Das Homeoffice beschäftigt derzeit die Politik. Insbesondere die Arbeits- und Ruhezeiten der Telearbeit sollen im Arbeitsgesetz künftig flexibler geregelt werden. Im Mai 2025 hat der Bundesrat einen entsprechenden Entwurf der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats unterstützt. Doch wie gehen Arbeitnehmende mit Telearbeit um? Eine Studie des Nationalen Forschungsprogramms 80 «Covid-19 in der Gesellschaft» (NFP 80) zeigt, dass viele Angestellte – und insbesondere Eltern – seltener im Homeoffice arbeiten, als sie eigentlich möchten und dürften. Ferner zeigt die Studie, dass es bei der Umsetzung der Telearbeit für Firmen keine Patentlösung gibt.
Covid-19 hat der Arbeit im Homeoffice einen regelrechten Boom beschert. Allerdings ist die Frage, inwieweit diese Entwicklung auch den Bedürfnissen der Arbeitnehmenden entspricht, bislang nicht abschliessend geklärt. Das Parlament will schon bald eine Revision des Arbeitsgesetzes behandeln, mit dem Ziel, die Arbeits- und Ruhezeiten für die Telearbeit flexibler zu regeln. Im Rahmen des NFP 80 arbeitet eine Forschungsgruppe derzeit an Grundlagen, die es Unternehmen und Organisationen ermöglichen sollen, bedürfnisgerechte und als fair empfundene Homeoffice-Regelungen für ihre Mitarbeitenden auszuarbeiten.
Die Forschungsgruppe «Faires und förderliches Homeoffice» untersucht die Erfahrungen und Präferenzen der Arbeitskräfte in der Schweiz in Bezug auf die Arbeit im Homeoffice. Die Forscherinnen und Forscher um Michaela Knecht (FHNW Olten) und Laurenz Linus Meier (Universität Neuchâtel) haben im Jahr 2024 über 2300 Schweizer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer befragt, darunter über 800 Eltern. Die Ergebnisse der Befragung sind überraschend.
Eltern flüchten von zu Hause
Während man gemeinhin annehmen dürfte, dass das Homeoffice die Flexibilität bietet, viele Dinge gleichzeitig zu erledigen, von der Kinderbetreuung über die Hausarbeit bis hin zu beruflichen Aktivitäten, hat sich herausgestellt, dass Eltern weniger häufig im Homeoffice arbeiten als ihre kinderlosen Kolleginnen und Kollegen. Konkret zeigt die Studie, dass Eltern im Durchschnitt an 1,47 Tagen pro Woche berufliche Aufgaben zu Hause erledigen, während es bei Nicht-Eltern 1,69 Tage sind. «Diese Diskrepanz bleibt auch dann bestehen, wenn man die Anzahl der möglichen Homeofficetage und den durchschnittlichen Beschäftigungsgrad berücksichtigt», unterstreicht Michaela Knecht.
Eine mögliche Erklärung lässt sich in den Unterbrechungen bei der Arbeit zu Hause finden, mit denen Personen mit Kindern häufiger konfrontiert sind. «Unter diesen Umständen kann es schwierig sein, eine produktive Arbeitsumgebung aufrechtzuerhalten.» Die Zahlen sprechen für sich: Trotz ähnlicher ergonomischer und technologischer Einrichtungen bewerten 20 Prozent der Eltern ihre Arbeitsumgebung zu Hause in Bezug auf Unterbrechungen als mittelmässig bis sehr schlecht, verglichen mit nur 13 Prozent der Arbeitnehmenden ohne Kinder. Laut der Arbeitspsychologin hindert dieser Umstand die Eltern jedoch nicht daran, Interesse daran zu bekunden, mindestens zwei Tage pro Woche im Homeoffice zu arbeiten.
Hybride Zauberformel
Insgesamt zeigt sich jedoch, dass sich die Befragten der Studie in der Praxis für weniger Homeoffice entscheiden, als sie es sich wünschen würden. Oder als sie es dürften. «Diese Feststellung hat uns ein wenig überrascht», kommentiert die Forscherin. Die befragten Angestellten arbeiteten im Durchschnitt 1,6 Tage pro Woche im Homeoffice, obwohl ihre Organisationen 2,41 Tage erlaubten und sie sich 2,05 Tage wünschten.
Um dies zu verstehen, ist es hilfreich, einen Blick auf die Auswirkungen des Homeoffice zu werfen, insbesondere auf dessen Einfluss auf das berufliche Wohlbefinden. Die Studie zeigt, dass Personen, die die Möglichkeit haben, ausserhalb des Arbeitsplatzes zu arbeiten, etwas weniger erschöpft und etwas zufriedener sind. Es scheint allerdings, dass die Möglichkeit des Homeoffice selbst und nicht eine hohe Anzahl von Tagen im Homeoffice von Bedeutung ist. Umgekehrt kann eine zu intensive Telearbeit ein Gefühl der Einsamkeit bei den Betroffenen hervorrufen oder verstärken.
«In diesem Sinne bestätigen unsere Ergebnisse eine bestehende Erkenntnis: Bei der Arbeitsorganisation gibt es keine Patentlösung, sie muss von Fall zu Fall angepasst werden», sagt Michaela Knecht. Hybride Modelle, bei denen die Arbeitnehmenden ihre Zeit zwischen dem Standort der Organisation und einem externen Ort wie zu Hause, einem Café oder einem Co-Working-Space aufteilen können, haben den Vorteil, dass sie Flexibilität bieten und das Beste aus beiden Umgebungen kombinieren. Die Expertin beobachtet, dass sich diese Modelle in der Schweiz etablieren. «Das ist an sich natürlich eine gute Nachricht, setzt aber voraus, dass die Organisationen ihre Funktionsweise überdenken, um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen und eine faire Behandlung aller Mitarbeitenden zu gewährleisten.»
Eine Strategie für Führungskräfte
Noémi Swoboda, Leiterin Betrieb und Entwicklung Betriebliches Gesundheitsmanagement bei der Gesundheitsförderung Schweiz, stimmt dem zu. «Um sicherzustellen, dass die Telearbeit ihre positiven Effekte ohne negative Auswirkungen auf die Gesundheit und auf die Produktivität der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entfalten kann, sind systematische Ausgleichsmassnahmen nötig.» Die Unternehmen dürfen sich nicht damit begnügen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darüber zu informieren, wie viele Tage sie ausserhalb des Betriebsstandorts arbeiten dürfen oder müssen. «Sie müssen eine echte Homeoffice-Strategie entwickeln.»
Ein wichtiger Aspekt, den es bei einer solchen Strategie zu berücksichtigen gilt, ist die Frage der Kommunikation und der sozialen Interaktion. «Wie lässt sich sicherstellen, dass die Mitarbeitenden weiterhin Zugang zu allen für ihre Arbeit notwendigen Informationen haben und sich als Teil eines Teams fühlen?» Für Führungskräfte von Organisationen müssen darüber hinaus Lösungen für Herausforderungen gefunden werden, die das Personalmanagement aus der Ferne mit sich bringt. «Es ist wichtig, Instrumente einzuführen, die es ihnen ermöglichen, den Puls des Teams zu fühlen und zu prüfen, ob einzelne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besondere Unterstützung benötigen.»
Wenig überraschend ist bei der Umsetzung von Fernarbeit auch die gesunde Trennung von Berufs- und Privatleben eine grosse Herausforderung. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese vollumfänglich oder in hybrider Form erfolgt. Noémi Swoboda: «Das sogenannte ‹Boundary Management› geht in beide Richtungen. Man sollte nicht zu viele private Aufgaben während der Arbeitszeit von zu Hause aus erledigen und sich in der Freizeit nicht von seinem Job überfordern lassen.» Auch hier sollten die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber klare Regeln aufstellen, zum Beispiel was die Bearbeitung von E-Mails ausserhalb der Arbeitszeit oder die Ruhezeiten im Krankheitsfall betrifft.
Basierend auf ihren Forschungsresultaten will die Forschungsgruppe «Faires und förderliches Homeoffice» nun Werkzeuge entwickeln, die Organisationen dabei unterstützen, Homeoffice-Regelungen zu implementieren, die als fair wahrgenommen werden. Diese sollen die Bedürfnisse der Erwerbstätigen erfüllen und sich somit positiv auf ihr Wohlbefinden und damit die Leistung auswirken.
Die Forschungsgruppe «Covid-19, Handel und Arbeit» hat im Rahmen des NFP 80 den Stellenmarkt in der Schweiz analysiert. Die Forschenden werteten Stellenangebote aus, um festzustellen, welche Auswirkungen die Pandemie auf den Einstellungsbedarf von Unternehmen hat, sowohl in Bezug auf das Gesamtvolumen benötigter Arbeitskraft als auch auf die gewünschten Qualifikationen. Mithilfe von Methoden der Textanalyse untersuchten sie die Stellenbeschreibungen, um herauszufinden, welche Arten von Stellen gesucht werden, welche Merkmale die einstellenden Unternehmen aufweisen und welche Qualifikationen sie suchen.
Die vorläufigen Ergebnisse der Analysen zeigen Folgendes: Während Covid-19 ist die Nachfrage nach Arbeitskräften in der Schweiz signifikant zurückgegangen. Nach der Pandemie stieg die Zahl der gemeldeten offenen Stellen jedoch schnell wieder an und übertraf das Vorkrisenniveau. Laut den Zahlen des Unternehmens x28 gab es im ersten Quartal 2019 rund 80’000 gemeldete Stellen. Im zweiten Quartal 2020 waren es nur noch rund 60’000. Ein Jahr später – im zweiten Quartal 2021 – wieder 80’000. Ein weiteres Jahr später (im zweiten Quartal 2022) erreichte der Stellenmarkt mit fast 140’000 gemeldeten Stellen einen Höhepunkt, bevor dieser allmählich wieder auf 110’000 offene Stellen Ende 2024 zurückging.
Offenbar hat sich die Pandemie nicht nur auf die Anzahl der veröffentlichten Stellenanzeigen ausgewirkt, sondern auch auf deren Inhalt. Wie die vorläufigen Ergebnisse zeigen, hat die Bedeutung geografischer Mobilität und von Managementfähigkeiten abgenommen. Unternehmerische und soziale Kompetenzen der Bewerberinnen und Bewerber sowie ihre Fähigkeit, proaktiv zu agieren, sind für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber hingegen wichtiger geworden.
Insgesamt deuten die ersten Ergebnisse darauf hin, dass «Transferable Skills» tendenziell wichtiger werden auf dem Arbeitsmarkt. Es handelt sich hierbei um Fähigkeiten, die in einem bestimmten Kontext, einer Position, Funktion oder in einem Aufgabenbereich erworben werden und sich gut in anderen Kontexten anwenden lassen. Dazu gehören beispielsweise Kommunikationsfähigkeiten, ein gutes Zeitmanagement oder Teamwork. Die Zahlen zeigen auch einen Trend weg von einem sehr hierarchischen Managementmodell und hin zu einer horizontalen beruflichen Zusammenarbeit.
Referenzen
- NFP 80, Forschungsprojekt «Faires und förderliches Homeoffice»
- NFP 80, Forschungsprojekt «Covid-19, Handel und Arbeit»
Bild: Keystone.