Sicherheit als herausforderndes Thema im Unterricht

Fragen wir Jugendliche, wie sicher sie sich im Vergleich zu früher und mit Blick in die Zukunft fühlen, stellen wir fest, dass ihr Sicherheitsempfinden abnimmt. Ihnen erscheint die Zukunft bedrohlich, sei es wegen des Klimawandels, Pandemien oder Kriegen. Sicherheit als Grundbedürfnis und Sicherheitspolitik sind für Jugendliche wichtige Themen geworden. Der vorliegende Beitrag gibt Antworten auf die Fragen, was ein Bildungsmedium dazu anbieten muss und wie dies umgesetzt werden kann.

Anstoss aus der Schulpraxis

Der Anstoss zur Entwicklung des Bildungsmediums «Wie sicher sind wir? Die Sicherheitspolitik der Schweiz» (Herren u.a. 2024) kam aus der Schulpraxis. Der russische Angriffskriegs auf die Ukraine im Februar 2022 sowie das Wiederaufflammen des Nahostkrieges nach dem Terroranschlag der Hamas am 7. Oktober 2023 beschäftigten auch die Schule. So fragten Lehrer:innen: «Wie nur sollen wir all diese Gräueltaten und Kriege im Unterricht behandeln, ohne dadurch die Gegenwartssorgen und Zukunftsängste der Jugendlichen zu verstärken?»

Abbildung 1: Key Visual «Wie sicher sind wir?»

«Sicherheit» als menschliches Grundbedürfnis

Die Antwort darauf lautet: Schule und Unterricht haben nicht die Aufgabe, alle Kriege und Konflikte umfassend zu thematisieren, doch es besteht die Verpflichtung, «Sicherheit» als menschliches Grundbedürfnis und Schlüsselproblem systematisch in die Bildung einzubeziehen (Haan u.a. 2014). Auf diese Weise entwickeln die Schüler:innen von der Primar- über die Sekundarstufe I zur Sekundarstufe II einen kognitiven Rahmen, der ihnen zur Kontextualisierung und zum Verständnis von Krieg und Frieden dient (Klafki 1985). Episodisch werden einzelne Kriege behandelt, wenn sie entweder zum gesellschaftlichen Grundwissen gehören oder wenn Lernende aus aktuellem Anlass Fragen stellen. Schule bietet die einmalige Gelegenheit, dass sich Jugendliche in geschütztem Raum mit wichtigen Fragen des gesellschaftlichen Zusammenlebens offen, ehrlich und mutig beschäftigen können. Dadurch entwicken sie Handlungsperspektiven für Gegenwart und Zukunft.

Abbildung 2: Schematische Darstellung der Grundbedürfnisse

Grundfragen bei der Entwicklung von Bildungsmedien

Um solche Lerngelegenheiten zur Vermittlung gesellschaftlicher Grundanliegen zu ermöglichen, sind Bildungsmedien gut geeignet (Gautschi 2018a). Sie gelten als «Rückgrat der Schule […], die den Unterricht übersichtlich halten, die Komplexität von Themen reduzieren, das zeitliche Nacheinander festlegen, die inhaltlichen Stationen des Lernens herstellen sowie die Struktur von Aufgaben und Leistungen bestimmen» (Oelkers 2010, S. 18).

Bei der Entwicklung moderner Bildungsmedien für Geschichte und Politische Bildung stellen sich heute vier zentrale Fragen:

  1. Welche Ausschnitte aus dem Universum des Historischen und Politischen sollen thematisiert, welche Grundfragen gestellt und beantwortet werden?
  2. Wozu sollen sich die Lernenden mit diesen Themen und Fragen beschäftigen?
  3. Wie gelingt es, ein attraktives Lernangebot zu schaffen, das Lernende und Lehrer:innen anspricht?
  4. Wie können wir gewährleisten, dass der grosse Vorteil der schulischen Vermittlung, die Kommunikation im geschützten Raum, optimal zum Lehren und Lernen beiträgt?
«Wie sicher sind wir?» – ein hybrides, modulares Bildungsmedium

Aus all diesen Überlegungen ist das Bildungsmedium «Wie sicher sind wir? Die Sicherheitspolitik der Schweiz» entstanden (Herren u.a. 2024). Es ist ein hybrides Lehrmittel für die Sekundarstufe II, bestehend einerseits aus einer gedruckten Broschüre und andererseits einer Webapp. In der Broschüre ist die notwendige Theorie erklärt, sie bietet aber auch die Möglichkeit, sich eigene Notizen zu machen. Die Webapp dient dazu, das Aktuelle, Interaktive, Vertiefende, Audiovisuelle und Mediale anzubieten. Die beiden Komponenten ergänzen sich und werden von den Schülerinnen und Schülern sowohl abwechselnd als auch parallel genutzt.

Damit das Bildungsmedium gut zum Lehrplan sowohl an den Gymnasien als auch an den Fachmittelschulen, der beruflichen Grundbildung sowie der Berufsmaturitätsausbildung passt, ist ein modulares Konzept umgesetzt. Auf diese Weise ist das Angebot anschlussfähig an die Fächerstruktur auf der Sekundarstufe II. Das Medium besteht aus einem interdisziplinäres Grundmodul, das sich insbesondere mit verschiedensten Gefährdungsszenarien der Gegenwart beschäftigt, und einem ergänzenden historisches Modul, welches den Schülerinnen und Schülern vor Auge führt, wie Entscheidungen zur Sicherheit in früheren Zeiten und insbesondere in Krisensituationen getroffen wurden. Weiter gibt es ein politisches Modul, das Fragen rund um das Thema Sicherheitspolitik von verschiedenen kontroversen Seiten betrachtet und den Schülerinnen und Schülern ermöglicht, sich eine unabhängige Meinung zu bilden.

Historisch-politische Bildung als Ziel

Das Bildungsmedium «Wie sicher sind wir?» bietet historisch-politische Bildung an (Gautschi 2018b). Diese zielt auf einen kompetenten Umgang mit Geschichte, einen verantwortungsvollen Umgang mit Gesellschaft und einen reflektierten Umgang mit sich selbst (Gautschi & Buff 2023).

Zum kompetenten Umgang mit Geschichte gehört, dass zu ausgewählten Fragen multiperspektivische Quellen und kontroverse Darstellungen herangezogen werden, damit sich die Lernenden selbst eine Meinung zu Ursachen und Folgen geschichtlicher und politischer Phänomene bilden können. Aus diesem Grund finden sich in der Broschüre und auf der Webapp ganz unterschiedliche Materialien zur Beantwortung der Frage «Stärkt oder schwächt die Neutralität die Sicherheit der Schweiz?»

Verantwortungsvoll mit Gesellschaft umgehen kann nur, wer auch die eigene Gegenwart und Lebenswelt reflektiert und damit die Standortgebundenheit berücksichtigt. Dies zeigt zum Beispiel die Friedensförderung, die sowohl eine staatliche als auch eine private Aufgabe ist.

Selbstreflexion bedeutet die Beschäftigung mit Identität und Alterität. Besonders produktiv wird dies durch das Kennenlernen von Menschen, ihren Handlungsspielräumen und ihren Entscheidungen, im vorliegenden Beispiel zum Thema Sicherheit.

Historisch-politische Bildung in der Schule bietet auf diese Weise eine Plattform zum Austausch unterschiedlicher Meinungen, die miteinander verglichen, diskutiert und validiert werden. Dies fördert «langsames Denken» mit einem sorgfältigen Abwägen verschiedener Urteile – bekanntlich ein wichtiges Merkmal von Demokratie.

Abbildung 3: Schematische Darstellung von historisch-politischer Bildung

Hinweis: Dieser Beitrag beruht auf dem Referat «Propaganda, Angstmacherei oder Bildung für Gegenwart und Zukunft? Krieg und Frieden im neuen Bildungsmedium zur Schweizer Sicherheitspolitik», gehalten von Prof. Dr. Peter Gautschi an den Aarauer Demokratietagen vom 4. April 2025.

Referenzen: 

Gautschi, Peter. 2018a. Ideas and Concepts for Using Textbooks in the Context of Teaching and Learning in the Social Sciences and Humanities. In: The Palgrave Handbook of Textbook Studies, herausgegeben von E. Fuchs & A. Bock. S. 127–139. New York: Palgrave Macmillan US.

Gautschi, Peter. 2018b. «Eine Schule für alle?». Fächerverbindender Unterricht in Geschichte und Politischer Bildung. In: Politische Bildung mit klarem Blick. Festschrift für Wolfgang Sander, herausgegeben von A. Besand & S. Gessner. S. 169–180. Frankfurt: Wochenschau Verlag.

Gautschi, Peter & Buff, Alex. 2023. “History Education in the Broad Present. A Great Challenge.” In: Why History Education?, herausgegeben von N. Fink, M. Furrer & P. Gautschi. S 23-49. Frankfurt/M.: Wochenschau Verlag.

Haan, Fjalar J. de; Ferguson, Briony C. e.a. 2014. The needs of society: A new understanding of transitions, sustainability and liveability. In: Technological Forecasting and Social Change, S. 121–132.

Herren, Philipp; Utz Hans; Zogg Larissa. 2024. Wie sicher sind wir? Die Sicherheitspolitik der Schweiz. Bern: hep-Verlag. Online unter https://www.sicherheits-politik.ch/ . Aufgerufen am 13. Mai 2025.

Klafki, Wolfgang. 1985. Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Beiträge zur kritisch-konstruktiven Didaktik. Weinheim: Beltz.

Oelkers, Jürgen. 2010. “Lehrmittel: Rückgrat des Unterrichts.” In: Folio. Berufsbildung Schweiz 1 (1), 18-21. https://edudoc.ch/record/37008?ln=de . Aufgerufen am 13. Mai 2025.

Abbildungsverzeichnis:

Abbildung 1: «Wie sicher sind wir? Die Sicherheitspolitik der Schweiz.» Titelbild der Broschüre des Bildungsmediums (Herren u.a. 2024).

Abbildung 2: Darstellung der Grundbedürfnisse von Menschen in Gesellschaft. Aus «Unterrichten mit Logbuch», S. 20 (Gautschi & Utz, 2022).

Abbildung 3: Historisch-politische Bildung als Ziel. Eigene Darstellung des Autors, 2025.

Bild: Unsplash.com

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