Der Liechtensteiner Landtag: Repräsentative Demokratie im Zusammenspiel mit konstitutioneller Monarchie und direkter Demokratie

Das Parlament des Fürstentums Liechtenstein – der Landtag – ist in ein vielschichtiges und wohl einzigartiges politisches System eingebettet. Einerseits ist Liechtenstein eine konstitutionelle Erbmonarchie mit einem Fürsten als Staatsoberhaupt. Andererseits gibt es eine breite Palette direktdemokratischer Instrumente. Diese reicht von Gesetzes- und Verfassungsinitiativen über Referenden bis hin zum Begehren auf Abschaffung der Monarchie. Diese enge Verzahnung von Monarchie, direkter Demokratie und repräsentativer Demokratie wird im Folgenden kursorisch anhand von drei ausgewählten Schlaglichtern illustriert.

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Wahl, Einberufung, Schliessung und Auflösung des Landtags

Der Landtag ist eines der kleinsten nationalen Parlamente weltweit. Seine 25 Abgeordneten werden alle vier Jahre in demokratischen Wahlen bestimmt und vom Fürsten vereidigt. Sie nehmen ihr Amt als Milizparlamentarierinnen und -parlamentarier wahr.

Abbildung 1: Sitzverteilung des Landtags 2025-2029

Abbildung 1: Sophie De Stefani, DeFacto · Datenquelle: Landtag.li

Jeweils zu Jahresbeginn wird der Landtag durch eine fürstliche Verordnung einberufen und gegen Jahresende wieder geschlossen. Auch die Stimmberechtigten können mittels Unterschriftensammlung die Einberufung des Landtags verlangen. Über die blosse Einberufung und Schliessung hinaus geht die Möglichkeit zur Auflösung des Landtags. Diese kann entweder vom Fürsten aus erheblichen Gründen angeordnet oder vom Volk in einer Volksabstimmung verlangt werden. Eine solche Abstimmung hat es bislang jedoch nicht gegeben. Im Frühjahr 2022 scheiterte ein Begehren im Zuge der Corona-Pandemie bereits im Sammelstadium und 1928 kam der Fürst einer Volksabstimmung durch vorzeitige Auflösung des Landtags zuvor. Seit Inkrafttreten der heutigen Verfassung im Jahr 1921 wurde der Landtag insgesamt sieben Mal vorzeitig aufgelöst, zuletzt 1993. Während des Zweiten Weltkriegs verlängerte der Fürst die Legislaturperiode zudem per Verordnung bis zum Kriegsende.

Gesetzgebung zwischen Initiativen, Referenden und fürstlichem Sanktionsrecht

Zur Erfüllung ihrer Aufgaben nutzen die Landtagsabgeordneten unter anderem die parlamentarischen Instrumente Initiative, Motion, Postulat und Interpellation (Abbildung). Die meisten Gesetzesvorlagen stammen aber von der Regierung. Daneben können auch die Stimmberechtigten durch Volksinitiativen Gesetzesvorschläge einbringen. Seit 1921 wurden 43 Volksinitiativen zur Abstimmung gebracht. Demgegenüber kann der Fürst Gesetzesvorlagen ausschliesslich über Regierungsvorlagen einbringen, wobei er die Regierung rechtlich nicht verpflichten kann, eine Vorlage in seinem Sinne vorzulegen.

Abbildung 2: Parlamentarische Eingänge nach Legislaturperiode

Abbildung 2: Sophie De Stefani, DeFacto · Datenquelle: Landtag.li

Gegen alle nicht als dringlich erklärten Gesetzesbeschlüsse des Landtags kann das Referendum ergriffen werden. Auch der Landtag selbst kann eine Volksabstimmung über seine Beschlüsse anordnen. Das letzte Wort im Gesetzgebungsverfahren hat jedoch der Fürst: Ohne seine Zustimmung (Sanktion) kann kein Gesetz in Kraft treten – selbst bei Annahme in einer Volksabstimmung. Sanktionsverweigerungen sind zwar selten, doch bereits ihre Androhung kann das Verhalten von Landtag, Regierung und Stimmvolk beeinflussen.

(Ab-)Wahl von Regierung und Nomination von Richterinnen und Richtern

Bei Wahlgeschäften können ebenfalls mehrere der drei Institutionen beteiligt sein. So wird beispielsweise die Landesregierung vom Fürsten auf Vorschlag des Landtags ernannt. Einer amtierenden Regierung können sowohl der Landtag als auch der Fürst das Vertrauen entziehen, woraufhin der Fürst eine interimistische Übergangsregierung bestimmt. Darüber hinaus können Fürst und Landtag gemeinsam ein einzelnes Regierungsmitglied entlassen.

Auch bei Richterwahlen sind Fürst, Landtag und gegebenenfalls das Stimmvolk involviert. Die Auswahl möglicher Kandidierender übernimmt ein Gremium unter dem Vorsitz des Fürsten, in dem auch Landtagsmitglieder vertreten sind. Stimmt das Plenum des Landtags der vorgeschlagenen Person zu, ernennt der Fürst sie zur Richterin bzw. zum Richter. Lehnt der Landtag die Person ab und kommt es innerhalb von vier Wochen zu keiner Einigung mit dem Auswahlgremium, schlägt der Landtag eine Gegenkandidatur vor und es wird eine Volksabstimmung angesetzt. Auch das Volk kann in diesem Fall eigene Kandidierende nominieren. Eine solche Volksabstimmung hat es bislang nicht gegeben.

Fazit

Die Beschränkung auf wenige Schlaglichter wird der Komplexität des politischen Systems Liechtensteins selbstverständlich nicht gerecht. Die vorangehenden Ausführungen haben jedoch exemplarisch aufgezeigt, dass die Landtagsabgeordneten ihre Aufgaben in einem einzigartigen Zusammenspiel von Monarchie, repräsentativer und direkter Demokratie wahrnehmen. Umfragen belegen, dass ihnen dies insgesamt gut gelingt. Stabile Mehrheiten der Stimmbürgerschaft sprechen dem Landtag und dem Fürstenhaus ihr Vertrauen aus und äussern eine hohe Zufriedenheit mit dem Funktionieren der Demokratie in ihrem Land.


Referenz

Abbildung: Wikimedia.org

 

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