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Warum es für die SVP schwierig wird in der Romandie zu wachsen

Georg Lutz
19th Juli 2016

Die SVP sieht in der Romandie noch Wachstumspotential. Doch um zu wachsen, müsste sie zuerst stark an Beliebtheit zulegen. Der Wähleranteil ist in der Romandie vor allem deshalb geringer, weil die SVP weniger beliebt ist und nicht weil sie schlechter mobilisiert. Das zeigt eine Analyse der Selects-Daten zu den Wahlen 2015.

Die SVP hat bei den Wahlen 2015 von allen Parteien am meisten zugelegt. Ihr Wähleranteil betrug knapp dreissig Prozent. Allerdings sind die Wähleranteile nicht in allen Landesteilen gleich. In der Deutschschweiz wählten drei von fünf Wählern die SVP, in der Romandie nur zwei von fünf. In der Romandie war zudem 2015 auch der Zuwachs deutlich bescheidener als in der Deutschschweiz.

Das möchte die Parteispitze ändern. Verschiedene Parteiführer haben nach den Wahlen erklärt, man könne in der Romandie noch zulegen. Nicht zuletzt die Hoffnung auf Zuwachs in der Romandie bewog die SVP dazu, den Waadtländer Weinbauer Parmelin als Kandidaten für die Nachfolge von Eveline Widmer-Schlumpf in den Bundesrat aufzustellen. 

Geringeres SVP-Potential in der Romandie

Aber hat die SVP in der Romandie tatsächlich noch brachliegendes Potential? Eine Auswertung der Selects-Daten nach Sprachregion zeigt, dass die SVP in der Romandie klar unbeliebter ist als in der Deutschschweiz. In dieser Befragung wurden alle Wählerinnen und Wähler gefragt, ob sie sich vorstellen könnten, je einmal SVP zu wählen. In der Deutschschweiz gaben 35 Prozent aller Wählenden an, dass sie sich sehr gut vorstellen könnten, SVP zu wählen. In der Romandie sind es nur 23 Prozent, die sich sehr gut vorstellen können, die SVP zu wählen.

Gleichzeitig ist die SVP bei den Wählern der Romandie auch unbeliebter. 58 Prozent der Befragten der Romandie gaben an, dass sie sich überhaupt nicht vorstellen könnten, SVP zu wählen. In der Deutschschweiz sind es demgegenüber nur 45 Prozent. Somit ist die SVP auch diejenige Partei, die am stärksten polarisiert. Personen, welche der Partei eher neutral gegenüberstehen, sind sowohl in der Romandie wie in der Deutschschweiz eine sehr kleine Gruppe. 

Abbildung 1:

Graph 1

Lesebeispiel: 45% der Wählenden der Deutschschweiz (D) gaben an, dass sie mit einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit (violett, 0-2) je einmal SVP wählen würden, 35% gaben an, dass für sie diese Wahrscheinlichkeit sehr hoch sei (lila, 8-10). In der Romandie (F) gaben 58% der Wählenden an, dass sie eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit hätten, SVP zu wählen. 23% gaben eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit an, einmal SVP zu wählen.

INFOBOX: Wie wurde gefragt?

Im Rahmen von Selects haben wir für jede Partei abgefragt, ob sich die Wählenden vorstellen könnten, einmal diese Partei zu wählen. 0 bedeutet, man kann sich das gar nicht vorstellen, 10 bedeutet, man kann sich das sehr gut vorstellen. Daraus lässt sich berechnen, wie stark die Zu- bzw. Abneigung aller Wählenden gegenüber einer Partei ist. Bei dieser Frage zeigt sich zudem über alle Parteien hinweg, dass bei einem Wert von 5 oder darunter fast niemand mehr diese Partei effektiv auch wählt. Erst bei einem Wert von 8 oder mehr liegt der Anteil der Personen, die diese Partei dann effektiv auch gewählt haben, bei fast allen Parteien bei 50 Prozent oder höher.

Hohe Ausschöpfung in Romandie und Deutschschweiz

Die SVP verfügte 2015 über ein deutlich geringeres Potential in der Romandie als in der Deutschschweiz. Dafür gelang es der SVP in beiden Landesteilen überdurchschnittlich gut, die potentiellen SVP-Wählenden dazu zu bewegen, SVP zu wählen. In beiden Landesteilen haben vier von fünf Personen, die sich sehr gut vorstellen können, SVP zu wählen, auch SVP gewählt.

Unterschiede in der Mobilisierungsfähigkeit zwischen den Landesteilen gibt es nicht. Die Mobilisierung des Wählerpotential ist bei der SVP allerdings sehr viel höher als bei allen anderen Parteien. So zeigte die Selects-Studie zu den Wahlen 2015 etwa, dass nur 44 Prozent der potentiellen FDP-Wählenden auch FDP gewählt haben. Noch tiefer liegt der Wert bei der GLP: Nur 28 Prozent der Personen, die sich eigentlich sehr gut vorstellen könnten, GLP zu wählen, haben der GLP dann auch ihre Stimme gegeben.

Anders ausgedrückt liegt der tiefere Wähleranteil der SVP in der Romandie nicht in der geringeren Mobilisierung, sondern vor allem am geringeren Wählerpotential. Das heisst, es gibt schlicht weniger Leute, die SVP wählen möchten. 

Abbildung 2:

Graph 2

Lesebeispiel: Von denjenigen Wählern mit einer sehr hohen Neigung, SVP zu wählen, haben in der Deutschschweiz 83% tatsächlich auch SVP gewählt, in der Romandie 81%. In der Deutschschweiz wählen 6% der SVP-Sympathistanten am Wahltag FDP, in der Romandie 10%. Die Wahrscheinlichkeit, dass SVP-Symathisanten eine weitere andere Partei wählen, ist sehr tief. 

Moderate SVP-Sympathisanten wählen weniger häufig SVP

Auch wenn die SVP insgesamt sehr gut mobilisiert, so gibt es doch Unterschiede zwischen verschiedenen Gruppen von SVP-Sympathisanten. Am auffälligsten sind die Unterschiede in der Mobilisierung nach der politischer Orientierung.

Abbildung 3 zeigt, wie gut die SVP unter ihren Sypmpathisanten mobilisieren konnte und zwar in Abhängigkeit der politischen Positionierung der Wähler. Dabei zeigt sich, dass die SVP vor allem unter den rechten Wählenden sehr gut mobilisiert hat. SVP-Sympathisanten, die sich ganz rechts einordnen, wählten zu 93 Prozent SVP. Jene SVP-Sympathisanten, die sich in der politischen Mitte einordnen, wählen hingegen nur zu 75 Prozent SVP. In der Mitte hat die SVP ihre pontentiellen Wähler somit schlechter mobilisiert.

Abbildung 3:

Graph 3

Lesebeispiel: Die Abbildung zeigt die Mobilisierung der Wähler, die sich sehr gut vorstellen könnten, SVP zu wählen. Die SVP-Sympathisanten, die sich in der Mitte positionieren, haben zu 75% SVP gewählt. Wähler, die sich ganz rechts positionieren, haben zu 93% SVP gewählt. SVP-Sympathisanten, die links der Mitte positioniert sind, gibt es praktisch keine, darum fehlen sie in der Abbildung. 

Parmelin kanns wohl nicht richten

Das erklärte Ziel der SVP, in der Romandie noch markant zuzulegen, ist ambitioniert bis unrealistisch. Das Problem der SVP in der Romandie liegt nicht bei der Mobilisierung. Bei den Wahlen 2015 waren die Sympathien und das Wählerpotential für die Partei in der Romandie deutlich geringer als in der Deutschschweiz.

Für eine Partei, die polarisiert, ist es nicht einfach, ihre Wählerbasis zu verbreiten. Wie die Selects-Studie 2015 gezeigt hat, ist das Wählerpotential der SVP in den letzten zwölf Jahren sehr stabil geblieben. Anders gesagt: Die Partei ist für eine Mehrheit der Wählerschaft in der Schweiz nach wie vor nicht wählbar. Insbesondere Mitte-Wählende mit SVP-Sympathie wählen deutlich weniger häufig SVP als rechte Wählende mit SVP-Sympathie.

Dadurch ist die SVP in einem Dilemma. Versucht sie mit moderateren Positionen und konzilianteren Tönen ihre Wählerbasis in der Mitte auszuweiten, enttäuscht sie ihre Anhänger und riskiert ihre Mobilisierungsfähigkeit im rechten Lager. Beharrt sie hingegen auf pointiert rechten Positionen in Abgrenzung auch zu anderen bürgerlichen Parteien, wird es ihr kaum gelingen, für moderate Mitte-Wähler attraktiver zu werden. Doch genau dies wäre in der Westschweiz wichtig, um wachsen zu können.

Dieses grundlegende Dilemma lässt sich auch mit einem freundlichen Romand als Bundesrat kaum lösen. Bundesräte sind zwar wichtige Sympathieträger einer Partei, aber da sie immer die Haltung des Bundesrates vertreten müssen und sich im Wahlkampf zurückzuhalten haben, spielen sie für die Mobilisierung oder die Positionierung der Partei eine untergeordnete Rolle.


Titelbild: Flickr

Lektorat: Sarah Bütikofer

Graphik und Layout: Pascal Burkhard