Wie meisterten Paare die COVID-19-Pandemie?

Vom fer­nen Virus in Wuhan zum Aus­nah­me­zu­stand in der Schweiz und rund um den gan­zen Glo­bus – was lös­te die ers­te COVID-19-Wel­le in Paa­ren aus?

Genau dies haben sich auch die Pro­fes­so­rin­nen Ash­ley Rand­all und Clau­dia Chia­ro­lan­za ganz zu Beginn der Pan­de­mie gefragt und kur­zer­hand ein inter­na­tio­na­les For­schungs­pro­jekt zum The­ma gestar­tet. Kollaborator*innen auf der gan­zen Welt wur­den kon­tak­tiert, um mög­lichst vie­le Län­der in der Stu­die zu reprä­sen­tie­ren. Ins­ge­samt 27 Län­der und 92 Ko-Autor*innen beschäf­tig­ten sich mit COVID-19 und Part­ner­schaf­ten und wirk­ten im Rah­men der hier prä­sen­tier­ten Stu­die mit.

Die erste COVID-19-Welle

Ver­set­zen wir uns doch noch­mals in die ers­te Wel­le der COVID-19-Pan­de­mie. Mas­ken kann­ten wir bis­her meist nur aus Ope­ra­ti­ons­sä­len und der Impf­sta­tus war kein The­ma beim Small-Talk. Erin­nern Sie sich noch, was Ihre Gedan­ken und Gefüh­le waren, als der vom Bun­des­rat beschlos­se­ne Shut­down am 16. März 2019 ver­kün­det wur­de? Das „neue Nor­mal“ hat da sei­nen Anfang genom­men und die dama­li­gen Gemüts­zu­stän­de bil­den die Sze­ne­rie die­ser Stu­die ab. Sozia­le Kon­tak­te muss­ten auf ein Mini­mum redu­ziert, die Arbeit von zu Hau­se aus erle­digt wer­den und Kin­der mach­ten womög­lich zum ers­ten Mal die Erfah­rung, Schu­le nur noch durch den Bild­schirm des hei­mi­schen Com­pu­ters zu erle­ben. Kurz: Viel Neu­es und eine gros­se Unsi­cher­heit, die da auf uns zukam. Doch was pas­sier­te mit der Part­ner­schaft in die­ser Zeit?

COVID-19 als Stressor für Partnerschaften

Welt­weit sind Stress und Sym­pto­me von Depres­si­on und Angst wäh­rend der ers­ten COVID-19-Wel­le ange­stie­gen (Lak­han et al., 2020). Stress gene­rell wie­der­um wirkt sich nega­tiv auf indi­vi­du­el­les Befin­den und auch auf die Part­ner­schaft aus (Pie­tro­mo­na­co & Over­all, 2021; Rand­all & Boden­mann, 2017). Kön­nen sich Partner*innen in Zei­ten von Stress jedoch unter­stüt­zen, berich­ten sie über einen bes­se­res per­sön­li­ches Wohl­be­fin­den sowie über eine erhöh­te Part­ner­schafts­zu­frie­den­heit (Fal­co­nier et al., 2015, 2016; Loving & Slat­cher, 2013; Stan­ton et al., 2020). Der Umgang mit Stress scheint also von gros­ser Bedeu­tung zu sein.

Ein Kon­zept, dass sich spe­zi­fisch auf den Umgang mit Stres­so­ren in Part­ner­schaf­ten bezieht – sei es All­tags­stress oder ein grös­se­res Ereig­nis wie eine Pan­de­mie –, ist das dya­di­sche Coping (Boden­mann, 2000). Der Grund­ge­dan­ke ent­springt dem sys­te­misch-trans­ak­tio­na­len Modell (sie­he Käst­chen 1, Boden­mann, 1995, 1997, 2005), wel­ches Stress als inter­de­pen­den­tes Phä­no­men anschaut – das bedeu­tet, dass Stress inner­halb von Part­ner­schaf­ten immer bei­de Partner*innen betrifft und daher am bes­ten im Paar, ergo dya­disch, bewäl­tigt wird.

Dabei kann dya­di­sches Coping posi­tiv oder auch nega­tiv erfol­gen. Posi­ti­ves dya­di­sches Coping äus­sert sich zum Bei­spiel durch das Zei­gen von Ver­ständ­nis und Wert­schät­zung, der Über­nah­me einer Auf­ga­be oder in gemein­sa­mer Ent­span­nung mit Musik. Nega­ti­ves dya­di­sches Coping dage­gen kann sich bei­spiels­wie­se durch Äus­se­run­gen wie „Jetzt bist du schon wie­der gestresst, ent­spann dich mal!“, in Unter­stüt­zung geben und dabei die Augen ver­dre­hen oder einer unbe­tei­lig­ten Umar­mung zei­gen (Boden­mann, 2000). 

Die Stressbewältigung in Partnerschaften während COVID-19

Doch wie zeig­te sich die gros­se Unsi­cher­heit, aus­ge­löst durch die COVID-19-Pan­de­mie, nun in Part­ner­schaf­ten? Die Stu­di­en­ergeb­nis­se von ins­ge­samt 14‘020 Per­so­nen (Daten und Metho­dik sie­he Käst­chen 2) zei­gen: In der Tat nahm der berich­te­te Stress im Ver­gleich zu vor der COVID-19-Pan­de­mie in fast allen Län­dern zu (Aus­nah­men: Ita­li­en, Süd­ko­rea, Paki­stan, Gha­na, Ban­gla­desh). Wie ange­nom­men zeig­ten Per­so­nen, die in ihrem Land von über­durch­schnitt­lich wahr­ge­nom­me­nem Stress berich­ten, eine gerin­ge­re Part­ner­schafts­qua­li­tät auf (Aus­nah­men: Ban­gla­desh, Isra­el, Paki­stan, Süd­ko­rea, Tür­kei und USA). Dabei wie­sen posi­ti­ve For­men des dya­di­schen Copings in fast allen Län­dern die ange­nom­me­ne puf­fern­de Wir­kung auf, wäh­rend das nega­ti­ve Coping nur in weni­gen Län­dern den nega­ti­ven Zusam­men­hang zwi­schen COVID-19-Stress und gerin­ge­rer Part­ner­schafts­qua­li­tät ver­stärk­ten. Zusam­men­ge­fasst heisst dies: Ins­be­son­de­re das posi­ti­ve dya­di­sche Coping konn­te dazu bei­tra­gen, dass der pan­de­mie­ver­ur­sach­te Stress nicht mit gerin­ge­rer Part­ner­schafts­qua­li­tät ein­her­ging. Wäh­rend­des­sen wird dem nega­ti­ven dya­di­schen Coping wäh­rend der COVID-19-Pan­de­mie weni­ger Bedeu­tung zuge­schrie­ben. Die Resul­ta­te zeig­ten sich in den meis­ten Län­dern, jedoch nicht in allen (Rand­all et al., 2021). War­um es die­se län­der­spe­zi­fi­schen Unter­schie­de zustan­de gekom­men sind, ist jedoch nicht klar. Wei­te­re Stu­di­en müss­ten die­se Unter­schie­de genau­er untersuchen.

Und was nun?

Ob die Resul­ta­te der Unter­su­chung noch auf die jet­zi­ge Zeit über­tra­gen wer­den kann, ist frag­lich: Die all­fäl­li­ge anfäng­li­che Angst wich wohl der Gewohn­heit, das womög­lich stän­di­ge Ver­fol­gen der Nach­rich­ten der Gleich­gül­tig­keit. Doch die COVID-19-Pan­de­mie ist noch nicht vor­bei, neue Wel­len und neue Virus­va­ri­an­ten sind momen­tan aktu­ell. Dafür braucht es Stu­di­en, die Paa­re über einen län­ge­ren Zeit­raum beob­ach­ten und wie­der­hol­te Mes­sun­gen durch­füh­ren, um den Ver­lauf des Umgangs mit der COVID-19-Pan­de­mie zu erfas­sen. Die Stu­di­en­ergeb­nis­se zei­gen jedoch, dass es sinn­voll ist zu unter­su­chen, wel­chen Bei­trag die gemein­sa­me Stress­be­wäl­ti­gung im Paar dazu leis­ten kann, stress­be­zo­ge­ne Aus­wir­kun­gen der COVID-19-Pan­de­mie abzufedern.

Sys­te­misch-trans­ak­tio­na­les Stress­mo­dell (Bodenn­mann 1995, 1997, 2005)

Das sys­te­misch-trans­ak­tio­na­le Modell besagt, dass (1) Stress immer bei­de Per­so­nen in einer Part­ner­schaft betrifft, (2) dass es eine Wech­sel­wir­kung vom Stres­ser­le­ben bei­der Partner*innen gibt und (3) dass Res­sour­cen bei­der Partner*innen zur gegen­sei­ti­gen Bewäl­ti­gung von Stress genutzt wer­den kön­nen. Der Pro­zess des dya­di­schen Copings (DC) läuft wie folgt ab: Partner*in A äus­sert Stress ver­bal (in Wor­ten), para­ver­bal (z. B. zit­te­ri­ge Stim­me) oder non­ver­bal (z. B. Kör­per­spra­che und Ges­tik). Auf die­se Stres­säus­se­rung kann Partner*in B wie­der­um mit ver­schie­de­nen dya­di­schen Coping­stra­te­gien reagie­ren (z. B. auf­merk­sam zuhö­ren, in den Arm neh­men, Stress nicht ernst neh­men etc.).

Daten und Methodik
Zwi­schen März und Juli 2022 wur­de in den sozia­len Medi­en (wie z. B. Face­book, Lin­kedIn) der Link zum Online-Fra­ge­bo­gen gestreut. Ein­zel­per­so­nen, die sich seit mind. 1 Jahr in einer Part­ner­schaft befin­den und zusam­men­woh­nen, konn­ten an der Stu­die teil­neh­men. Von den ins­ge­samt 14‘020 Per­so­nen stamm­ten 419 Stu­di­en­teil­neh­men­de aus der Schweiz Die meis­ten Stu­di­en­teil­neh­men (77,4%) iden­ti­fi­zier­ten sich als weib­lich, waren durch­schnitt­lich 36 Jah­re alt (Stan­dard­ab­wei­chung 11 Jah­re) und bezeich­ne­ten sich als hete­ro­se­xu­ell (91,1%). Die durch­schnitt­li­che Part­ner­schafts­dau­ert betrug 11 Jah­re (Stan­dard­ab­wei­chung 10 Jah­re). Etwas mehr als die Hälf­te, näm­lich 58% der Paa­re waren ver­hei­ra­tet, 34% befan­den sich in einer fes­ten Part­ner­schaft und 8% waren zum Zeit­punkt der Stu­die verlobt.

Hin­weis: Der wis­sen­schaft­li­che Arti­kel steht für alle Per­so­nen (Open Access) als Down­load hier zur Ver­fü­gung https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/02654075211034236

Bild: pixabay.com

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