Eine Analyse der U.S. Präsidentschaftswahlen 2016 aus der Perspektive des politischen Marketings

Die amerikanischen Präsidentschaftswahlen 2016 werden als grosse Überraschung in die Geschichte eingehen: Donald Trump verliert zwar das Volksmehr knapp (er holte 47.5 Prozent der Stimmen, Hillary Clinton 47.7 Prozent), sammelt aber mindestens 290 Elektorenstimmen und wird damit zum Präsidenten der USA.

Während des Wahlkampfs wurde viel darüber geschrieben, dass beide Kandidaten notorisch unbeliebt sind. Dies blieb gemäss den sogenannten Exit Polls, den Umfragen am Wahltag selbst, auch bis zum Schluss so. Der springende Punkt dabei ist aber der Folgende: 18 Prozent der Wählerinnen und Wähler hatten eine negative Meinung von beiden Kandidaten. Innerhalb dieser Gruppe erzielte Trump 49 Prozent der Stimmen, Clinton gerade mal 29 Prozent.

Bei der Auswahl zwischen dem bekannten Übel und dem Übel, welches einen Kurswechsel verspricht, haben mehr Amerikanerinnern und Amerikaner den Wechsel gewählt. Das ist das ganze Rennen in einem Satz zusammengefasst.

Offensichtlich hat sich praktisch die ganze Industrie der Umfrageinstitute und Prognosemodelle geirrt. Was ist schiefgelaufen? Nun, zuerst einmal gab es zwei Umfragen (USC/L.A. Times, IBD/TIPP), welche während den letzten Monaten permanent ein deutlich knapperes Rennen gezeigt haben. Was die anderen angeht, gibt es verschiedene mögliche Erklärungsansätze:

  1. Manche Befragte haben gelogen.
  2. Die Umfrageinstitute haben die Rohdaten falsch gewichtet.
  3. Es gab während der  letzten Tagen des Wahlkampfs eine Bewegung hin zu Trump.

Der erste Punkt hat möglicherweise bei Frauen eine Rolle gespielt. Einige Umfrageinstitute entdeckten Hinweise, dass Frauen eher nicht zugeben wollten, Trump zu wählen. Denn in der Tat: 53 Prozent der weissen Frauen in den USA haben am Wahltag Trump gewählt und nur 43 Prozent Clinton. (Bei den weissen Frauen ohne Universitätsabschluss haben 62 Prozent Trump gewählt, 34 Prozent der Stimmen gingen an Hillary Clinton).

Die zweite mögliche Erklärung scheint mir allerdings wichtiger: Wie bei uns in der Schweiz nimmt auch in den USA nur etwa die Hälfte der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger tatsächlich an den Wahlen teil. Auch an Umfragen nehmen nicht alle Angefragten teil. Folglich müssen die Umfrageinstitute ihre Rohdaten gewichten. Dabei machen sie Annahmen darüber, wie sich das Wahlvolk soziodemographisch zusammensetzen wird. Wenn sich diese Annahmen als falsch entpuppen, sind die Resultate der Umfragen nicht richtig. So wurde in diesem Wahlgang beispielsweise die Stimmbeteiligung im ländlichen, weissen Amerika unterschätzt. Umfragen sind und bleiben deshalb immer nur eine Annäherung an die Wahrheit.

Schliesslich scheint mir auch der dritte Punkt wichtig. Hillary Clinton blieb in den allermeisten Umfragen vor den Wahlen unter der kritischen Marke von 50 Prozent. Dies ist insofern wichtig, als dass es eine potentielle Anti-Clinton Mehrheit gab. Auch zu den besten Zeiten des Wahlkampfes konnte das Team von Clinton diese Marke von 50 Prozent nie knacken.

So hat ein Insider der Clinton-Kampagne auf der Webseite Politico wohl treffend beschrieben, dass sich ihre Kampagne nicht wie eine Niederlage, aber auch nie wirklich wie ein Sieg anfühlte.

Die FBI-Untersuchung sowie die Bekanntgabe der Erhöhung der Krankenkassenprämien haben Clinton in der Schlussphase des Wahlkampfs sicher nicht zu mehr Beliebtheit verholfen. Gemäss den Exit Polls haben 13 Prozent der Wählenden während der letzten Woche entschieden, wem sie ihre Stimme geben werden. Innerhalb dieser Gruppe hatte Trump mit 47 Prozent einen klaren Vorsprung gegenüber Clinton, die auf 42 Prozent kam.

Bei allen drei möglichen Erklärungen scheinen die sogenannten Reagan Democrats im Zentrum zu stehen. Sie spielten eine Schlüsselrolle im Kippen der Elektorenstimmen. Dabei handelt es sich um weisse Arbeitnehmer in den ehemals industriellen Staaten wie Pennsylvania, Michigan oder Wisconsin. Sie wählten traditionellerweise demokratisch, schwenkten in den 1980er Jahren dann aber um zu Ronald Reagan, einem populistischen, patriotischen Outsider und ehemaligen Schauspieler. Es scheint, als wäre dieses Jahr etwas Ähnliches passiert. In Pennsylvania zum Beispiel waren 19 Prozent des Stimmvolkes weisse Männer ohne Universitätsabschluss. 71 Prozent von ihnen wählten Trump, nur 26 Prozent votierten für Clinton.

Das wichtigste der Kampagne: die Message

Etwas vom wichtigsten, das ein Kampagnenteam machen muss, ist das Formulieren und Kommunizieren einer kohärenten Message. Die Botschaft der Trump-Kampagne sollte etwa wie folgt lauten:

Donald Trump ist nicht einer der zahlreichen Karrierepolitiker in Washington D.C. Stattdessen hat er ein boomendes Geschäftsimperium aufgebaut. Er schuldet niemandem im Establishment etwas und ist deshalb die richtige Führungsperson, um einen Wechsel für die vergessene Mittelklasse herbeizuführen. Er wird unsere Grenzen schützen und bessere Freihandelsverträge aushandeln. Hillary Clinton auf der anderen Seite ist seit drei Jahrenzehnten in der Politik – viele Versprechungen, Partikularinteressen und Kontroversen, wenig Handlung. Donald Trump hingegen wird Amerika wieder reich, sicher und grossartig machen. 

Diese Message entspricht klar der politischen Nachfrage. Alle Umfragen während der ganzen Kampagne haben gezeigt, dass rund zwei Drittel des Stimmvolkes findet, dass das Land in die falsche Richtung geht. Dies ist der Nährboden für einen Herausforderer wie Trump. Seine Message ist auch mehr in sync mit der politischen Nachfrage als Clintons Botschaft betreffend Erfahrung.

Die Wählerinnen und Wähler wollten mehrheitlich jemanden an der Spitze sehen, der einen Wechsel herbeiführen kann. Für 39 Prozent der Befragten handelte es sich dabei um die wichtigste Anforderung an die Kandidaten. Von dieser Gruppe stimmten 83 Prozent für Trump und nur 14 Prozent für Clinton.

 Trump war ein undisziplinierter Kandidat

Zudem muss man anfügen, dass Trump wohl der undisziplinierteste Präsidentschaftskandidat aller Zeiten war. Er zettelte diverse mediale Kontroversen an, in Folge deren er von der oben formulierten Message abwich. Aber: Keine der diversen Kontroversen kreierte einen Widerspruch zur Message – sie hatten zahlreiche Ablenkungen zur Folge, aber keinen direkten Widerspruch. Wenn Trump als Kandidat disziplinierter vorgegangen wäre, hätte er wohl auch das Volksmehr gewinnen können.

Fairerweise muss man auch festhalten: Nicht alles an einer erfolgreichen Kampagne ist gut und nicht alles an einer erfolglosen Kampagne ist schlecht. Eine Kampagne muss man als Serie von strategischen Entscheiden sehen und konzipieren. Diesbezüglich hat die Clinton-Kampagne aber sicher einen entscheidenden Fehler gemacht: Sie hat die Gefahr Trumps in den oben erwähnten Staaten des mittleren Westens ( Michigan, Pennsylvania und Wisconsin) unterschätzt.

Das Magazin Atlantic’s schreibt, dass die Clinton-Kampagne Ende November in den Bundesstaaten Florida, North Carolina und Ohio rund 180 Millionen Dollar in Fernsehwerbung investierte, in Michigan, Wisconsin und Colorado waren es gerade mal 16 Millionen Dollar. Dies war ein Fehlentscheid, welcher das Team Clinton wohl noch eine Weile bereuen wird.

Hinweis: Der Autor analysiert diesen historischen Wahlkampf und die Lehren daraus am nächsten Montag, den 21.November, an einem eintägigen Seminar in Zürich. Weitere Informationen dazu hier.


Titelbild: Donald-Trump-Wahlbüro in Fayetteville, North Carolina. Fotografiert von Tobias Koch, CC-BY-SA.

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KategorienInternationale BeziehungenThemen
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