Forscher:innen spielen oft eine zentrale Rolle in der Politikgestaltung. Trotzdem werden Expertinnen häufig durch geschlechterspezifische Vorurteile benachteiligt. Eine neue Studie untersucht, ob Frauen als weniger glaubwürdig als ihre männlichen Kollegen wahrgenommen werden. Der Beitrag liefert Einblick in die öffentliche Wahrnehmung.
Einleitung
Obwohl die Bedeutung von Expert:innen für die Ausarbeitung der öffentlichen Politik allgemein anerkannt zu sein scheint, gibt es nach wie vor geschlechtsspezifische Vorurteile, welche die Anerkennung der Expertise von Frauen in verschiedenen Bereichen beeinträchtigen. Diese Vorurteile spiegeln sich in der Unterrepräsentation von Frauen an Hochschulen und in den Medien wider. Es stellt sich daher die Frage, ob Expertinnen als weniger glaubwürdig wahrgenommen werden als ihre männlichen Kollegen.
Unser Verständnis darüber, wie die Glaubwürdigkeit von Expert:innen von der Öffentlichkeit eingeschätzt wird, und insbesondere über geschlechtsspezifische Unterschiede, ist begrenzt. Diese Forschungsarbeit erweitert die bisher vorliegende Literatur und untersucht die Wahrnehmung unterschiedlicher Arten von Expert:innen. Dadurch sollen Verständnislücken geschlossen werden. Sie unterstreicht die Bedeutung der Berücksichtigung individueller Eigenschaften bei der Bewertung von Quelleneffekten, was in bisherigen Studien oft vernachlässigt wurde.
Bemerkenswerterweise widerlegen unsere Ergebnisse die Annahme, dass es sich um geschlechtsspezifische Vorurteile handelt. Sie stellen damit gängige Vorstellungen in Frage und bieten eine neue Perspektive auf den Einfluss des Geschlechts in Expertenmeinungen.
Forschungsansatz
Im Februar 2022 haben wir eine Online-Umfrage unter 1854 Schweizer Bürger:innen durchgeführt. Die Stichprobe sollte repräsentativ sein in Bezug auf Geschlecht, Bildungsstand, politische Überzeugung und Region. Aufgrund eines geplanten Oversamplings ist die französischsprachige Bevölkerung leicht übervertreten. Im Rahmen des Experiments wurde den Befragten ein sachlich korrektes und auf Deutsch und Französisch übersetztes Zitat eines Experten oder einer Expertin zu den Folgen des Klimawandels aus renommierten Medien vorgelegt (siehe Box).
Im Anschluss sollten die Befragten die Qualität des Experten bzw. der Expertin anhand einer Skala mit sechs Adjektivpaaren beurteilen. Diese bezogen sich auf die Expertise (kompetent/inkompetent, gut ausgebildet / weniger erfahren) und Glaubwürdigkeit (ehrlich/unehrlich, gerecht/ungerecht, vertrauenswürdig / nicht vertrauenswürdig).
Ergebnisse
Die Ergebnisse des Experiments widerlegen unsere Ausgangshypothese. Expertinnen werden nicht als weniger glaubwürdig wahrgenommen als ihre männlichen Kollegen. Sie erhalten im Gegenteil häufig höhere Glaubwürdigkeitswerte, insbesondere von den weiblichen Befragten. Bei den männlichen Befragten ist dieses Phänomen nicht zu beobachten. Diese machen bei der Bewertung der Glaubwürdigkeit keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern (siehe Abbildung 1). Darüber hinaus zeigt die Studie, dass es keinen signifikanten Unterschied bei der Glaubwürdigkeit zwischen Expert:innen aus den Naturwissenschaften und Expert:innen aus den Sozialwissenschaften gibt. Die Studie zeigt den potenziellen Wert einer stärkeren Vertretung von Frauen in Expertengremien, nicht nur für die Gleichstellung der Geschlechter, sondern auch für eine bessere Rezeption wissenschaftlicher Erkenntnisse in der Öffentlichkeit. Durch die Untersuchung dieser nuancierten Dynamiken ermöglicht unsere Studie ein besseres Verständnis dafür, wie Expert:innen ihre Empfehlungen effektiv an öffentliche Entscheidungsträger:innen kommunizieren können.
Abbildung 1 | Glaubwürdigkeit der Expert:innen in Abhängigkeit vom Geschlecht der Expert:innen und der Befragten
Abbildung: Alix d’Agostino, DeFacto · Hinweis: Interaktion zwischen dem Geschlecht des Experten oder der Expertin (männlich, weiblich) und dem Geschlecht des/der Befragten auf die Glaubwürdigkeit des Experten oder der Expertin. Wahrgenommener Mittelwert der vorhergesagten Glaubwürdigkeit, umgeben von 95%-Konfidenzintervallen.
Referenz:
- Bundi, P., Hanimann, A., Portmann, L., & Varone, F. (2024). The future might be female: How does the public perceive experts? Journal of European Public Policy, 1-27.
Bild: unsplash.com