sie ihre Anhän­ger und ris­kiert ihre Mobi­li­sie­rungs­fä­hig­keit im rech­ten Lager. Beharrt sie hin­ge­gen auf poin­tiert rech­ten Posi­tio­nen in Abgren­zung auch zu ande­ren bür­ger­li­chen Par­tei­en, wird es ihr kaum gelin­gen, für mode­ra­te Mit­te-Wäh­ler attrak­ti­ver zu wer­den. Doch genau dies wäre in der West­schweiz wich­tig, um wach­sen zu können.

Die­ses grund­le­gen­de Dilem­ma lässt sich auch mit einem freund­li­chen Romand als Bun­des­rat kaum lösen. Bun­des­rä­te sind zwar wich­ti­ge Sym­pa­thie­trä­ger einer Par­tei, aber da sie immer die Hal­tung des Bun­des­ra­tes ver­tre­ten müs­sen und sich im Wahl­kampf zurück­zu­hal­ten haben, spie­len sie für die Mobi­li­sie­rung oder die Posi­tio­nie­rung der Par­tei eine unter­ge­ord­ne­te Rolle.


Titel­bild: Flickr

Lek­to­rat: Sarah Bütikofer

Gra­phik und Lay­out: Pas­cal Burkhard

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