Wahlen 2023: steigende Bedeutung der Parteiungebundenen in der Schweiz

In der 34. Aus­ga­be der Zeit­schrift Social Chan­ge in Switz­er­land zei­gen Anke Tresch, Line Renn­wald und Lukas Laue­ner, dass der Anteil Per­so­nen, die sich kei­ner Par­tei nahe füh­len, in der Schweiz seit den 1970er Jah­ren stark gestie­gen ist. Sie umfas­sen heu­te rund 70 Pro­zent der Wahl­be­rech­tigten. Aus­ser der SVP sind alle gros­sen Par­tei­en von der Abnah­me der Par­teib­in­dun­gen betroffen.

Social Change in Switzerland

Die Aus­wer­tung aller natio­na­len Nach­wahl­be­fra­gun­gen von 1971 bis 2019 (mit über 40’000 Teil­neh­men­den) zeigt, dass sich 1971 noch mehr als die Hälf­te der Befrag­ten mit einer Par­tei iden­ti­fi­ziert hat­te. 2019 gaben jedoch nur noch 30 Pro­zent eine Par­teib­in­dung an ein im inter­na­tio­na­len Ver­gleich tie­fer Wert. Der Rück­gang der Par­tei­ge­bun­de­nen war am stärks­ten bei der ehe­ma­li­gen CVP, mit einer Abnah­me um zwei Drit­tel, gefolgt von der SP mit einer Hal­bie­rung. Umge­kehrt hat sich der Anteil der Per­so­nen, die sich mit der SVP iden­ti­fi­zie­ren, zwi­schen 1999 bis 2019 ver­dop­pelt.
Par­tei­unge­bun­de­ne haben ein gerin­ge­res Inter­es­se an Poli­tik und betei­li­gen sich weni­ger oft an eid­ge­nös­si­schen Wah­len. Sie sind damit für die Par­tei­en schwie­ri­ger zu mobi­li­sie­ren. Gleich­zei­tig sind sie eine gros­se Grup­pe, und alle Par­tei­en müs­sen einen Teil der unge­bun­de­nen Wäh­le­rIn­nen gewin­nen, um ihre Wäh­ler­an­tei­le zu hal­ten. Seit Mit­te der 1990er Jah­re ist dies der SVP am bes­ten gelun­gen. Dem­ge­gen­über hat die SP bei den Par­tei­unge­bun­de­nen unter­durch­schnitt­li­che Wahl­er­geb­nis­se erzielt.
Die typi­schen Par­tei­unge­bun­de­nen sind weib­lich, jün­ger und kon­fessions­los und ent­spre­chen damit nicht dem sozia­len Pro­fil des typi­schen SVP-Wäh­lers (männ­lich, älter, pro­tes­tan­tisch). Die Par­tei­unge­bun­de­nen sind jedoch der SVP-Wäh­ler­schaft ähn­lich hin­sicht­lich ihrer sozio­öko­no­mi­schen Merk­ma­le (häu­fig ohne Hoch­schul­ab­schluss sowie mit tie­fen bis mitt­le­ren Ein­kom­men) und ihren poli­ti­schen Ein­stel­lun­gen gegen einen EU-Bei­tritt und gegen höhe­re Sozi­al­aus­ga­ben. Vor den Wah­len 2023 prä­sen­tiert sich daher die Aus­gangs­la­ge im Kampf um die Stim­men der zahl­rei­chen Par­tei­unge­bun­de­nen für die SVP am aus­sichts­reichs­ten. Mit kla­ren For­de­run­gen zum Woh­le von Frau­en und jün­ge­ren Genera­tio­nen könn­ten aber auch die ande­ren Par­tei­en unter den Par­tei­un­ab­hän­gi­gen punk­ten.

Refe­renz:

Tresch, Anke, Renn­wald, Line, & Laue­ner, Lukas (2023). Die Ent­wick­lung der Par­teib­in­dun­gen in der Schweiz 1971-2019. Social Chan­ge in Switz­er­land, N°34, www.socialchangeswitzerland.ch

Bild: Wiki­me­dia Commons

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