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VOTO-Studie zu den eidgenössischen Volksabstimmungen vom 9. Februar 2020

Laurent Bernhard, Laura Scaperrotta
26th März 2020

Am 9. Februar wurde über die Initiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» und über die Änderung des Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes («Diskriminierungsverbot») abgestimmt. Regionale Unterschiede sorgten für eine Ablehnung der Wohnungsinitiative und das Ergebnis zum Diskriminierungsverbot zeigt sich als Bekenntnis zur einer toleranten Gesellschaft.

VOTO

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Die Volksinitiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» wurde abgelehnt, obwohl eine deutliche Mehrheit der Stimmenden das Kernanliegen der Vorlage unterstützte. Das Begehren des Mieterinnen- und Mieterverbandes scheiterte jedoch, weil die Vorlage zu wenig Rücksicht auf die regionalen Unterschiede der Wohnungsmärkte nahm. Das Ja zum Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung war seinerseits Ausdruck eines klaren Bekenntnisses zu einer toleranten Gesellschaft. Dies zeigt die Analyse der Befragung von 1’506 Stimmberechtigten im Rahmen der VOTO-Studie zur eidgenössischen Abstimmung vom 9. Februar 2020. Die Studie wurde von FORS, dem ZDA und dem Befragungsinstitut LINK durchgeführt und von der Bundeskanzlei finanziert.

Wohnungsinitiative - Mehrheit für Kernanliegen

Obwohl die Wohnungsinitiative des Mieterinnen- und Mieterverbands an der Urne scheiterte, stiess das Kernanliegen der Vorlage bei den Stimmenden auf grossen Zuspruch. Knapp sieben von zehn Teilnehmenden (69%) unterstützten die Forderung, dass angesichts der hohen Mieten das Angebot an günstigem Wohnraum erhöht werden müsse.

Die Initiative scheiterte jedoch, weil in der Stimmbevölkerung die Meinung überwog, dass sie zu wenig Rücksicht auf die regionalen Gegebenheiten der Wohnungsmärkte nahm. Auf dem Land präsentiere sich die Lage ganz anders als in den Städten. Beinahe neun von zehn Partizipierenden (88%) teilten diese Ansicht.

Der Stimmentscheid wurde zudem stark vom Links-Rechts-Gegensatz geprägt. Das Ausmass der Zustimmung nahm zu, je weiter links sich die befragten Personen positionierten. So war am linken Rand des ideologischen Spektrums der Ja-Anteil (83%) rund vier Mal höher als am rechten Rand (21%).

Die Bürgerinnen und Bürger hielten sich in hohem Masse an die Parolen ihrer bevorzugten Parteien. Die Sympathisierenden der SP (76%) und der Grünen (68%) nahmen die Wohnungsinitiative mehrheitlich an. Im Gegensatz dazu verwarfen die Anhängerschaften von FDP (85%), SVP (76%), CVP (69%) und GLP (65%) die Vorlage mehrheitlich.

Von Bedeutung war auch die Wohnsituation der Befragten. Während Mietende die Volksinitiative im Verhältnis von drei zu fünf annahmen (60% Ja-Anteil), entschieden sich zwei von drei Eigentümerinnen und Eigentümern (67% Nein-Anteil) für ein Nein.

Diskriminierungsverbot - die Anhängerschaften von CVP und FDP waren gespalten

Das Ja zum Diskriminierungsverbot aufgrund der sexuellen Orientierung war vor allem Ausdruck eines klaren Bekenntnisses zu einer toleranten Gesellschaft. So sprach sich eine überwältigende Mehrheit (93%) dafür aus, dass in der Schweiz unterschiedliche Lebensarten und Beziehungsmodelle ihren Platz haben müssen.

Der Kontra-Seite gelang es hingegen nicht, eine Mehrheit von ihrem Hauptargument zu überzeugen, wonach die Vorlage die Meinungsfreiheit zu stark einschränke. Unter den Abstimmungsteilnehmenden waren nur 41 Prozent damit einverstanden.

In Bezug auf den Stimmentscheid ergaben sich erhebliche Unterschiede nach Parteiidentifikation. Die Sympathisierenden der Grünen (89%), der SP (87%) und der GLP (79%) nahmen die Vorlage deutlich an. Die Basis der SVP stimmte ihrerseits mehrheitlich dagegen (73%).

Mit Zustimmungsraten von lediglich 55% bzw. 56% waren die Anhängerschaften von CVP und FDP gespalten. Somit wichen beträchtliche Anteile von der Ja-Parole ab, die beide Parteien beschlossen hatten.

Hinweis zur Zitierweise: Laurent Bernhard und Laura Scaperrotta (2020). VOTO-Studie zur eidgenössischen Volksabstimmung vom  9. Februar 2020. FORS, ZDA, LINK: Lausanne/Aarau/Luzern.

Kontakt:

  • Fragen zum Inhalt der Studie: Dr. Laurent Bernhard, laurent.bernhard@fors.unil.ch

Die VOTO-Studie
Die VOTO-Studien sind ein gemeinsames Projekt von FORS, dem ZDA Aarau und dem Befragungsinstitut LINK. Finanziert wird VOTO von der Schweizerischen Bundeskanzlei. Die Befragung wird vom Bund seit Herbst 2016 neu anstelle der VOX-Analysen an den VOTO-Verbund in Auftrag vergeben.

Für diese Studie wurden zufällig ausgewählte Stimmberechtigte per Telefoninterview befragt. Die Frageformulierungen, die Erhebungen sowie die Datenanalyse liegen in der alleinigen Verantwortung von VOTO. Alle Berichte, die Fragebogen sowie die Rohdaten mit Zusatzinformationen zur Erhebung sind für wissenschaftliche Zwecke frei zugänglich unter www.voto.swiss bzw. durch das FORS Datenarchiv forsbase.unil.ch.

Bild: Voto