Die Impfbereitschaft in der Schweiz: Wer will, wer nicht will, und aus welchen Gründen.

Die Debat­te rund um die Schwei­zer Impf­kam­pa­gne ist im vol­len Gan­ge. Doch wie gross ist die Impf­be­reit­schaft in der Schweiz tat­säch­lich? Wer möch­te sich imp­fen las­sen? Und wer zögert oder lehnt die Imp­fung ab? Wir gehen die­sen Fra­gen mit den Daten aus der COVID-19 MOSAiCH-Erhe­bung nach und zei­gen, dass vie­le Schwei­ze­rin­nen und Schwei­zer skep­tisch sind und noch viel Über­zeu­gungs­ar­beit geleis­tet wer­den müss­te, um eine höhe­re Durch­imp­fung zu erreichen.

Zuerst hat­te die Schweiz zu wenig Impf­do­sen, jetzt will sie nie­mand mehr. Der Tenor in den Schwei­zer Medi­en ist ein­deu­tig: Wir sind impf­mü­de und ‑skep­tisch gewor­den. So lehnt bei­spiels­wei­se gemäss 20 minu­ten jede drit­te Per­son unter 35 die Imp­fung ab und auf SRF ist zu lesen, dass die nahen­den Som­mer­fe­ri­en die jun­gen Men­schen eher vom Imp­fen abzu­hal­ten scheint. In die glei­che Rich­tung argu­men­tiert der Tages­an­zei­ger, der, wenn es ums Imp­fen geht, star­ke Unter­schie­de zwi­schen den Kan­to­nen, zwi­schen Frau­en und Män­nern sowie zwi­schen Alters­grup­pen feststellt.

Gemäss der COVID-19 MOSAiCH Erhe­bung aus dem Früh­jahr 2021 war zum Zeit­punkt der Befra­gung unge­fähr ein Zehn­tel der Umfra­ge­teil­neh­me­rin­nen und ‑teil­neh­mer bereits geimpft. Von den noch nicht geimpf­ten Per­so­nen gaben knapp die Hälf­te an, sich ganz sicher imp­fen las­sen zu wol­len und 28 Pro­zent woll­ten sich wahr­schein­lich imp­fen las­sen. Zusam­men­ge­nom­men ergibt das also eine Impf­be­reit­schaft von 78 Pro­zent, die auf den ers­ten Blick sehr posi­tiv anmutet.

Bei nähe­rem Hin­schau­en wird jedoch deut­lich, dass gera­de die Grup­pe, die sich wahr­schein­lich imp­fen las­sen möch­te, wenig Anlass hat, dies gera­de zum jet­zi­gen Zeit­punkt zu tun (sie­he nächs­ter Abschnitt). Hin­zu kommt eine rela­tiv weit ver­brei­te­te Skep­sis bezüg­lich der Sicher­heit und der Wirk­sam­keit der Imp­fung. Will man die Durch­imp­fung der Bevöl­ke­rung in den kom­men­den Wochen mar­kant erhö­hen, muss also noch eini­ges an Über­zeu­gungs­ar­beit geleis­tet werden.

Impfen für eine Rückkehr zur Normalität

Die Grün­de, sich gegen COVID-19 imp­fen zu las­sen, sind über­schau­bar: Ein Drit­tel möch­te zu einem nor­ma­len Leben zurück­keh­ren und ein wei­te­res Drit­tel hofft, damit die Aus­brei­tung des Virus ein­zu­däm­men. Zusätz­lich zu die­sen zwei Haupt­grün­den geben die Befrag­ten an, dass sie ent­we­der sich sel­ber (17%) oder Fami­li­en­an­ge­hö­ri­ge (9%) schüt­zen wol­len. Nur ein klei­ner Teil gibt an, dass ein ande­rer Grund (4%) ent­schei­dend war, dass ihre oder sei­ne Alters­grup­pe mit Imp­fen an der Rei­he war (3%) oder dass der Beruf es erfor­der­te (2%). Gera­de die bei­den Haupt­grün­de bie­ten jetzt im Som­mer wenig Anreiz, sich tat­säch­lich imp­fen zu las­sen. Mass­nah­men wer­den nicht nur in der Schweiz, son­dern auch im Aus­land immer mehr gelo­ckert. Und obwohl die Del­ta-Vari­an­te mit einer neu­en Wel­le droht, sind die Fall­zah­len in der Schweiz momen­tan sehr gering.

Mit unge­fähr 22 Pro­zent steht ein beträcht­li­cher Anteil der Imp­fung kri­tisch gegen­über. 14 Pro­zent wol­len sich wahr­schein­lich nicht und wei­te­re acht Pro­zent wol­len sich ganz sicher nicht imp­fen las­sen. Wie die Gra­fik 1 zeigt, sind es eher Frau­en (29%) als Män­ner (20%), die sich nicht imp­fen las­sen wol­len. Auch sinkt die Impf­be­reit­schaft mit abneh­men­dem Alter sowie bei Per­so­nen ohne ter­tiä­re Aus­bil­dung. Hier decken sich unse­re Resul­ta­te folg­lich mit den Medienberichten.

Gra­fik 1 : Frau­en n=515, Män­ner n=538; 18–30 n= 198, 31–45 n= 323, 46–64 n= 329, 65+ n= 195; Tie­fe (ISCED 0,1,2) n= 99, Mitt­le­re (ISCED 3) n= 282, Hohe (ISCED 4,5,6) n= 616. 

Selbst Impfwillige zweifeln an der Sicherheit und Wirksamkeit der Impfung

Unse­re Stu­die zeigt aber nicht nur, wer sich nicht imp­fen las­sen möch­te, son­dern birgt auch Hin­wei­se, war­um dies so sein könn­te (Gra­fik 2). So ist das Ver­trau­en in die Imp­fung nur bei den­je­ni­gen Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mer, wel­che sich sicher imp­fen las­sen wol­len, hoch. 86 Pro­zent davon glau­ben, dass die Imp­fung sicher ist. Dem­ge­gen­über ver­trau­en nur knapp vier­zig Pro­zent der­je­ni­gen, die sich wahr­schein­lich imp­fen wol­len, dar­auf, dass die Imp­fung sicher ist. Wenig über­ra­schend glaubt in der Grup­pe der Per­so­nen, die sich wahr­schein­lich nicht oder ganz sicher nicht imp­fen las­sen wol­len, fast nie­mand an die Sicher­heit der Impfung.

Gra­fik 2 : Impf­si­cher­heit: Ich habe vol­les Ver­trau­en, dass die Imp­fun­gen gegen COVID-19 sicher sind (n=1’041). 

Ähn­lich sieht es bei der Fra­ge nach der Wirk­sam­keit der COVID-19 Imp­fun­gen aus (Gra­fik 3). Wäh­rend noch knapp neun­zip Pro­zent der Per­so­nen, wel­che sich ganz sicher imp­fen las­sen wol­len an die Wirk­sam­keit glau­ben, sind es unter den­je­ni­gen, die sich wahr­schein­lich imp­fen las­sen wol­len nur noch eine knap­pe Mehr­heit (54%). Die­je­ni­gen Per­so­nen, die sich wahr­schein­lich oder ganz sicher nicht imp­fen las­sen wol­len, sind mit knapp 17 Pro­zent und drei Pro­zent noch skep­ti­scher. Wenn man folg­lich die Durch­imp­fung mar­kant erhö­hen will, muss man zunächst die «unschlüs­si­gen» Impf­wil­li­gen noch ver­mehrt von der Wirk­sam­keit und der Sicher­heit der Imp­fung überzeugen.

Gra­fik 3 : Wirk­sam­keit: Ich habe vol­les Ver­trau­en, dass die Imp­fun­gen gegen COVID-19 wirk­sam sind (n=1’035). 

Impfunwillige sind weder Trittbrettfahrer noch COVID-Leugner

Auch sind die Per­so­nen, wel­che sich wahr­schein­lich (8.2%) oder sicher nicht (42.7%) imp­fen las­sen wol­len, nicht alle «COVID-Leug­ner»: Zwar stim­men sie öfters der Aus­sa­ge zu, dass COVID-19 kei­ne gros­se Bedro­hung dar­stellt, als die­je­ni­gen Per­so­nen, wel­che sich wahr­schein­lich (2.1%) oder ganz sicher (1%) imp­fen las­sen wol­len. Trotz­dem lehnt eine kla­re Mehr­heit der Imp­f­un­wil­li­gen die­se Annah­me ab.

Das glei­che gilt für den Vor­wurf, Impf­geg­ner sei­en Tritt­brett­fah­rer: So sind nur vier­zig Pro­zent der Per­so­nen, die sich sicher nicht imp­fen las­sen wol­len, und gera­de mal 19 Pro­zent der «wahr­schein­lich-nicht» Frak­ti­on der Mei­nung, dass sie sich nicht auch noch imp­fen las­sen müs­sen, wenn alle ande­ren gegen COVID-19 geimpft sind.[1]

Auch hier ist also eine Min­der­heit der Mei­nung, dass sich lie­ber die Ande­ren imp­fen las­sen sol­len und sie sich somit nicht sel­ber der Gefahr all­fäl­li­ger Neben­wir­kun­gen aus­set­zen. Schluss­end­lich hat es unter den COVID-19 Imp­f­un­wil­li­gen mehr Leu­te, die Imp­fun­gen im All­ge­mei­nen nicht ver­trau­en, als unter den Impf­wil­li­gen. Den­noch bleibt auch dies ein Argu­ment der Min­der­heit: Etwas mehr als ein Drit­tel der Per­so­nen, die sich ganz sicher nicht imp­fen las­sen wol­len, bezie­hungs­wei­se knapp ein Fünf­tel der Per­so­nen, die sich wahr­schein­lich nicht imp­fen las­sen wol­len, sind gene­rel­le Impf­geg­ner.[2]

Zusam­men­ge­nom­men sind die­se Argu­men­te wich­tig, um zu ver­ste­hen, war­um Leu­te sich nicht imp­fen las­sen wol­len. Den­noch scheint es auch für die­se Grup­pe der Imp­f­un­wil­li­gen zen­tral, erst ein­mal mehr Klar­heit über die Sicher­heit und die Wirk­sam­keit der Imp­fun­gen zu erhalten.

Grund­sätz­lich scheint es wich­tig, mit geziel­ten Kam­pa­gnen zunächst die­je­ni­gen zu errei­chen, die sich wahr­schein­lich imp­fen las­sen wol­len. Wäre die­se Grup­pe geimpft, könn­te wohl schon eine Her­denim­mu­ni­tät erreicht werden.

FORS Covid-19 MOSAiCH-Erhebung
Um einen Bei­trag zum Ver­ständ­nis der Aus­wir­kun­gen von Covid-19 auf die Gesell­schaft in der Schweiz zu leis­ten, wur­de die jähr­lich statt­fin­den­de sozi­al­wis­sen­schaft­li­che MOSAiCH-Erhe­bung mit einer Covid-19-Zusatz­be­fra­gung ergänzt. Der Schwer­punkt die­ser Covid-19-Erhe­bung liegt auf Fra­gen zu Wohl­be­fin­den, Arbeit, Ver­ein­bar­keit von Fami­lie und Beruf und Poli­tik. Die ers­te Wel­le der Covid-19-Befra­gung fand Ende April bis Mit­te Juli 2020 statt. Der Online­fra­ge­bo­gen wur­de von 2’421 Per­so­nen beant­wor­tet, die in Pri­vat­haus­hal­ten in der Schweiz leben und min­des­tens 18 Jah­re alt sind. Die zwei­te Covid-19-Befra­gung fand im Okto­ber 2020 statt. An ihr betei­lig­ten sich 1’270 Per­so­nen. Die Teil­neh­men­den wur­den zwi­schen Mit­te März und Mit­te April 2021 ein drit­tes Mal befragt, um die Aus­wir­kun­gen von Covid-19 län­ger­fris­tig mes­sen zu kön­nen. An  die­ser drit­ten Befra­gung nah­men ins­ge­samt 1’245 Per­so­nen teil. Die Resul­ta­te wur­den sta­tis­tisch gewich­tet, um eine bes­se­re Reprä­sen­ta­ti­vi­tät für die Schwei­zer Bevöl­ke­rung zu erreichen.

[1] 6% der Per­so­nen, die sich wahr­schein­lich imp­fen las­sen und 1% der Per­so­nen, die sich ganz sicher imp­fen las­sen, sind auch die­ser Meinung.

[2] 6.5% der Per­so­nen, die sich wahr­schein­lich und 1.4%, die sich ganz sicher imp­fen las­sen möch­ten, sind auch gene­rel­le Impfgegner.


Bild: Kam­bo­opics (Karo­li­na Gra­bow­s­ka)

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