Populismus wird seit Anfang der 2000er Jahre als eine der grössten Bedrohungen für die Demokratie angesehen. Populistische rechtsradikale Parteien gewinnen in der Europäischen Union zunehmend an Einfluss, selbst in Mitgliedstaaten, die einst als immun galten. Durch die Untersuchung der Merkmale dieser Parteien in verschiedenen Regionen der EU – Nord vs. Süd – wird deutlich, wie historische und gesellschaftliche Entwicklungen zu ihrem Aufstieg beigetragen haben. Was treibt ihren politischen Erfolg und ihre breite Anziehungskraft an? Und welche weiterreichenden Auswirkungen hat ihr Aufstieg zur Macht für die EU insgesamt?
Populismus ist eine Perspektive und ein Kommunikationsstil in der Politik, der einen anhaltenden Kampf zwischen Eliten und Volk konstruiert. Erstere werden dabei als korrupt und unmoralisch beschrieben, während letzteres als edel, grosszügig und gutherzig betrachtet wird. Der radikale rechte Populismus entwickelt die allgemeinen Merkmale des Populismus – Anti-Elitismus und Volkszentriertheit – weiter, indem er Rassismus fördert und die Vielfalt von Kulturen und Religionen ablehnt. Diese Narrative erzeugen ein spezifisches Gefühl der Verletzlichkeit und der verletzten Würde aufgrund einer wahrgenommenen mangelnden Rücksichtnahme seitens der Mainstream-Eliten und fördert folglich die Ablehnung bestimmter Einwanderungsströme. (–> Satz unverständlich)
Darüber hinaus schürt der Populismus ein ständiges Misstrauen, durch das die Bevölkerung nicht nur gegenüber den Mainstream-Eliten, sondern auch gegenüber allen, die nicht den „Segen des Volkes” haben und nicht vom Volk gewählt wurden, wie Technokrat:innen und Expert:innen (unter anderem Wissenschaftler:innen und Jurist:innen), eine skeptische Haltung entwickelt. Ein ständiges Merkmal der radikalen rechtspopulistischen Parteien, das häufig in populistischen Diskursen zu finden ist, ist die Tendenz, Bedeutung und Macht auf die Exekutive der Regierung zu verlagern, sowie eine Tendenz zum Illiberalismus.
Eine Bedrohung für die Demokratie
Populismus wird oft mit einer Krise der Demokratie und einer Bedrohung ihrer Institutionen in Verbindung gebracht. Studien haben dies untermauert und Belege für die negativen Auswirkungen rechtspopulistischer Parteien auf die Demokratie aufgezeigt, wenn diese an die Macht kommen. Infolgedessen betonen Politik- und Sozialwissenschaftler:innen zunehmend, wie wichtig es ist, die Strategien dieser Parteien zu untersuchen, um Relevanz, Sichtbarkeit und Popularität zu erlangen.
Studien zu diesen Strategien unterstreichen, wie es diesen politischen Akteuren gelungen ist, alternative Wege der Politikgestaltung vorzuschlagen, die ihrer Meinung nach zu einem konsistenteren und effizienteren demokratischen System führen würden, das sie als moralisch überlegen gegenüber dem derzeitigen System ansehen. Dieses alternative demokratische System wurde diskursiv geschaffen, indem es sich die öffentliche Unzufriedenheit und Hilflosigkeit zunutze machte, die durch die Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage und die Arbeitsplatzunsicherheit in vielen EU-Mitgliedstaaten, insbesondere nach der Finanzkrise von 2008, hervorgerufen wurden.
Darüber hinaus ist es wichtig, über die Prekarität und allgemeine Unsicherheit nachzudenken, die der Globalisierungsprozess für die Gesellschaften mit sich gebracht hat, indem er die Kluft zwischen den sozialen Schichten vergrössert und das Misstrauen der Öffentlichkeit gegenüber Veränderungen (sozialer, kultureller oder politischer Art) verstärkt hat.
Die Rolle der Emotionen, die in Studien zum Populismus stark vernachlässigt wird
Ich betrachte Emotionen, insbesondere wie Individuen mit Situationen und Phänomenen umgehen, die sie persönlich als bedeutsam empfinden, als Säulen, auf denen radikale rechtspopulistische Parteien ihre diskursiven und politischen Strategien aufbauen. Emotionen werden in der Psychologie als komplexe Reaktionen definiert, die Erfahrungs-, Verhaltens- und physiologische Elemente umfassen.
Unter anderem tragen Emotionen wie Misstrauen gegenüber dem aktuellen Gesellschaftssystem und Nostalgie für die Vergangenheit stark zur Popularität des Diskurses der PRR-Parteien (–> Begriff irgendwo erklären) bei. Misstrauen ist die Manifestation eines oben beschriebenen Verdachts: Dieser kann sich genauer gesagt gegen Politiker richten, aber auch allgemeiner gegen jeden Teil der Gesellschaft, der als egoistisch und egozentrisch angesehen wird, der nur nach seiner persönlichen Agenda handelt und sich nicht um die Gemeinschaft kümmert, in der er lebt.
Nostalgie hingegen ist eine Emotion, die eng mit dem Misstrauen und der Unzufriedenheit gegenüber der aktuellen Gesellschaft verbunden ist und die moralische Überlegenheit einer – imaginären und konstruierten – Vergangenheit betont. Wenn wir nostalgisch sind, vermissen wir eine Vergangenheit, die nur noch in unserer Vorstellung existiert und daher mehr oder weniger starke Unterschiede zur Realität der Vergangenheit aufweisen kann. Die genannten Emotionen sind wichtige Triebkräfte für den Erfolg der populistischen radikalen rechten Parteien, aber möglicherweise nicht die einzigen, die eine Rolle spielen.
Noch wichtiger ist, dass Emotionen komplex sind und sich unter verschiedenen Umständen unterschiedlich entwickeln: Misstrauen und Nostalgie haben ein politisches Potenzial, das meiner Meinung nach noch nicht ausreichend untersucht wurde. Der strategische Einsatz starker Emotionen durch die PRR-Parteien muss genauer untersucht werden. Darüber hinaus liefert die Untersuchung der emotionalen Säulen von Gesellschaften und der Individuen, die diese Gesellschaften bilden, in denen PRR-Parteien auf dem Vormarsch sind, wichtige Erkenntnisse über die Bedeutung ihres Erfolgs und die möglichen Lösungen, die Politiker vorschlagen könnten, sobald sie die Ursachen und die Öffentlichkeit/Wähler besser kennen.
Der Aufstieg der populistischen radikalen Rechten: Eine Serie
Nachdem wir die Hauptmerkmale des radikalen Rechtspopulismus, seine diskursiven Strategien und seine allgemeine Relevanz vorgestellt haben, wollen wir in dieser Serie die Hauptmerkmale einflussreicher populistischer rechter Parteien in verschiedenen Regionen der EU hervorheben. Wir werden den Fall einer PRR-Partei vorstellen, die für viele innerhalb und ausserhalb Europas zum Vorbild geworden ist, nämlich die italienische Partei Fratelli D’Italia. Anschliessend werden wir weitere Fälle von EU-Mitgliedstaaten diskutieren, die als immun gegen die „Epidemie” der PRR-Parteien galten, wie Spanien und Portugal. Danach werden wir die Fälle des deutschen und niederländischen Populismus analysieren.
Während viel über populistische rechtsradikale Parteien in osteuropäischen und südeuropäischen Ländern diskutiert wurde, sollte mehr Licht auf die vernachlässigte Perspektive der RRP in den zentralen und nördlichen Regionen Europas geworfen werden. Daher werden wir in dieser Reihe bei der Beschreibung spezifischer Fälle auf nationaler Ebene auch über ihre weiterreichenden Auswirkungen auf die EU nachdenken. Viele sind in der Tat bereits spürbare Folgen der Popularität solcher Parteien und politischen Perspektiven auf nationaler und europäischer Ebene.
Diese Serie soll nicht nur Klarheit schaffen, indem sie diese Folgen hervorhebt, sondern auch die möglichen Ursachen des Populismus’ untersucht, darunter die Strategien, mit denen diese Parteien bestimmte Stimmungen und Emotionen in der Öffentlichkeit und bei potenziellen Wählerschaften ansprechen. Emotionen, sowohl auf individueller Ebene als auch in ihrer Entwicklung auf gesellschaftlicher und Gruppenebene, sollten in der politikwissenschaftlichen Forschung zum Populismus und seinem Erfolg bzw. Untergang oder Scheitern mehr Raum erhalten.
Referenzen:
- Abts, Koen, and Stefan Rummens. 2007. ‘Populism versus Democracy’. Political Studies 55 (2): 405–24.
- Albertazzi, Daniele, and Duncan McDonnell, eds. 2008. Twenty-First Century Populism. London: Palgrave Macmillan UK.
- Canovan, Margaret. 2002. ‘Taking Politics to the People:Populism as the Ideology of Democracy’. In Democracies and the Populist Challenge, edited by Yves Mény and Yves Surel, 25–44. London: Palgrave Macmillan UK.
- Donà, Alessia. 2022. ‘The Rise of the Radical Right in Italy: The Case of Fratelli d’Italia’. Journal of Modern Italian Studies 27 (5): 775–94.
- Insero, Martina. 2022. ‘Emotional Narratives. Populism and Nostalgia in Europe’. JEAN MONNET CHAIR WORKING PAPERS IN POLITICAL SOCIOLOGY.
- Verbeek, Bertjan, and Andrej Zaslove. 2016. ‘Italy: A Case of Mutating Populism?’ Democratization 23 (2): 304–23.
Anmerkung: Dieser Beitrag basiert auf einem Blogbeitrag, der Teil einer Reihe über den Aufstieg der populistischen radikalen Rechten ist. Der Beitrag wurde von Raed Hartmann, DeFacto, übersetzt und editiert.
Abbildung: unsplash.com






