Frauen sind in Schweizer Medien deutlich unterrepräsentiert

Frau­en sind in der Bericht­erstat­tung von Schwei­zer Nach­rich­ten­me­di­en nach wie vor deut­lich weni­ger prä­sent als Män­ner. Nur knapp jede vier­te Per­son, über die berich­tet wird, ist weib­lich. Der Gen­der Gap blieb seit 2015 über alle Sprach­re­gio­nen und Medi­en­ty­pen hin­weg nahe­zu unver­än­dert. Am höchs­ten ist er in Sport und Wirt­schaft, am gerings­ten bei Kul­tur und Human-Inte­rest-The­men. Wenn Pri­va­tes the­ma­ti­siert wird, ist der Gen­der Gap zudem gerin­ger, als wenn pro­fes­sio­nel­le Rol­len im Zen­trum stehen.

Das For­schungs­zen­trum Öffent­lich­keit und Gesell­schaft (fög) und das Insti­tut für Kom­mu­ni­ka­ti­ons­wis­sen­schaft und Medi­en­for­schung (IKMZ) der Uni­ver­si­tät Zürich haben die Dar­stel­lung von Frau­en in Schwei­zer Online- und Print­me­di­en unter­sucht. Die Resul­ta­te einer auto­ma­ti­sier­ten Inhalts­ana­ly­se auf Basis von 106’706 Medi­en­bei­trä­gen zei­gen, dass Frau­en im Ver­gleich zu Män­nern in Schwei­zer Medi­en nach wie vor deut­lich unter­ver­tre­ten sind. Zwi­schen 2015 und 2020 sta­gniert die Anzahl an Bei­trä­gen, in denen Frau­en erwähnt wer­den, auf tie­fem Niveau. Im Schnitt beträgt der Frau­en­an­teil 23 Pro­zent. Ein leicht höhe­rer Wert von 25% wur­de ledig­lich im Jahr 2019 gemes­sen, das geprägt war vom Frau­en­streik und den eid­ge­nös­si­schen Wah­len. Dies deu­tet dar­auf hin, dass sich das Enga­ge­ment für Gleich­stel­lung in der Gesell­schaft aus­zahlt. Die­se posi­ti­ve Ver­än­de­rung war jedoch nicht nach­hal­tig und ver­flüch­tig­te sich wie­der im Jahr 2020.

Kaum Unterschiede bei Sprachregionen und Medientypen

In den gros­sen Sprach­re­gio­nen zei­gen sich nur gering­fü­gi­ge Unter­schie­de. In Deutsch­schwei­zer Medi­en beträgt der Frau­en­an­teil in der Bericht­erstat­tung 23 Pro­zent, in den Medi­en der Suis­se roman­de und der Sviz­ze­ra ita­lia­na jeweils 24 Pro­zent. Eben­falls nur sehr gerin­ge Unter­schie­de bestehen zwi­schen den Medi­en­ty­pen. Der Frau­en­an­teil bewegt sich zwi­schen 22 Pro­zent bei den gedruck­ten Abon­ne­ments­zei­tun­gen und 26 Pro­zent bei den Online-Por­ta­len der Schwei­ze­ri­schen Radio- und Fern­seh­ge­sell­schaft (SRG).

Repräsentation von Frauen stark themenabhängig

Der Frau­en­an­teil hängt stark vom Bei­trags­the­ma ab. Die gerings­ten Frau­en­an­tei­le bestehen in Sport- (13% Frau­en­an­teil) und Wirt­schafts­nach­rich­ten (17% Frau­en­an­teil). Am höchs­ten ist ihr Anteil bei Human-Inte­rest-The­men (31%) und in der Kul­tur­be­richt­erstat­tung (27%). Die Poli­tik­be­richt­erstat­tung liegt mit einem Frau­en­an­teil von 23 Pro­zent im Durch­schnitt. Es sind also die eher mit Män­nern asso­zi­ier­ten The­men­be­rei­che Sport und Wirt­schaft, die beson­ders tie­fe Frau­en­an­tei­le auf­wei­sen. Im Kul­tur­be­reich oder in Soft-News aus dem Human-Inte­rest-Bereich ist das Ver­hält­nis hin­ge­gen etwas aus­ge­gli­che­ner, obwohl Män­ner auch hier dominieren.

Grössere Differenzen bei den einzelnen Medien

Deut­li­che­re Unter­schie­de zei­gen sich auf Ebe­ne der ein­zel­nen Medi­en­ti­tel, auch wenn der Gen­der Gap in allen unter­such­ten Medi­en besteht. Der Frau­en­an­teil beträgt je nach Medi­um zwi­schen 19 und rund 29 Pro­zent. Die höchs­ten Frau­en­an­tei­le wei­sen Die Wochen­zei­tung WoZ (29%), rts.ch (27%) und blick.ch (26%) auf. In der Neu­en Zür­cher Zei­tung (NZZ) (19%), watson.ch (20%) und Der Bund (20%) sind Frau­en am wenigs­ten prä­sent. Das the­ma­ti­sche Pro­fil der Medi­en bestimmt mit, wie aus­ge­prägt der Gen­der Gap aus­fällt. Ein star­ker Fokus auf Wirt­schaft oder Sport erhö­hen die­sen, eine grös­se­re Gewich­tung von Kul­tur oder Human-Inte­rest-The­men haben einen weni­ger aus­ge­präg­ten Gen­der Gap zur Folge.

Höhere Frauenpräsenz in ressourcenintensiven Beiträgen

Auch das Bei­trags­for­mat spielt eine Rol­le: Die Prä­senz von Frau­en fällt dop­pelt so hoch aus bei der redak­tio­nel­len Bericht­erstat­tung als bei Medi­en­bei­trä­gen, die auf Agen­tur­mel­dun­gen basie­ren. Wenn also Jour­na­lis­tin­nen und Jour­na­lis­ten Bei­trä­ge sel­ber schrei­ben, wird die Medi­en­prä­senz von Frau­en posi­tiv beein­flusst. Ver­mut­lich kann in der redak­tio­nel­len Bericht­erstat­tung die Wahl von Quel­len oder die The­ma­ti­sie­rung von Akteu­rin­nen und Akteu­ren eher gesteu­ert wer­den als bei der Ver­ar­bei­tung von Agen­tur­mel­dun­gen. Das deckt sich mit dem Befund, dass Frau­en bei per­so­nen­zen­trier­ten For­ma­ten prä­sen­ter sind als in Berich­ten und Meldungen.

Frauen weniger in professionellen Rollen dargestellt

Zusätz­lich haben die Autorin­nen und Autoren in einer ver­tie­fen­den manu­el­len Ana­ly­se unter­sucht, wie und in wel­chem Kon­text über Frau­en im Jahr 2020 berich­tet wird. Es zeigt sich: Frau­en wer­den im Ver­gleich zu Män­nern sel­te­ner in beruf­li­chen und öffent­li­chen Kon­tex­ten dar­ge­stellt (24% Frau­en­an­teil, 76% Män­ner­an­teil). Wenn über Pri­va­tes berich­tet wird, ist der Gen­der Gap weni­ger aus­ge­prägt (33% Frau­en­an­teil, 67% Män­ner­an­teil). Nur rund 21 Pro­zent aller sicht­ba­ren Spre­che­rin­nen und Spre­cher von Orga­ni­sa­tio­nen und 23 Pro­zent aller Exper­tin­nen und Exper­ten in der Medi­en­be­richt­erstat­tung sind weib­lich. Bei Per­so­nen, die Füh­rungs­ver­ant­wor­tung tra­gen und in ihrer Lei­tungs­funk­ti­on spre­chen, sind Frau­en beson­ders stark unterrepräsentiert.

Ungleichheiten minimieren

Die aktu­el­le Reprä­sen­ta­ti­on von Frau­en in Schwei­zer Nach­rich­ten­me­di­en ist klar unge­nü­gend. Gera­de für eine Demo­kra­tie ist es wich­tig, dass sich alle gesell­schaft­li­chen Grup­pen mit ihren ver­schie­de­nen Stim­men in den öffent­li­chen Dis­kurs ein­brin­gen kön­nen. Die star­ke Unter­re­prä­sen­ta­ti­on von Frau­en in Schwei­zer Medi­en ist ein Ergeb­nis von bestehen­den gesell­schaft­li­chen Struk­tu­ren und jour­na­lis­ti­schen Rou­ti­nen. Die Medi­en sind gefor­dert, zukünf­tig für eine aus­ba­lan­cier­te­re Bericht­erstat­tung zu sor­gen, Frau­en ver­mehrt als Exper­tin­nen, Spre­che­rin­nen und Füh­rungs­per­so­nen zu Wort kom­men zu las­sen und damit zu einem Abbau gesell­schaft­li­cher Ungleich­hei­ten bei­zu­tra­gen. Die Stu­di­en­ergeb­nis­se legen nahe, dass es dafür vor allem eine Stär­kung jour­na­lis­ti­scher Recher­che und ent­spre­chen­de Res­sour­cen braucht.


Refe­renz:

Schwai­ger, Lisa; Dani­el Vog­ler, Sil­ke Fürst, Sabri­na Hei­ke Kess­ler, Edda Humprecht, Corin­ne Schwei­zer und Mau­de Riviè­re (2021). Dar­stel­lung von Frau­en in der Bericht­erstat­tung von Schwei­zer Medi­en. Jahr­buch Qua­li­tät der Medi­en. Stu­die 01/21. Zürich: fög.

Bild: Sta­te Press

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