STAF-Vorlage: Inhalt siegte über die Form

Bei der Abstim­mung über die Vor­la­ge zur Steu­er­re­form und AHV-Finan­zie­rung (STAF) stand die Sanie­rung der AHV im Vor­der­grund. Davon pro­fi­tier­te die Unter­neh­mens­steu­er­re­form, die im Elek­to­rat umstrit­te­ner war als die Zusatz­fi­nan­zie­rung der AHV. Vie­le Stim­men­de befan­den die Kop­pe­lung bei­der Vor­la­gen zu einem Paket für kri­tisch, erblick­ten aber gleich­zei­tig eine Chan­ce, zwei drän­gen­de Pro­ble­me auf einen Schlag zu lösen. 

AHV-Steuer-Vorlage: Die AHV-Zusatzfinanzierung verhalf der Firmensteuerreform zu einer komfortablen Mehrheit

Die Ver­knüp­fung der Unter­neh­mens­steu­er­re­form mit der AHV-Zusatz­fi­nan­zie­rung zahl­te sich aus. Zum einen war die Zusatz­fi­nan­zie­rung kaum umstrit­ten und zum ande­ren beweg­te sie rund 13 Pro­zent aller Stim­men­den dazu, dem STAF-Paket trotz Vor­be­hal­ten gegen­über der Fir­men­steu­er­re­form zuzu­stim­men. Damit wur­de Letz­te­re sicher über die Ziel­li­nie gebracht. Hin­zu kam, dass die Vor­la­ge erheb­li­che Ver­ständ­nis­schwie­rig­kei­ten berei­te­te. Des­halb ori­en­tier­te sich eine unge­wöhn­lich gros­se Zahl der Stim­men­den an Stimm­emp­feh­lun­gen: Fast jede/r fünf­te Ja-Stim­men­de (19%) folg­te Emp­feh­lun­gen und Paro­len. Die­se aber lau­te­ten – anders als bei den Abstim­mun­gen über die Alters­vor­sor­ge 2020 und die Unter­neh­mens­steu­er­ge­setz­re­form III – meist Ja.

Die Geg­ner­schaft argu­men­tier­te, die Vor­la­ge sei wegen der Kop­pe­lung zwei­er sach­frem­den The­men unde­mo­kra­tisch. Dem stimm­te eine Mehr­heit des Elek­to­rats zwar zu. Gleich­zei­tig sahen jedoch vie­le Stim­men­de dar­in die Gele­gen­heit, gleich zwei drän­gen­de Pro­ble­me auf einen Schlag zu lösen. Vor die Wahl zwi­schen einem «for­ma­len» Nein und einem «inhalt­li­chen» Ja gestellt, ent­schie­den sich die meis­ten Stim­men­den zuguns­ten des Ja. Im Kon­trast dazu ver­warf nur eine klei­ne Min­der­heit die AHV-Steu­er-Vor­la­ge aus rein staats­po­li­ti­schen Erwägungen.

Umsetzung der EU-Waffenrichtlinie: Haltung zur EU zentral, aber keine Schicksalsfrage zu Europa

Der Gra­ben, der Ja- und Nein-Stim­men­de trenn­te, ver­lief in ers­ter Linie ent­lang des aus­sen­po­li­ti­schen Öff­nungs-Schlies­sungs­kon­flikts. Damit ist nicht gesagt, dass der Schutz vor Waf­fen­ge­walt kei­ne Rol­le spiel­te. Tat­säch­lich wur­de die­ses Motiv von den Ja-Stim­men­den sogar etwas häu­fi­ger genannt als Schen­gen- oder EU-bezo­ge­ne Moti­ve. In aller Regel waren die über­zeug­ten Waf­fen­geg­ne­rin­nen und ‑geg­ner aber zugleich auch für eine Öff­nungs­po­li­tik, nicht aber umge­kehrt: Der Vor­la­ge ver­hal­fen jene zu einer kom­for­ta­blen Mehr­heit, die eine Ver­schär­fung nicht (drin­gend) für not­wen­dig hiel­ten, aber die Schen­gen- und Dub­lin-Abkom­men nicht aufs Spiel set­zen wollten.

Eine typi­sche Euro­pa-Abstim­mung war das Votum zur EU-Waf­fen­richt­li­nie den­noch nicht. Denn dazu war sie vie­len Stim­men­den zu wenig bedeut­sam. Sie wur­de bei­spiels­wei­se für deut­lich weni­ger wich­tig befun­den als die STAF-Vor­la­ge oder die Selbst­be­stim­mungs­in­itia­ti­ve (2018). Das hat­te auch mit den erwar­te­ten Kon­se­quen­zen eines Neins zur EU-Waf­fen­richt­li­nie zu tun: Nur eine Min­der­heit glaub­te, ein Aus­schluss der Schweiz aus Schen­gen und Dub­lin ste­he auf dem Spiel. Die Mehr­heit war sich ziem­lich oder ganz sicher, dass die Schweiz ihre Schen­gen- und Dub­lin-Mit­glied­schaft auch bei einer Ableh­nung der Vor­la­ge nicht ver­lie­ren wür­de. Das erklärt auch die für eine euro­pa­po­li­ti­sche Abstim­mung unge­wöhn­lich tie­fe Stimmbeteiligung.

Die VOTO-Stu­die
Die VOTO-Stu­di­en sind ein gemein­sa­mes Pro­jekt des For­schungs­zen­trums FORS, dem Zen­trum für Demo­kra­tie Aar­au (ZDA) und dem Befra­gungs­in­sti­tut LINK. Finan­ziert wird VOTO von der Schwei­ze­ri­schen Bun­des­kanz­lei. Die Befra­gung wird vom Bund seit Herbst 2016 neu anstel­le der VOX-Ana­ly­sen an den VOTO-Ver­bund in Auf­trag gegeben.

Alle Berich­te, die Fra­ge­bo­gen sowie die Roh­da­ten mit Zusatz­in­for­ma­tio­nen zur Erhe­bung sind für wis­sen­schaft­li­che Zwe­cke frei zugäng­lich unter www.voto.swiss bzw. durch das FORS-Daten­ar­chiv forsbase.unil.ch.

Die Ana­ly­sen der VOTO-Stu­die beru­hen auf einer Befra­gung von 1’519 Stimm­be­rech­tig­ten zur eid­ge­nös­si­schen Volks­ab­stim­mung vom 19. Mai 2019. Die Stu­die wur­de vom Zen­trum für Demo­kra­tie Aar­au (ZDA), von FORS und dem Befra­gungs­in­sti­tut LINK durch­ge­führt und von der Bun­des­kanz­lei finanziert.


Refe­renz:

Tho­mas Milic, Ales­san­dro Fel­ler und Dani­el Küb­ler (2019). VOTO-Stu­die zur eid­ge­nös­si­schen Volks­ab­stim­mung vom 19. Mai 2019. ZDA, FORS, LINK: Aarau/Lausanne/Luzern.

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