VOTO-Studie zu den eidgenössischen Volksabstimmungen vom 9. Februar 2020

Am 9. Febru­ar wur­de über die Initia­ti­ve «Mehr bezahl­ba­re Woh­nun­gen» und über die Ände­rung des Straf­ge­setz­bu­ches und des Mili­tär­straf­ge­set­zes («Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot») abge­stimmt. Regio­na­le Unter­schie­de sorg­ten für eine Ableh­nung der Woh­nungs­in­itia­ti­ve und das Ergeb­nis zum Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot zeigt sich als Bekennt­nis zur einer tole­ran­ten Gesellschaft.

VOTO

Ver­si­on fran­çai­se / ver­sio­ne italiana

Die Volks­in­itia­ti­ve «Mehr bezahl­ba­re Woh­nun­gen» wur­de abge­lehnt, obwohl eine deut­li­che Mehr­heit der Stim­men­den das Kern­an­lie­gen der Vor­la­ge unter­stütz­te. Das Begeh­ren des Mie­te­rin­nen- und Mie­ter­ver­ban­des schei­ter­te jedoch, weil die Vor­la­ge zu wenig Rück­sicht auf die regio­na­len Unter­schie­de der Woh­nungs­märk­te nahm. Das Ja zum Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung auf­grund der sexu­el­len Ori­en­tie­rung war sei­ner­seits Aus­druck eines kla­ren Bekennt­nis­ses zu einer tole­ran­ten Gesell­schaft. Dies zeigt die Ana­ly­se der Befra­gung von 1’506 Stimm­be­rech­tig­ten im Rah­men der VOTO-Stu­die zur eid­ge­nös­si­schen Abstim­mung vom 9. Febru­ar 2020. Die Stu­die wur­de von FORS, dem ZDA und dem Befra­gungs­in­sti­tut LINK durch­ge­führt und von der Bun­des­kanz­lei finanziert.

Wohnungsinitiative — Mehrheit für Kernanliegen

Obwohl die Woh­nungs­in­itia­ti­ve des Mie­te­rin­nen- und Mie­ter­ver­bands an der Urne schei­ter­te, stiess das Kern­an­lie­gen der Vor­la­ge bei den Stim­men­den auf gros­sen Zuspruch. Knapp sie­ben von zehn Teil­neh­men­den (69%) unter­stütz­ten die For­de­rung, dass ange­sichts der hohen Mie­ten das Ange­bot an güns­ti­gem Wohn­raum erhöht wer­den müsse.

Die Initia­ti­ve schei­ter­te jedoch, weil in der Stimm­be­völ­ke­rung die Mei­nung über­wog, dass sie zu wenig Rück­sicht auf die regio­na­len Gege­ben­hei­ten der Woh­nungs­märk­te nahm. Auf dem Land prä­sen­tie­re sich die Lage ganz anders als in den Städ­ten. Bei­na­he neun von zehn Par­ti­zi­pie­ren­den (88%) teil­ten die­se Ansicht.

Der Stimm­ent­scheid wur­de zudem stark vom Links-Rechts-Gegen­satz geprägt. Das Aus­mass der Zustim­mung nahm zu, je wei­ter links sich die befrag­ten Per­so­nen posi­tio­nier­ten. So war am lin­ken Rand des ideo­lo­gi­schen Spek­trums der Ja-Anteil (83%) rund vier Mal höher als am rech­ten Rand (21%).

Die Bür­ge­rin­nen und Bür­ger hiel­ten sich in hohem Mas­se an die Paro­len ihrer bevor­zug­ten Par­tei­en. Die Sym­pa­thi­sie­ren­den der SP (76%) und der Grü­nen (68%) nah­men die Woh­nungs­in­itia­ti­ve mehr­heit­lich an. Im Gegen­satz dazu ver­war­fen die Anhän­ger­schaf­ten von FDP (85%), SVP (76%), CVP (69%) und GLP (65%) die Vor­la­ge mehrheitlich.

Von Bedeu­tung war auch die Wohn­si­tua­ti­on der Befrag­ten. Wäh­rend Mie­ten­de die Volks­in­itia­ti­ve im Ver­hält­nis von drei zu fünf annah­men (60% Ja-Anteil), ent­schie­den sich zwei von drei Eigen­tü­me­rin­nen und Eigen­tü­mern (67% Nein-Anteil) für ein Nein.

Diskriminierungsverbot — die Anhängerschaften von CVP und FDP waren gespalten

Das Ja zum Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot auf­grund der sexu­el­len Ori­en­tie­rung war vor allem Aus­druck eines kla­ren Bekennt­nis­ses zu einer tole­ran­ten Gesell­schaft. So sprach sich eine über­wäl­ti­gen­de Mehr­heit (93%) dafür aus, dass in der Schweiz unter­schied­li­che Lebens­ar­ten und Bezie­hungs­mo­del­le ihren Platz haben müssen.

Der Kon­tra-Sei­te gelang es hin­ge­gen nicht, eine Mehr­heit von ihrem Haupt­ar­gu­ment zu über­zeu­gen, wonach die Vor­la­ge die Mei­nungs­frei­heit zu stark ein­schrän­ke. Unter den Abstim­mungs­teil­neh­men­den waren nur 41 Pro­zent damit einverstanden.

In Bezug auf den Stimm­ent­scheid erga­ben sich erheb­li­che Unter­schie­de nach Par­teiiden­ti­fi­ka­ti­on. Die Sym­pa­thi­sie­ren­den der Grü­nen (89%), der SP (87%) und der GLP (79%) nah­men die Vor­la­ge deut­lich an. Die Basis der SVP stimm­te ihrer­seits mehr­heit­lich dage­gen (73%).

Mit Zustim­mungs­ra­ten von ledig­lich 55% bzw. 56% waren die Anhän­ger­schaf­ten von CVP und FDP gespal­ten. Somit wichen beträcht­li­che Antei­le von der Ja-Paro­le ab, die bei­de Par­tei­en beschlos­sen hatten.

Hin­weis zur Zitier­wei­se: Lau­rent Bern­hard und Lau­ra Scaper­rot­ta (2020). VOTO-Stu­die zur eid­ge­nös­si­schen Volks­ab­stim­mung vom  9. Febru­ar 2020. FORS, ZDA, LINK: Lausanne/Aarau/Luzern.

Kon­takt:

  • Fra­gen zum Inhalt der Stu­die: Dr. Lau­rent Bern­hard, laurent.bernhard@fors.unil.ch

Die VOTO-Stu­die
Die VOTO-Stu­di­en sind ein gemein­sa­mes Pro­jekt von FORS, dem ZDA Aar­au und dem Befra­gungs­in­sti­tut LINK. Finan­ziert wird VOTO von der Schwei­ze­ri­schen Bun­des­kanz­lei. Die Befra­gung wird vom Bund seit Herbst 2016 neu anstel­le der VOX-Ana­ly­sen an den VOTO-Ver­bund in Auf­trag vergeben.

Für die­se Stu­die wur­den zufäl­lig aus­ge­wähl­te Stimm­be­rech­tig­te per Tele­fon­in­ter­view befragt. Die Fra­ge­for­mu­lie­run­gen, die Erhe­bun­gen sowie die Daten­ana­ly­se lie­gen in der allei­ni­gen Ver­ant­wor­tung von VOTO. Alle Berich­te, die Fra­ge­bo­gen sowie die Roh­da­ten mit Zusatz­in­for­ma­tio­nen zur Erhe­bung sind für wis­sen­schaft­li­che Zwe­cke frei zugäng­lich unter www.voto.swiss bzw. durch das FORS Daten­ar­chiv forsbase.unil.ch.

Bild: Voto

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