Viele Jahrzehnte dominierten zwei Parteien die Politik in Liechtenstein: die Fortschrittliche Bürgerpartei und die Vaterländische Union. Doch seit den 1980er Jahren weitet sich das Parteienspektrum aus.
In Liechtenstein wurden die ersten beiden Parteien erst 1918 gegründet: die Christlich-soziale Volkspartei (VP) und die Fortschrittliche Bürgerpartei (FBP). Diese lieferten sich in den 1920er und 1930er Jahren heftige Parteienkämpfe. Zunächst dominierte die Volkspartei, aber der Sparkassaskandal[1] 1928 leitete die Vorherrschaft der FBP bis Ende der 1960er Jahre ein.
Bis nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gab es nur zwei weitere Parteien. Anfang der 1930er Jahre trat der Liechtensteiner Heimatdienst in Erscheinung, fusionierte dann allerdings vor einer eigenen Wahlteilnahme mit der Volkspartei zur Vaterländischen Union (VU). In der zweiten Hälfte der 1930er Jahre entstand die nationalsozialistische Volksdeutsche Bewegung in Liechtenstein (VDBL). Ihr Einzug in den Landtag (Parlament) wurde jedoch mit einer stillen Wahl 1939 und einer Verlängerung der Mandatsdauer durch den Fürsten im Jahr 1943 verhindert. Sicherheitshalber wurde mit der Einführung des Proporzwahlrechts 1939 auch noch eine Sperrklausel von 18 Prozent eingeführt.
Kontinuität von Koalitionsregierungen
Bis in die Gegenwart regieren die beiden Traditionsparteien FBP und VU meistens in einer gemeinsamen Koalitionsregierung. Dabei stellt die mandats- oder stimmenstärkere Partei jeweils die Mehrheit in der Regierung und den Regierungschef – seit 2025 die Regierungschefin. Nur 1997 begab sich die FBP nach einem schwachen Wahlabschneiden aus eigenem Antrieb in die Opposition. 2001 machte es ihr die VU nach, sodass in diesen beiden Mandatsperioden ausnahmsweise Alleinregierungen resultierten. Andere Parteien waren noch nie Teil der fünfköpfigen Regierung.
Mit einem Mehrheitswechsel in der Regierung war bisher kaum eine wesentliche programmatische Weichenstellung verbunden. FBP und VU tendieren sehr stark in die politische Mitte. Bei einem Mehrheitswechsel kommt es deshalb zwar zu personellen Neuerungen, aber weniger zu politischen Neuerungen.
Ausweitung des Parteienspektrums
1953 kandidierte erstmals eine dritte Partei zum Landtag: die Liste der Unselbständig Erwerbenden und Kleinbauern. Sie erreichte 6,9 Prozent der Stimmen und blieb somit erfolglos. Grösseren Zuspruch erhielt die Christlich-soziale Partei (CSP) 1962. Mit 10,1 Prozent der Stimmen scheiterte sie aber an der Sperrklausel von 18 Prozent, die später vom Staatsgerichtshof aufgehoben wurde. Bei den folgenden Wahlen 1966, 1970 und letztmals 1974 schnitt die CSP schwächer ab und gewann nie ein Mandat.
Nach dem Ende der CSP dauerte es zwölf Jahre, bis mit der grün-alternativen Freien Liste (FL) wieder eine dritte Partei neben VU und FBP zu Landtagswahlen antrat, kurz nach Einführung des Frauenstimmrechts 1984. Sie scheiterte 1986 und bei den vorgezogenen Neuwahlen 1989 jeweils knapp an der seit 1970 bestehenden 8-Prozent-Sperrklausel. 1989 nahm zudem erstmals eine vierte Partei an Landtagswahlen teil. Die Überparteiliche Liste Liechtenstein (UeLL) schnitt mit 3,2 Prozent eher schwach ab und kandidierte kein weiteres Mal.
1993 schaffte die FL im dritten Anlauf den Einzug in den Landtag. Es blieb aber weiterhin bei der klaren Dominanz der beiden Traditionsparteien und der Koalition der beiden Parteien. Bis in die Gegenwart kann die FL mit wenigen Mandaten den Einsitz im Landtag verteidigen.
2013 trat erstmals seit 1989 wieder eine vierte Partei zu den Landtagswahlen an: DU – Die Unabhängigen. DU wurde von einem abtrünnigen VU-Abgeordneten gegründet, der sich mit der Partei überworfen hatte. DU gewann 2013 vier von 25 Mandaten, 2017 sogar fünf. Bis zu den nächsten Landtagswahlen 2021 spaltete sich DU, sodass nun erstmals fünf Parteien antraten: FBP, VU, FL, DU und DpL (Demokraten pro Liechtenstein). DpL schnitt mit 11,1 Prozent der Stimmen und zwei Mandaten deutlich besser ab als DU mit 4,2 Prozent und ohne Mandat.
Legende: VP=Volkspartei; VU= Vaterländische Union (seit 1936); FBP=Fortschrittliche Bürgerpartei; HD=Liechtensteiner Heimatdienst; VDBL=Volksdeutsche Bewegung in Liechtenstein; UEK=Liste der Unselbständig Erwerbenden und Kleinbauern; ABP=Arbeiter- und Bauernpartei des Liechtensteiner Unterlandes; CSP=Christlich-Soziale Partei; UeL=Überparteiliche Liste; FL=Freie Liste; DU=Die Unabhängigen; DpL=Demokraten Pro Liechtenstein; MiM=Mensch im Mittelpunkt. Abbildung: Sophie De Stefani, Defacto.
Aktueller Stand
2025 trat DU nicht mehr an. DpL konnte stark zulegen und kam auf sechs von 25 Landtagsmandaten, die VU konnte ihre zehn Mandate verteidigen, die FBP sank dagegen von zehn auf sieben, die FL von drei auf zwei Mandate. Die VU/FBP-Koalition unter der erstmaligen Führung einer Frau, Brigitte Haas, wurde fortgesetzt. Nach den Wahlen 2021 hatte sich im Zuge der Corona-Pandemie noch eine weitere Partei ins Spiel gebracht: Mensch im Mittelpunkt (MiM). Trotz Ankündigung trat diese Partei jedoch weder bei den Gemeindewahlen 2023 noch bei den Landtagswahlen 2025 an.
Auf Gemeindeebene dominieren ebenfalls die beiden Grossparteien. Alle aktuellen Gemeindevorsitzenden (Vorsteher/Bürgermeister) kandidierten entweder für die VU oder FBP. Rund 90 Prozent aller Gemeinderatsmandate werden von Vertreterinnen und Vertretern der FBP oder VU eingenommen, die restlichen von FL und DpL.
Referenz
- Marxer, Wilfried (2024): Parteien. In: Wilfried Marxer, Thomas Milic und Philippe Rochat (Hg.): Das politische System Liechtensteins. Handbuch für Wissenschaft und Praxis. Baden-Baden: Nomos (Schriftenreihe des Liechtenstein-Instituts, 1), S. 397–424. doi.org/10.5771/9783845299006-397
[1] https://historisches-lexikon.li/Sparkassaskandal
Abbildung: Wilfried Marxer






