Frau Stadelmann-Steffen, wie beeinflussen Energie- und Klimapolitik die Wahlen?

Nach wie vor steht der Kli­ma­wan­del ganz oben bei den poli­ti­schen Her­aus­for­de­run­gen. Aktu­el­le Umfra­gen sehen aber die Par­tei­en mit grün im Namen eher bei den Wahl­ver­lie­re­rin­nen. Der Erfolg von 2019 wer­den sie kaum wie­der­ho­len kön­nen. Wie lässt sich das erklä­ren? Isa­bel­le Sta­del­mann-Stef­fen hat die Antworten.

Der Kli­ma­wan­del beschäf­tigt die Men­schen sehr – aber die Grü­nen wer­den ihren Wahl­er­folg von 2019 kaum wie­der­ho­len kön­nen. Ist das nicht ein Widerspruch?

Isa­bel­le Sta­del­mann-Stef­fen: Nein, ein Wider­spruch ist das nicht. 2019 war aus­ser­ge­wöhn­lich aus „grü­ner Sicht“, weil das Kli­ma­the­ma neben dem Frau­en­the­ma tat­säch­lich das domi­nan­te The­ma im Wahl­kampf war. Dies hat zu einer star­ken Mobi­li­sie­rung geführt, auch von Men­schen, die tat­säch­lich expli­zit wegen die­ses The­mas an die Urnen gin­gen. Die­ses Jahr ist es anders. Zwar geben nach wie vor vie­le Leu­te an, dass sie das Kli­ma­the­ma beschäf­tigt, aber es gibt ande­re The­men, die aktu­ell noch höhe­re Rele­vanz zuge­spro­chen bekom­men, bei­spiels­wei­se die hohen Kran­ken­kas­sen­prä­mi­en. Aus der For­schung wis­sen wir, dass die Prio­ri­sie­rung des Kli­ma­the­mas aber sehr wich­tig ist, damit sich Men­schen auch wirk­lich „grün“ ver­hal­ten, also in die­sem Fall grün wäh­len. Ist die­se abso­lu­te Prio­ri­sie­rung nicht gege­ben, dann ist hin­ge­gen zu erwar­ten, dass einer­seits man­che, die vor vier Jah­ren wegen des grü­nen The­mas wäh­len gin­gen, die­ses Mal zu Hau­se blei­ben. Ist das Kli­ma­the­ma aus­ser­dem eines unter meh­re­ren wich­ti­gen The­men, dann gibt es mög­li­cher­wei­se aus der Sicht der Wäh­ler­schaft Par­tei­en die das „Gesamt­pa­ket“ aus meh­re­ren wich­ti­gen The­men bes­ser abde­cken. Zum Bei­spiel die SP statt den Grü­nen. Oder die Mit­te statt der GLP.

Kön­nen die Par­tei­en Agen­da-set­ting betrei­ben, also kön­nen sie bestim­men, wel­che The­men kurz vor den Wah­len beson­ders stark debat­tiert werden?

Natür­lich kön­nen Par­tei­en etwa durch Initia­ti­ven gewis­se The­men pushen, aber gera­de die über­ge­ord­ne­te The­men­kon­junk­tur kön­nen sie kaum beein­flus­sen. Ein Bei­spiel ist die SVP und das Migra­ti­ons­the­ma. Vor vier Jah­ren war Migra­ti­on kein The­ma und dar­un­ter hat die SVP gelit­ten. Jetzt ist die Migra­ti­ons­fra­ge wie­der auf dem Tisch – Zum Posi­ti­ven, aber ohne wirk­li­ches Zutun der Partei.

Hat die Ener­gie­kri­se einen Ein­fluss auf den Wahl­aus­gang? Wel­che Par­tei­en pro­fi­tie­ren am ehesten?

In Umfra­ge­da­ten, die wir im Rah­men von Sweet EDGE erho­ben haben, sehen wir, dass mit der Ener­gie­kri­se The­men wie Ener­gie­si­cher­heit und Ener­gie­un­ab­hän­gig­keit in der Bevöl­ke­rung einen hohen Stel­len­wert genies­sen. Dies dürf­te ins­ge­samt am ehes­ten für die FDP oder die Mit­te eine Chan­ce sein. Indem sie sich etwa für eine Beschleu­ni­gung des Aus­baus erneu­er­ba­rer Ener­gie ein­set­zen wie jüngst mit dem „Solar­ex­press“ kön­nen sie sozu­sa­gen als Lösungs­ma­cher auf­tre­ten und gleich­zei­tig auch das Kli­ma­the­ma bewirt­schaf­ten. Damit wird gewis­ser­mas­sen der kom­pa­ra­ti­ve Vor­teil der GLP in die­sem Bereich gerin­ger. Hin­ge­gen ist die Ener­gie­kri­se für die Grü­nen eine gros­se Her­aus­for­de­rung. Sie waren schon in den letz­ten Jah­ren immer wie­der im Dilem­ma, wenn es um den Aus­bau erneu­er­ba­rer Ener­gie­in­fra­struk­tur geht. Einer­seits unter­stüt­zen sie im Sin­ne des Kli­ma­schut­zes die­sen Aus­bau, ande­rer­seits steht die­ser jedoch in einem gewis­sen Kon­flikt mit Land­schafts- und Umwelt­schutz, einem ande­ren Kern­an­lie­gen. Die­se ambi­va­len­te Posi­ti­on, die sich aktu­ell in der Nein-Paro­le der Grü­nen im Wal­lis zum „Dekret über das Bewil­li­gungs­ver­fah­ren für den Bau von Pho­to­vol­ta­ik-Gross­an­la­gen“ zeigt, ist einer kla­ren Posi­tio­nie­rung der Par­tei in Ener­gie- und Kli­ma­the­men nicht dienlich. 

Was kön­nen die Par­tei­en mit grün im Namen jetzt noch tun, damit sie bei den Wah­len bes­ser abschnei­den als bei den Prognosen?

Schluss­end­lich hängt das Resul­tat am Wahl­tag stark davon ab, wie gut sie ihre Wäh­ler­schaft noch mobi­li­sie­ren kön­nen. Gera­de die Grü­nen haben vor vier Jah­ren bei­spiels­wei­se die Pro­gno­sen am Wahl­tag noch deut­lich über­trof­fen, wahr­schein­lich nicht zuletzt auf­grund einer gelun­ge­nen Mobi­li­sie­rung zum Schluss.


Isa­bel­le Stadelmann-Steffen

Isa­bel­le Sta­del­mann-Stef­fen ist Pro­fes­so­rin für Ver­glei­chen­de Poli­tik am IPW. Ihre For­schungs­schwer­punk­te bewe­gen sich vor allem im Bereich der öffent­li­chen Poli­tik, ihr Fokus liegt dabei unter ande­rem auf der Wohl­fahrts­staats­po­li­tik und der Ener­gie­po­li­tik. Des Wei­te­ren befasst sie sich mit der direk­ten Demo­kra­tie und der poli­ti­schen Ver­hal­tens- und Einstellungsforschung.

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Bild: flickr.com

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