In der 31. Ausgabe der Zeitschrift Social Change in Switzerland zeigen Adrien Remund und Stéphane Cullati, dass zwischen 1990 und 2014 die Lebenserwartung für Frauen um drei Jahre und für Männer um fünf Jahre gestiegen ist. Auch die Lebenserwartung bei guter Gesundheit hat um die gleiche Anzahl von Jahren zugenommen. Eine Ungleichheit bleibt jedoch bestehen: Während die Lebenserwartung bei guter Gesundheit bei AkademikerInnen stark anstieg, hat sie bei Personen ohne postobligatorischen Abschluss stagniert.
Die beiden Forscher zeigen mit den Daten der Schweizerischen Nationalkohorte und der Schweizerischen Gesundheitsbefragung, dass Personen, die im Jahr 2014 30 Jahre alt sind, mit einem Alter von 85,7 (Frauen) bzw. 81,5 (Männer) Jahren rechnen können. Das sind 3 (Frauen) bzw. 5 (Männer) Lebensjahre mehr als im Jahr 1990. Parallel dazu ist auch die Lebenserwartung bei guter Gesundheit gestiegen. Ein 30-Jähriger kann damit rechnen, bis zu einem Alter von 82,8 Jahren (Frauen) bzw. 78,8 Jahren (Männer) bei guter Gesundheit zu leben.
Im gleichen Zeitraum hat die soziale Ungleichheit vor dem Tod abgenommen, ohne jedoch zu verschwinden. Mitte der 2010er Jahre betrug der Unterschied in der Lebenserwartung zwischen Personen ohne nachobligatorische Ausbildung und HochschulabsolventInnen nurmehr 2,5 Jahre für Frauen und 5 Jahre für Männer. Auf der Ebene der Lebenserwartung bei guter Gesundheit hat sich der sozioökonomische Unterschied jedoch vergrößert. Im Jahr 1990 lebten Personen mit Universitätsabschluss 3,3 (Frauen) bzw. 7,6 (Männer) Jahre länger bei guter Gesundheit als Personen ohne nachobligatorische Ausbildung. 25 Jahre später ist dieser Unterschied auf 5 Jahre bei den Frauen und 8,8 Jahre bei den Männern angewachsen.
Diese Ergebnisse bedeuten, dass für Männer ohne nachobligatorische Ausbildung alle Lebensjahre, die seit 1990 gewonnen wurden, in schlechter Gesundheit waren. Die beiden Forscher kommen folglich zum Schluss, dass das Schweizer Gesundheitssystem eine hohe Lebenserwartung ermöglicht. Hingegen gelingt es nicht, die Gewinne in der Lebenserwartung bei guter Gesundheit allen Bevölkerungsgruppen teilkommen zu lassen. Die beiden Forscher machen dafür einen zu engen Fokus auf die Akutmedizin auf Kosten der Prävention verantwortlich.
Referenz:
- Remund, A. & Cullati, S. (2022). Ungleiche Lebenserwartung bei guter Gesundheit in der Schweiz seit 1990. Social Change in Switzerland, N°31, www.socialchangeswitzerland.ch
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