Leihmutterschaft in der Ukraine: Der Wind der Veränderung

Die Ukrai­ne ist eines der Län­der in Euro­pa, in denen Leih­mut­ter­schaft sowohl für Ukrainer:innen als auch für Ausländer:innen erlaubt ist. Die geo­gra­fi­sche Lage, das hohe Niveau der medi­zi­ni­schen Ver­sor­gung und die seit Jah­ren mode­ra­ten Prei­se haben Ausländer:innen dazu ver­an­lasst, die Leih­mut­ter­schaft in der Ukrai­ne in Anspruch zu nehmen.

Grenzen der aktuellen Gesetzgebung

Spe­zi­el­le recht­li­che Rege­lun­gen zur Leih­mut­ter­schaft kön­nen in der Anord­nung des Gesund­heits­mi­nis­te­ri­ums der Ukrai­ne “Über die Ver­ab­schie­dung der Anord­nung zur Anwen­dung der Tech­no­lo­gien der assis­tier­ten Repro­duk­ti­on in der Ukrai­ne” vom 9. Sep­tem­ber 2013 Nr. 787 (im Fol­gen­den — ART-Anord­nung) gefun­den wer­den, jedoch sieht die­se Unter­an­ord­nung haupt­säch­lich medi­zi­ni­sche Rege­lun­gen zur Leih­mut­ter­schaft, all­ge­mei­ne Anfor­de­run­gen an die Wunsch­el­tern und die Leih­mut­ter sowie all­ge­mei­ne Rege­lun­gen zur Regis­trie­rung des Kin­des vor.

Infol­ge der ART-Ver­ord­nung sind die not­wen­di­gen Bedin­gun­gen für die Leih­mut­ter­schaft folgende:

  • Medi­zi­ni­sche Indi­ka­tio­nen für Leih­mut­ter­schaft (ein­schließ­lich feh­len­de Gebär­mut­ter; Defor­ma­ti­on der Gebär­mut­ter­höh­le oder des Gebär­mut­ter­hal­ses als ange­bo­re­ne Fehl­bil­dung oder Ergeb­nis eines chir­ur­gi­schen Ein­griffs; gut­ar­ti­ge Tumo­re, die Schwan­ger­schaft und Geburt unmög­lich machen; mor­pho­lo­gi­sche oder ana­to­mi­sche Struk­tur­ver­än­de­run­gen der Gebär­mut­ter­schleim­haut, die zu einem Ver­lust der Emp­fäng­lich­keit füh­ren; Syn­echi­en der Gebär­mut­ter­höh­le, die nicht behan­del­bar sind ; Schwe­re soma­ti­sche Erkran­kun­gen, bei denen die Schwan­ger­schaft die Gesund­heit oder das wei­te­re Leben der Emp­fän­ge­rin bedroht, aber die Gesund­heit des unge­bo­re­nen Kin­des nicht beein­träch­tigt; wie­der­hol­te erfolg­lo­se Ver­su­che der assis­tier­ten Repro­duk­ti­on (vier­mal oder öfter) mit wie­der­hol­ter Erzeu­gung von hoch­wer­ti­gen Embryo­nen, deren Trans­fer nicht zu einer Schwan­ger­schaft geführt hat);
  • Doku­men­te, die für die Durch­füh­rung des Pro­gramms not­wen­dig sind und sowohl von der Leih­mut­ter als auch von den Wunsch­el­tern vor­ge­legt werden;
  • das Paar oder zumin­dest einer der Wunsch­el­tern soll­te eine gene­ti­sche Ver­bin­dung mit dem zukünf­ti­gen Kind haben;
  • die Leih­mut­ter muss kei­ne direk­te gene­ti­sche Ver­bin­dung mit dem Kind haben; enge Ver­wand­te der Wunsch­el­tern kön­nen eben­falls Leih­mut­ter sein (Mut­ter, Schwes­ter, Cou­si­ne usw.).

Wie man fest­stel­len kann, ist die Leih­mut­ter­schaft in der aktu­el­len ukrai­ni­schen Gesetz­ge­bung sehr libe­ral und all­ge­mein gere­gelt, und es ist nicht ver­wun­der­lich, dass die­se “laschen” Regeln jah­re­lang Ausländer:innen und ukrai­ni­sche Paa­re ange­zo­gen haben, sich für eine Leih­mut­ter­schaft in der Ukrai­ne zu ent­schei­den. Die­se Rege­lun­gen wei­sen jedoch eine Rei­he an Lücken auf, auf die hin­ge­wie­sen wer­den sollte.

Zunächst ein­mal gibt es kei­ne gesetz­li­che Defi­ni­ti­on der Teilnehmer:innen an Leih­mut­ter­schafts­be­zie­hun­gen. Inter­es­sant ist, dass die der­zei­ti­ge ukrai­ni­sche Gesetz­ge­bung kei­ne Anfor­de­run­gen an die Wunsch­el­tern vor­sieht, doch wäre die Ein­füh­rung sol­cher Anfor­de­run­gen ana­log zur Adop­ti­on im bes­ten Inter­es­se des künf­ti­gen Kindes.

Zwei­tens sieht die der­zei­ti­ge ukrai­ni­sche Gesetz­ge­bung einen Mecha­nis­mus vor, bei dem die staat­li­che Regis­trie­rung der Geburt des zukünf­ti­gen Kin­des vom Wil­len der Leih­mut­ter abhängt, da die Zustim­mung der Leih­mut­ter zur Regis­trie­rung der Wunsch­el­tern als Eltern des Kin­des nota­ri­ell beglau­bigt wer­den muss. In der Pra­xis ent­hält der Leih­mut­ter­schafts­ver­trag fast immer die Bestim­mung, dass die Leih­mut­ter den vol­len Betrag oder die Ver­gü­tung erhält, nach­dem sie die genann­te Zustim­mung gege­ben hat. Die­se Bestim­mung wird weit­hin kri­ti­siert, denn wenn die Leih­mut­ter der Leih­mut­ter­schaft von vorn­her­ein zuge­stimmt hat, soll­te ihre Zustim­mung zur Ein­tra­gung der Wunsch­el­tern als Eltern des Kin­des vor­aus­ge­setzt wer­den, und die Vor­la­ge der Kopie des Leih­mut­ter­schafts­ver­trags soll­te ausreichen.

Drit­tens ent­hält die ART-Ver­ord­nung eine sehr vage Rege­lung über die Form des Leih­mut­ter­schafts­ver­trags — gemäß Punkt 6.11 sol­len die Ehe­leu­te eine nota­ri­ell beglau­big­te Kopie des schrift­li­chen Ver­trags mit der Leih­mut­ter vor­le­gen. Die­se For­mu­lie­rung soll geän­dert und die nota­ri­el­le Beur­kun­dung des Leih­mut­ter­schafts­ver­tra­ges in einem beson­de­ren Gesetz gere­gelt werden.

Vier­tens gibt es kei­ne gesetz­lich fest­ge­leg­ten Anfor­de­run­gen an den Inhalt des Leih­mut­ter­schafts­ver­trags, so dass die Ver­trags­frei­heit sehr weit gefasst ist. Die­se Situa­ti­on dient nicht dem Schutz des Kin­des­wohls, da es Situa­tio­nen geben kann, in denen die Inter­es­sen des künf­ti­gen Kin­des oder die Rech­te des Neu­ge­bo­re­nen ver­letzt werden.

Die Einführung neuer rechtlicher Vorschriften

Ende 2021 und Anfang 2022 wur­de eine Geset­zes­re­form ein­ge­lei­tet, und drei Geset­zes­ent­wür­fe, die sich mit der assis­tier­ten mensch­li­chen Fort­pflan­zung befas­sen, wer­den der­zeit von der Ver­k­hov­na Rada geprüft.

Alle genann­ten Ent­wür­fe ent­hal­ten Defi­ni­tio­nen der Teilnehmer:innen an der Leih­mut­ter­schaft, legen die Bedin­gun­gen und die Rei­hen­fol­ge der Leih­mut­ter­schaft fest, lis­ten die Rech­te und Pflich­ten der Leih­mut­ter auf, füh­ren die Bestim­mun­gen und die Form des Leih­mut­ter­schafts­ver­trags auf (obwohl nicht alle Ent­wür­fe eine nota­ri­el­le Beglau­bi­gung des Leih­mut­ter­schafts­ver­trags vor­schrei­ben); legen die Bedin­gun­gen und die Rei­hen­fol­ge für die Kryo­kon­ser­vie­rung, die Lage­rung und den Trans­port der Embryo­nen und der Fort­pflan­zungs­zel­len inner­halb des ukrai­ni­schen Hoheits­ge­biets und aus die­sem her­aus fest. In Anbe­tracht der kürz­lich erfolg­ten Kan­di­da­tur der Ukrai­ne für die Euro­päi­sche Uni­on ist es sehr inter­es­sant zu sehen, wie die Geset­zes­re­form aus­fal­len wird, da die detail­lier­te Rege­lung der Leih­mut­ter­schaft für das Wohl des Kin­des von ent­schei­den­der Bedeu­tung ist. Natür­lich hat der Krieg der Rus­si­schen Föde­ra­ti­on gegen die Ukrai­ne, der am 24. Febru­ar 2022 begann, die Leih­mut­ter­schaft stark beeinträchtigt.

Die Not­fal­leva­ku­ie­rung der Leih­müt­ter, die Schwie­rig­kei­ten bei der Beschaf­fung von Trans­port­pa­pie­ren und Geburts­ur­kun­den für die Kin­der, die nach der Leih­mut­ter­schaft gebo­ren wur­den, sind nicht die ein­zi­gen Pro­ble­me, mit denen die Wunsch­el­tern und die Agen­tu­ren kon­fron­tiert waren und wei­ter­hin kon­fron­tiert sein wer­den, da der Krieg noch nicht vor­bei ist.


Hin­weis: Die­se Arbeit wur­de durch den Uni­ver­si­tä­ren For­schungs­schwer­punkt (UFSP) “Human Repro­duc­tion Rel­oa­ded | H2R” der Uni­ver­si­tät Zürich unter­stützt: https://www.humanreproduction.uzh.ch

Kate­ry­na Moska­len­ko ist als Visi­t­ing Scho­l­ars am UFSP H2R tätig (finan­ziert durch den SNF im Rah­men von Scho­l­ars at Risk).

 

Bild: Unsplash.com

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