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Olympische Spiele und Menschenrechte: eine sich rasant verändernde Beziehung

Eine hochaktuelle Frage

Die Fuss­ball-Welt­meis­ter­schaft, die im Dezem­ber 2022 in Katar zu Ende gegan­gen ist, hat vie­le Fra­gen zum The­ma Men­schen­rech­te auf­ge­wor­fen. Medi­en, NRO und die west­li­che Öffent­lich­keit neh­men es nicht mehr ein­fach hin, dass sol­che sport­li­chen Gross­ereig­nis­se in Län­dern aus­ge­tra­gen wer­den, in denen die Men­schen­rech­te mit Füs­sen getre­ten wer­den, oder sogar, dass Län­der, die in die­sem Bereich kei­ne weis­se Wes­te haben, dar­an teil­neh­men. Das gilt auch für die Olym­pi­schen Som­mer- und Win­ter­spie­le, die zusam­men mit der Fuss­ball-Welt­meis­ter­schaft die Gross­ereig­nis­se mit der gröss­ten Medi­en­prä­senz sind.

Die ers­ten Olym­pi­schen Spie­le der Neu­zeit fan­den 1896 statt. Die dahin­ter­ste­hen­de Idee war, dass aus einem bes­se­ren Ver­ständ­nis unter den Völ­kern durch sport­li­che Begeg­nun­gen Frie­den erwach­sen könn­te. Heu­te hat sich die­ses pazi­fis­ti­sche Ziel der berühm­ten ame­ri­ka­ni­schen His­to­ri­ke­rin Bar­ba­ra Keys (2019) zufol­ge auf das Ide­al der Ach­tung der Men­schen­rech­te ver­la­gert, ein Kon­zept, das sich seit sei­ner Popu­la­ri­sie­rung durch die All­ge­mei­ne Erklä­rung der Men­schen- und Bür­ger­rech­te zu Beginn der Fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on stark ver­än­dert hat. Die Regel­mäs­sig­keit, mit der die Spie­le mehr als ein Jahr­hun­dert lang statt­ge­fun­den haben, erlaubt es, die­se Ent­wick­lung nach­zu­zeich­nen und aktu­el­le Ereig­nis­se in den Rah­men des Völ­ker­rechts einzuordnen.

Eine Beziehung, die sich mit dem Konzept der Menschenrechte verändert hat

Die For­schung sieht vier Momen­te (vgl. Abbil­dung 1), zu denen die Men­schen­rech­te par­al­lel zur Ent­wick­lung die­ses Kon­zepts im Lau­fe der Jah­re nach und nach in den Vor­der­grund rück­ten. Zuerst gab es anläss­lich der Olym­pi­schen Spie­le in Ber­lin 1936 auf­grund der Dis­kri­mi­nie­rung, der die deut­schen Juden durch das natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Regime aus­ge­setzt waren, Boy­kott­auf­ru­fe aus den USA und Euro­pa. Nach dem Zwei­ten Welt­krieg ver­ab­schie­de­te die UNO 1948 die All­ge­mei­ne Erklä­rung der Men­schen­rech­te. Die­se Erklä­rung wur­de mit einer Rei­he von Über­ein­kom­men (Ver­trä­gen) zwi­schen Staa­ten in die Tat umge­setzt. 1960 schloss das Inter­na­tio­na­le Olym­pi­sche Komi­tee (IOC) Süd­afri­ka wegen der Apart­heids­po­li­tik aus und ver­häng­te eine Sper­re für die Spie­le. Aber auch ande­re ras­sis­ti­sche, mit der olym­pi­schen Idee unver­ein­ba­re The­men präg­ten die Spie­le. So gab es bei den Olym­pi­schen Spie­len zwi­schen 1960 und 1970 ver­schie­de­ne Boy­kotts (oder Boy­kott­an­dro­hun­gen) afri­ka­ni­scher Län­der und schwar­zen Ath­le­ten: Dies ist der zwei­te Moment. Der drit­te Moment ist Olym­pi­sche Spie­le und Men­schen­rech­te: eine sich rasant ver­än­dern­de Bezie­hung For­schungs­be­reich Sport­re­gu­lie­rung Prof. Dr. Jean-Loup Chap­pelet der der Som­mer­spie­le in Peking 2008 und der Win­ter­spie­le in Peking 2022. Die­se Spie­le wur­den trotz der Unter­drü­ckung des tibe­ti­schen und des uigu­ri­schen Vol­kes, die mit einem kul­tu­rel­len Geno­zid ver­gli­chen wird, abge­hal­ten. Der vier­te und letz­te unter­such­te Moment betrifft die Som­mer-und Win­ter­spie­le ab 2024. Das IOC hat sie mit Paris (2024), Mai­land (2026), Los Ange­les (2028) und Bris­bane (2032) alle­samt an Län­der ver­ge­ben, in denen Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen kei­ne grös­se­re Rol­le spie­len soll­ten. Es wer­den nun aber neue Rech­te gel­tend gemacht, ins­be­son­de­re von den Sport­lern, die eine Betei­li­gung an den wirt­schaft­li­chen Gewin­nen der Spie­le und Rede­frei­heit (wie bei der Fuss­ball-Welt­meis­ter­schaft in Katar und bei der Euro­pa­meis­ter­schaft 2020) fordern.

Abbildung 1. 4 Momente in den Beziehungen zwischen Olympischen Spielen und Menschenrechten

Abbil­dung: Alix d’Agostino, DeFacto

Implikationen für Entscheidungsträger:innen

Die Ver­ab­schie­dung der Leit­prin­zi­pi­en für Wirt­schaft und Men­schen­rech­te durch die UNO 2011 mar­kie­ren einen bedeu­ten­den Wen­de­punkt. Die Ach­tung der Men­schen­rech­te obliegt damit nicht mehr nur den Staa­ten, son­dern auch den Unter­neh­men, zu denen auch die gros­sen inter­na­tio­na­len Sport­ver­bän­de wie die FIFA und das IOC gehö­ren. Sie alle haben die­se Grund­sät­ze in ihren Sta­tu­ten ver­an­kert und ändern ihre Ver­trä­ge ent­spre­chend ab. Die­se Prin­zi­pi­en der Unter­neh­mens­ver­ant­wor­tung sind in der Schwei­zer Gesetz­ge­bung auf ein Mini­mum beschränkt (indi­rek­ter Gegen­vor­schlag des Bun­des­ra­tes nach einer Abstim­mung im Jahr 2020, die vom Volk, aber nicht von den Kan­to­nen ange­nom­men wur­de) und müs­sen zwei­fel­los im Hin­blick auf die Ad-hoc-Ver­ord­nung der EU, die der­zeit ver­ab­schie­det wird, ver­stärkt werden.


Bemer­kung: Die­ser Arti­kel wur­de im Rah­men des IDHEAP Poli­cy Brief No. 7 veröffentlicht.

Refe­ren­zen:

  • Chap­pelet J.-L. (2022). The Olym­pics’ evol­ving rela­ti­ons­hip with human rights: An ongo­ing affair.
    Sport in Socie­ty 25(1), 1–22.

  • Keys, Bar­ba­ra J. (2019). The Ide­als of Glo­bal Sport: From Peace to Human Rights. Phil­adel­phia, Uni­ver­si­ty of Penn­syl­va­nia Press.

Bild: unsplash.com

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