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Zwischenbilanz nach zwölf kantonalen Parlamentswahlen seit 2019

Werner Seitz
24th Januar 2022

Seit den Nationalratswahlen 2019 haben in zwölf Kantonen Parlamentswahlen stattgefunden - Zeit für einen Halbzeitbilanz. Diese zeigt ein klares Bild: Gewinnerinnen sind die beiden Öko-Parteien (GP, GLP). Dagegen haben die Bundesratsparteien mehr oder weniger stark an Boden verloren. Der Haupttrend der Nationalratswahlen 2019 hält somit in den Kantonen an.

Siegerinnen bei den Nationalratswahlen 2019 waren die Grünen (GP) und die Grünliberalen (GLP), wobei die Grünen ihre Parteistärke um 6.1 Prozentpunkte auf 13.2 Prozent steigerten, die Grünliberalen um 3.2 Punkte auf 7.8 Prozent. Grosse Verliererin der Nationalratswahlen 2019 war die SVP (-3.8 Prozentpunkten auf 25.6%). Aber auch die anderen drei Bundesratsparteien büssten an Parteistärke ein. Die SP verlor zwei Prozentpunkte (auf 16.8%), die FDP 1,3 Punkte (auf 15.1%) und die CVP 0.3 Punkte (auf 11.4%).

Grüne Welle ungebrochen

Seither fanden in zwölf Kantonen Wahlen statt, die einen repräsentativen Mix der Schweiz darstellen. Es sind, neben Schaffhausen und Basel-Stadt, Kantone aus der Ostschweiz (SG, TG), der Zentralschweiz (UR, SZ), dem Mittelland (AG, SO) und der Romandie (JU, VS, NE, FR).

Hervorstechendes Merkmal der Halbzeitbilanz sind die Mandatsgewinne der Öko-Parteien. Die Grünen gewannen im Total vierzig Mandate dazu, die GLP dreissig. Stärker geworden ist auch die Vertretung der kleinen EVP (sechs zusätzliche Mandate).

Die Grünen und die GLP steigerten ihre Mandatszahl fast in allen Kantonen. Nur gerade in Schwyz mussten die Grünen ein Mandat abgeben. Am stärksten legten sie in Freiburg (+7), im Thurgau und im Wallis (je +5 Mandate) zu sowie in Basel-Stadt, St. Gallen und Aargau (je +4). Die GLP holte zusätzliche Mandate im Aargau (+6), in Basel-Stadt und Neuenburg (je +4).

Werden die Mandatszahlen der Grünen und der GLP in sämtlichen Kantonsparlamenten miteinander verglichen, so sind die Grünen mit 256 Mandaten doppelt so stark wie die GLP (128). In der Romandie haben die Grünen gar über viermal mehr Mandate inne.

Grafik 1: Parteistärken bei den kantonalen Parlamentswahlen 2020/2021 (aktuell und Veränderung)

Bei der Interpretation der Gewinne und Verluste der Anzahl Mandaten muss allerdings eine gewisse Zurückhaltung geübt werden, sind die Kantonsparlamente doch unterschiedlich gross. In den meisten Kantonen bewegt sich die Sitzzahl zwischen 100 und 140, in drei kleinen Kantonen sind nur rund sechzig Sitze zu vergeben (UR, SH, JU). In Neuenburg wurde zudem für 2021 die Sitzzahl von 115 auf 100 reduziert.

Die Veränderungen der Mandatszahlen sind deshalb nur ein grober Indikator für die Veränderungen der Parteienlandschaft. Die dargestellten Trends bleiben aber im Grossen und Ganzen dieselben, wenn die kantonalen Werte entsprechend der Grösse der Kantone gewichtet werden.

Zur genaueren Einordnung der Wahlergebnisse werden in der oben eingefügten Grafik die aktuellen Parteistärken in den Kantonen sowie ihre Veränderungen im Vergleich zu den letzten Wahlen ausgewiesen.

Deutliche Verluste für SP und FDP

Auf der Verliererseite standen bei den zwölf kantonalen Wahlen per saldo die Bundesratsparteien. Am meisten Mandate büssten die SP (-31) und die FDP (-29) ein. Aber auch «Die Mitte» (ehem. CVP und BDP: -19) und die SVP (-16) wurden schwächer.

Die SP verlor seit den Nationalratswahlen 2019 insgesamt 31 Mandate. Ins Gewicht fielen besonders Verluste in Freiburg (-7), im Aargau (-4), in Basel-Stadt (-4) und in Neuenburg (-11). In drei Kantonen vermochte die SP aber auch Mandate zuzulegen (SZ +3, JU +1, VS +2). Nach diesen Veränderungen verfügt die SP aktuell über 446 Mandate in Kantonsparlamenten. Sie ist damit klar stärker als die Grünen (256). Insofern die Mandatsgewinne der Grünen die Verluste der SP übersteigen, geht die Linke, bestehend aus SP und Grünen, aus den kantonalen Parlamentswahlen gestärkt hervor.

Die relativ kurze Serie der FDP-Wahlsiege in der Mitte des letzten Jahrzehnts scheint seit Längerem beendet zu sein. So befindet sich die FDP auch nach den Nationalratswahlen in fast allen Kantonen auf der Verliererstrasse. Insgesamt büsste sie 29 Mandate ein. Besonders ins Gewicht fielen die Verluste in St. Gallen und Solothurn (je -4) sowie in Neuenburg (-11). Die FDP gewann nur bei den jüngsten Wahlen im Kanton Freiburg (+2) und im Wallis (+1) zusätzliche Mandate. Mit Blick auf sämtliche Kantonsparlamente ist die FDP (inklusive die Basler Liberalen) mit insgesamt 539 Mandaten – leicht vor der SVP – die am stärksten vertretene Partei.

Auch «Die Mitte» und die SVP wurden schwächer

«Die Mitte» hat sich 2021 als neue Partei aus CVP und BDP gebildet. Der Vergleichbarkeit halber werden für diese Bilanz die Mandate dieser beiden Parteien zusammengezählt. Für die vergangenen zwei Jahre weist «Die Mitte» in drei Kantonen kleinere Gewinne aus (UR, SG, NE). Insgesamt hat sie seit den Nationalratswahlen 19 Mandate eingebüsst. Sie verfügt nun in sämtlichen Kantonen über insgesamt 448 Mandate und ist somit gleich stark wie die SP.

Weniger gross als bei der «Mitte» und der FDP waren die Verluste der SVP (-16). Seit den Nationalratswahlen 2019 büsste die SVP in neun Kantonen Mandate ein, am meisten in Basel-Stadt (-4) und St. Gallen (-5). In zwei Kantonen vermochte sie an Mandaten zuzulegen (TG +1, SO +3). Mit 528 Mandaten ist die SVP in den 26 Kantonsparlamenten fast gleich stark vertreten wie die FDP.


Hinweis: Dieser Beitrag wurde am 9. November 2021 auf Journal21.ch erstpubliziert.

Referenzen:

Seitz, Werner (2019). Nach den kantonalen Parlamentswahlen ist vor den Nationalratswahlen. Regionale und parteipolitische Veränderungen. DeFacto, 23. April 2019.

Seitz, Werner (2017). Zwischenbilanz: kantonale Parlamentswahlen 2016 und 2017. DeFacto, 20. Oktober 2017.

Bild: Wikimedia Commons