Wenn Finanzdirektoren am selben Tisch sitzen

Kan­to­ne, die in gemein­sa­men Fach­gre­mi­en zusam­men­ar­bei­ten, hal­ten sich beim gegen­sei­ti­gen Steu­er­wett­be­werb eher zurück. Das zeigt unse­re Unter­su­chung. Sie könn­te auch wich­ti­ge Hin­wei­se für den Umgang mit dem inter­na­tio­na­len Steu­er­wett­be­werb liefern.

Wer regel­mäs­sig mit jeman­dem zusam­men­ar­bei­tet, begeg­net die­sem Kol­le­gen übli­cher­wei­se anders als einem unbe­kann­ten Geschäfts­part­ner. Das gilt offen­bar auch für Kan­to­ne: Jene Kan­to­ne, die in der­sel­ben Finanz­di­rek­to­ren­kon­fe­renz wir­ken, betrei­ben unter­ein­an­der einen weni­ger akti­ven Steu­er­wett­be­werb als mit ande­ren Kan­to­nen. Das zeigt unse­re Stu­die, die soeben im Bri­tish Jour­nal of Poli­ti­cal Sci­ence erschie­nen ist.

Wir erklä­ren es uns so, dass die ent­spre­chen­den Kan­to­ne län­ger­fris­ti­ge Bezie­hun­gen bil­den, die den gegen­sei­ti­gen Kon­kur­renz­kampf um tie­fe­re Steu­er­sät­ze dämp­fen. Dies kann als eine Art Neben­ef­fekt aus der Zusam­men­ar­beit, die eigent­lich auf fach­li­che The­men wie etwa gemein­sa­me Schu­lun­gen aus­ge­rich­tet ist, betrach­tet wer­den. Offen­bar bil­de­ten sich über den regel­mäs­si­gen per­sön­li­chen Aus­tausch sozia­le Nor­men bezüg­lich eines „akzep­ta­blen Mas­ses an Wett­be­werb“ heraus.

Tiefe Steuersätze ziehen tiefe Steuersätze in anderen Kantonen nach sich

Für unse­re Unter­su­chung haben wir die Ver­än­de­run­gen der kan­to­na­len Ein­kom­mens­steu­er­sät­zen für ein ver­hei­ra­te­tes Paar ohne Kin­der in unter­schied­li­chen Ein­kom­mens­klas­sen von 1990 bis 2007 unter­sucht. Dabei stell­ten wir eine posi­ti­ve Kor­re­la­ti­on zwi­schen Ver­än­de­run­gen in einem Kan­ton und Ver­än­de­run­gen in Kon­kur­renz­kan­to­nen fest. Kon­kret heisst dies, dass wenn ein Kan­ton den Steu­er­satz tie­fer setz­te, die Kon­kur­ren­ten ten­den­zi­ell in die­sel­be Rich­tung nachzogen.

Als Kon­kur­renz­kan­to­ne defi­nier­ten wir mit­hil­fe der Pend­ler­sta­tis­tik Kan­to­ne, in die Ein­woh­ner ihren Wohn­sitz ver­le­gen könn­ten, ohne ihre Arbeits­stel­le wech­seln zu müs­sen. Mög­li­che Bei­spie­le wären etwa Bern und Fri­bourg oder Zürich und Schwyz oder Schwyz und Zug.

Abbildung 1

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Hin­weis: Die Kar­te zeigt die kan­to­na­len Ein­kom­mens­steu­er­sät­ze in Pro­zent für ein ver­hei­ra­te­tes Paar ohne Kin­der mit einem steu­er­ba­ren Ein­kom­men von CHF 200’000 für das Jahr 2007.

Finanzdirektorenkonferenz wirkt bremsend auf Steuersatzwettbewerb

Die­se Kor­re­la­ti­on war jedoch schwä­cher bei Kan­to­nen, die in der­sel­ben Finanz­di­rek­to­ren­kon­fe­renz wir­ken. Die­se Kan­to­ne reagier­ten also weni­ger stark auf Aktio­nen ihrer Nachbarn.

«Unse­re Erkennt­nis­se stüt­zen die Annah­me, dass sozia­le Bezie­hun­gen die Ent­ste­hung und Durch­set­zung von Nor­men bezüg­lich eines akzep­ta­blen Mas­ses an Wett­be­werb fördern.»

Fabri­zio Gilar­di, Fabio Wasserfallen

Unse­re sta­tis­ti­schen Ana­ly­sen ergänz­ten wir mit Befra­gun­gen von Mit­glie­dern zur Funk­ti­ons­wei­se und Arbeits­kul­tur in den Kon­fe­ren­zen. Die­se bestä­tig­ten, dass steu­er­po­li­ti­sche Ent­schei­de ein­zel­ner Kan­to­ne – obwohl frag­los in deren Sou­ve­rä­ni­tät – im Gre­mi­um „offen ange­spro­chen“ und gele­gent­lich auch kri­ti­siert wür­den. Dies sol­le Nach­ah­mer bremsen.

Die mög­li­cher­wei­se schäd­li­chen Aus­wir­kun­gen eines aggres­si­ven inter­na­tio­na­len Steu­er­wett­be­werbs wer­den in der poli­to­lo­gi­schen For­schung seit über drei Jahr­zehn­ten dis­ku­tiert. Die Erkennt­nis­se aus der Schweiz könn­ten wich­ti­ge Hin­wei­se lie­fern für den Umgang damit: Statt Tief­steu­er­län­der an den Pran­ger zu stel­len, soll­ten Staa­ten mög­li­cher­wei­se die insti­tu­tio­na­li­sier­te Zusam­men­ar­beit in Fach­gre­mi­en stär­ken. Die so eta­blier­ten per­sön­li­chen Bezie­hun­gen könn­ten län­ger­fris­tig einem all­zu star­ken Kon­kur­renz­kampf ent­ge­gen wirken.

Hin­weis: Die­ser Bei­trag ist eine Kurz­fas­sung von Gilar­di, Fabri­zio und Fabio Was­ser­fal­len (2016). “How Socia­liz­a­ti­on Atte­nua­tes Tax Com­pe­ti­ti­on”, Bri­tish Jour­nal of Poli­ti­cal Sci­ence, 46(1): 45–65.


Titel­bild: Wiki­me­dia Commons

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