Ein Drittel der Menschen macht sich grosse Sorge um den Klimawandel. Doch viele handeln nicht entsprechend. Aktuelle Daten aus 28 Ländern zeigen nun: Geschlechts- und Generationszugehörigkeit erklären den Unterschied zwischen individueller Sorge um die Umwelt und tatsächlich umweltfreundlichem Verhalten.
Auch wenn jede dritte Person in Bezug auf Umwelt und Klima „sehr besorgt“ ist, fliegen viele weiterhin in die Ferien, essen Fleisch, fahren Auto – und leisten auch sonst keinen Beitrag, um die Klimapolitik zu ändern wie beispielsweise Kompensationszahlungen oder an Demonstrationen teilnehmen. Diese Diskrepanz, der sogenannte „Einstellungs-Verhaltens Gap”, ist gut dokumentiert. Menschen gelingt es häufig nicht, ihr tatsächliches Verhalten mit ihren Werten in Einklang zu bringen, sei es bei Gesundheits- oder Nachhaltigkeitsfragen. Diese Lücke zu verstehen ist aber zentral: Denn wenn auf die vorhandene Besorgnis kein entsprechendes Handeln folgt, bleibt auch die Unterstützung für Massnahmen in der Klimapolitik rein symbolisch.
Die folgende Analyse konzentriert sich auf diejenigen Personen, die am stärksten besorgt sind. Es wird dabei untersucht, inwiefern ihr Verhalten mit den vorhandenen Einstellungen übereinstimmt – von Recycling und Fleischkonsum bis hin zu Petitionen unterschreiben und an Protesten teilnehmen.
Wie misst man den green attitude-behaviour gap? Zehn Verhaltensdimensionen
Für die Analysen des Einstellungs-Verhaltens Gap im umweltfreundlichen Verhalten, im Folgenden green attitude-behaviour gap genannt, wurden zehn Dimensionen erfasst, die sich in private (z. B. Recycling, weniger fliegen) und öffentliche (z. B. protestieren, spenden) Verhaltensweisen einteilen lassen. Ein Verhalten gilt dann als klimafreundlich, wenn die Befragten konsequent die umweltfreundlichste Option wählen – z.B. nie fliegen, nicht wöchentlich Fleisch essen oder kein Auto fahren.
Die Resultate der Untersuchungen zeigen grossen Unterschiede zwischen Einstellungen und Verhalten. Recycling und Boykotte von Produkten sind weit verbreitet und die Lücke zwischen Vorsatz und Umsetzung sind relativ klein. Doch beim öffentlichen Engagement – besonders bezüglich Protesten oder Mitgliedschaften in aktivistischen Organisationen – zeigen sich selbst unter den besorgten Personen grosse Diskrepanzen zwischen Einstellungen und Verhaltensweisen.
Gleiche Sorge, anderer gap
Nicht jede umweltfreundliche Handlung hat die gleiche Ursache. Private Verhaltensweisen wie beispielsweise recyceln sind oft Gewohnheit zurückzuführen, zudem sind sie kostengünstig und werden in vielen Ländern infrastrukturell unterstützt. Ein politisches Engagement hingegen erfordert mehr Zeit, Ressourcen und soziale Sichtbarkeit – und ist daher seltener. So berichten zum Beispiel weniger als ein Zehntel der stark besorgten Personen, in den letzten fünf Jahren an einer Demonstration für mehr Umweltschutz teilgenommen zu haben. Der green attitude-behaviour gap spiegelt somit nicht nur individuelle Entscheidungen, sondern auch strukturelle und kulturelle Rahmenbedingungen wider, die bestimmen, was machbar und gesellschaftlich erwünscht ist.
Der Geschlechterunterschied: ein Unterschied zwischen privat und öffentlich?
Das Geschlecht spielt im Zusammenhang mit Einstellung und umweltfreundlichem Verhalten eine wichtige Rolle. Frauen verhalten sich im privaten Bereich umweltfreundlicher: Sie recyceln häufiger, essen weniger Fleisch, verzichten eher auf ein Auto und boykottieren häufiger Produkte als Männer. Dies passt zu Forschungsergebnissen, wonach nachhaltiges Verhalten kulturell oft als „weiblich“ wahrgenommen wird, während Fleischkonsum oder Autofahren mit traditioneller Männlichkeit assoziiert werden.
Im öffentlichen Bereich hingegen verschwindet dieser Geschlechterunterschied meist: Beim Protestieren oder Spenden zeigen sich keine Differenzen zwischen den Geschlechter. Ausnahmen gibt es etwa beim Unterschreiben von Petitionen – um die Umwelt besorgte Frauen sind dabei aktiver als Männer. Diese Differenz zwischen dem öffentlichen und privaten Bereich könnte darauf hinweisen, dass strukturelle Hürden wie Zeitmangel oder eingeschränkter Zugang zu politischen Organisationen Frauen im öffentlichen Engagement stärker einschränken.
Generationenunterschiede: Bürger:innen oder Konsument:innen?
Jüngere Generationen, insbesondere die Gen Z, beteiligen sich eher an öffentlichem Engagement (z. B. Proteste, Petitionen), zeigen aber im privaten Bereich weniger konsequentes Verhalten wie beispielsweise weniger fliegen oder regelmässig recyceln. Diese Resultat ist zum Teil mit ihrer Sozialisation in der Ära des Klimaaktivismus zurückzuführen: Politisches Engagement und struktureller Wandel standen dabei im Vordergrund, individuelles Verhalten weniger. So weist dieses Resultat nicht zwingend auf mangelndes Engagement hin, sondern deutet vielmehr auf ein anderes Verständnis von sinnvollem umweltfreundlichem Handeln hin – eines, das den systemischen Wandel höher gewichtet als die persönliche Verhaltensänderung.
Ein Wort zu Einkommen und Kontext
Auch das Einkommen beeinflusst den green attitude-behaviour gap: Besserverdienende reduzieren ihren Fleischkonsum oder ihre Flugreisen seltener, spenden aber häufiger oder kaufen umweltfreundliche Produkte. Das sind Verhaltensweisen, die zwar Engagement signalisieren, aber wenig individuellen Verzicht erfordern. Umweltfreundliches Verhalten kann also auch ein Ausdruck von Privilegien sein, jedoch nur bis zu einem gewissen Grad.
Auch der nationale Kontext spielt eine Rolle. Recycling und Boykottverhalten sind in Westeuropa stärker verbreitet, wo entsprechende Infrastrukturen und gesellschaftliche Normen gefestigter sind. Öffentliches Engagement ist besonders in nordeuropäischen Demokratien mit aktiven Zivilgesellschaften hoch. In restriktiveren Kontexten hingegen ist ein tieferes öffentliches Engagement möglicherweise eher als Folge von politischen Hürden als durch Gleichgültigkeit zu erklären.
Politische Implikationen: Den green attitude-behaviour gap schliessen
Der green attitude-behaviour gap lässt sich nicht allein durch Aufklärungskampagnen schliessen. Erforderlich sind politische Massnahmen, die soziale Normen, wirtschaftliche Ungleichheiten und strukturelle Hürden berücksichtigen. Dazu gehören:
- Geschlechterstereotype hinterfragen und das politische Engagement von Frauen fördern
- Zivilgesellschaftliches Handeln über alle Altersgruppen hinweg unterstützen
- Durch Infrastruktur und Anreize nachhaltiges Verhalten erleichtern und erschwinglicher machen
Nur wenn Absicht und Handlungsmöglichkeiten zusammenkommen, kann die weitverbreitete Sorge um den Klimawandel auch in wirkungsvolles Handeln umgewandelt werden.
Quelle:
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