Zwei Kinder, sonst keine: Warum die Geburtenrate in der Schweiz sinkt

In der 42. Ausgabe von Social Change in Switzerland zeigen Jean-Marie Le Goff und Valérie-Anne Ryser eine wachsende Spannung in der Schweiz zwischen dem Zwei-Kind-Modell, das sich nach dem Babyboom durchgesetzt hat, und dem seit den 1990er Jahren aufkommenden Modell der Kinderlosigkeit. Letzteres betrifft vor allem Frauen mit Hochschulabschluss. Obwohl die Mehrheit dieser Gruppe nach wie vor zwei Kinder hat, sind 30% kinderlos.

Weltweit nimmt die Geburtenhäufigkeit ab und das durchschnittliche Gebäralter zu. Die Schweiz ist keine Ausnahme. Das zeigen die beiden Forschenden, indem sie die Fertilität in der Schweiz zwischen 1946 und 2022 anhand der Eidgenössischen Volkszählung und des Schweizer Haushalt-Panels nachzeichnen. Die Fertilität ist nach den 1970er Jahren nicht deshalb gesunken, weil weniger Frauen Kinder bekommen, sondern weil weniger Frauen ein drittes oder viertes Kind zur Welt bringen. Diese Entwicklung zeigt die Übernahme der Zwei-Kind-Norm durch die Schweizer Paare auf Kosten der kinderreichen Familien.

Gleichzeitig steigt das Durchschnittsalter der Mütter bei der Geburt an, nachdem es während des Babybooms zunächst von 29,9 Jahren bei den 1917 geborenen Frauen auf 27,9 Jahre bei den 1935 geborenen Frauen gesunken war, um dann wieder auf 30,3 Jahre bei den 1970 geborenen Frauen anzusteigen. Dieser Aufschub der Mutterschaft hängt unter anderem mit der Verlängerung der Ausbildungszeit und der späteren beruflichen Eingliederung zusammen, aber auch mit der Suche nach dem idealen Partner – und trägt so zum Mythos des „richtigen Zeitpunkts“ für ein Kind bei.

Seit den 1990er Jahren ist die Zahl der kinderlosen Frauen auf fast 30% der Frauen mit tertiärer Ausbildung gestiegen. Für diese Frauen ist die Kinderlosigkeit das Ergebnis eines schwierigen Abwägens zwischen Karriere und Mutterschaft in einem für die Vereinbarkeit der Rollen ungünstigen Umfeld. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass die Spannungen zwischen dem Zwei-Kind-Modell und dem Modell der Kinderlosigkeit weiter zunehmen werden, solange die Familien- und Arbeitsmarktpolitik die Wünsche der immer besser ausgebildeten Frauen nicht besser berücksichtigt.


Referenz

Le Goff, J.-M. & Ryser, V.-A. (2025). Zwei Kinder oder gar keine: Die Geburtenrate in der Schweiz von 1946 bis 2022. Social Change in Switzerland N°42, www.socialchangeswitzerland.ch (vollständiger Artikel)

Bild: unsplash.com

Anmerkung: Dieser Artikel wurde von Raed Hartmann, DeFacto, bearbeitet.

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KategorienSchweizer PolitikThemen
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