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Der Prognosemarkt für die Ständeratswahlen

Oliver Strijbis
17th August 2019

Für die Wahlen 2019 wird erstmals ein Prognosemarkt für den Ständerat durchgeführt. Basierend auf den aktuellen Marktkursen deutet alles auf Stabilität zwischen den Blöcken und geringen Umverteilungen hin. In einigen Kantonen ist die Ausgangslage trotzdem spannend.

Hier geht's zum Prognosemarkt für den Nationalrat.

Prognosemärkte haben sich als eine der präzisesten, wenn nicht sogar als die präziseste Vorhersagemethode für Wahlen etabliert (Graefe 2016; Strijbis und Arnesen 2019). Oftmals Wahlbörsen genannt, wurden auch in der Schweiz bei den letzten eidgenössischen Wahlen Prognosemärkte durchgeführt. Mittels Prognosemarkt wird jeweils versucht, die zu erwartenden Wähleranteile für die Parteien bei den Nationalratswahlen vorherzusagen.

Prognosen für alle Kantone

Seit Anfang Mai wetten auf dem Prognosemarkt, welchen ich an der Universität Zürich durchführe, Studierende der Politikwissenschaft sowie Politikinteressierte auf die Ergebnisse der eidgenössischen Wahlen vom 20. Oktober 2019. Bereits haben sich über 370 Teilnehmende registriert.

Unter anderem wetten sie auch darauf, wer in den Ständerat gewählt wird. Genauer gesagt handeln sie Aktien von Ständeratskandidatinnen und Ständeratskandidaten aus den Kantonen, in denen mindestens ein Sitz ernsthaft umkämpft ist. Der Wert einer Aktie soll dabei die Wahrscheinlichkeit wiedergeben, mit welcher eine Kandidatin oder ein Kandidat gewählt wird (siehe Methodenbox).

Die Methodik des Prognosemarktes
Um eine Einschätzung dafür zu erhalten, wie viele Sitze eine Partei mindestens erreichen wird, habe ich alle Sitze aus den zehn Kantonen, in welchen das Resultat bereits vor dem Wahlkampf fest zu stehen scheint, zusammengezählt. Dann habe ich alle Sitze dazu addiert, bei welchen gemäss Prognosemarkt die Wahrscheinlichkeit für eine Wahl bei über 66% liegt. Um eine Schätzung dafür zu erhalten, wie viele Sitze eine Partei realistischerweise maximal gewinnen könnte, habe ich noch alle Sitze für Kandidierende mit der zweit- und dritthöchsten Wahrscheinlichkeit für eine Wahl hinzugezählt, wenn der zweite Sitz umstritten ist (d.h. für maximal eine Kandidatin mehr als 66% Wahlwahrscheinlichkeit vorhergesagt wird).

Tabelle 1: Prognose zu Sitzverteilung nach Ständeratswahlen 2019

Stand: 16. August 2019

Die zweite Spalte von Tabelle 1 zeigt den Wahrscheinlichensbereich einer Wahl. Wenig überraschend liegt das wahrscheinlichste Wahlresultat der meisten Parteien nahe bei der bisherigen Sitzzahl. Es zeigt aber auch, dass die SP und SVP im für sie besten Fall ihre Anzahl Sitze verteidigen können, während Grüne und GLP realistischerweise bei mindestens gleich vielen Sitzen wie bisher bleiben werden. Diese Parteien können also eigentlich nur gewinnen.

Mit viel grösserer Unsicherheit versehen ist die Punktschätzung für das Resultat, welche in der dritten Spalte der Tabelle abgebildet wird. Es handelt sich dabei um das gemäss Prognosemarkt wahrscheinlichste Szenario. Gemäss diesem Szenario dürften aktuell Grüne und Lega je einen Sitz gewinnen, während SP und SVP je einen Sitz verlieren würden.

In diesen Kantonen könnte es zu Verschiebungen kommen

Basel Landschaft, Schwyz und Tessin sind zur Zeit die drei Kantone, in welchen gemäss Prognosemarkt Sitzverschiebungen wahrscheinlich sind. Im Kanton Basel Landschaft wird die Wahrscheinlichkeit für eine Wahl von Maya Graf als höher gehandelt als jene von Eric Nussbaumer. Dies könnte zu einer Verschiebung des Sitzes der SP hin zu den Grünen führen.

Hinweis: Die folgenden Abbildungen zeigen die auf dem Prognosemarkt gehandelten Wahrscheinlichkeiten. Es handelt sich um Live-Daten, welche hier bis zum Wahltag aktualisiert dargestellt werden.

Abbildung 1: Wahrscheinlichkeiten für die Wahl (BL)

Im Kanton Schwyz werden den Kandidaten von FDP und CVP in etwa die gleichen Wahlchancen attestiert. Klar hingegen scheint zu sein, dass die SVP ihren zweiten Sitz abgeben muss. Zum gegebenen Zeitpunkt ist daher der Verlust eines Sitzes der SVP zugunsten der FDP am wahrscheinlichsten.

Abbildung 2: Wahrscheinlichkeiten für die Wahl (SZ)

Schliesslich liegt auch im Tessin eine Sitzverschiebung im Rahmen des Möglichen. So könnte es sein, dass ein Kandidat der Lega den Amtsinhaber der CVP aus dem Ständerat verdrängt.

Abbildung 3: Wahrscheinlichkeiten für die Wahl (TI)

Spannender Wahlgang im Aargau, nichts neues in St. Gallen

Im Aargau sind gleich beide Sitze im Ständerat neu zu besetzen, entsprechend intensiv verläuft der Wahlkampf. Die FDP Aargau, die seit 1848 praktisch ununterbrochen im Ständerat vertreten war, hat Thierry Burkart als Nachfolger von Philipp Müller nominiert. Die SP möchte den Sitz, welchen Pascale Bruderer vor acht Jahren gewonnen hat, mit Cédric Wermuth verteidigen.

Zur Zeit sieht der Prognosemarkt die Wahl des FDP/SP-Duos als am ehesten zutreffender Wahlausgang, allerdings liegt die Wahrscheinlichkeit für das Eintreffen dieses Szenarios nur beit gut fünfzig Prozent. Die Wahl von Thierry Burkart (FDP) und Marianne Binder (CVP) wird zur Zeit als ungefähr gleich wahrscheinlich wie die Wahl von Thierry Burkart (FDP) zusammen mit Hansjörg Knecht (SVP) betrachtet.

Abbildung 4: Wahrscheinlichkeiten für die Wahl (AG)

Im Kanton St. Gallen tritt der bisherige SP-Ständerat Paul Rechsteiner erneut zur Wahl an. Zudem wird der erst im Mai 2019 als Nachfolger für Karin Keller-Sutter gewählte Benedikt Würth von der CVP erneut ins Rennen geschickt. Gemäss Prognosemarkt ist die Wiederwahl der beiden Bisherigen denn mit knapp achtzig Prozent auch das wahrscheinlichste Szenario am Wahltag.

Abbildung 5: Wahrscheinlichkeiten für die Wahl (SG)

Ausser Spesen nichts gewesen in Zürich?

Im Kanton Zürich wird zur Zeit einer der intensivsten Ständeratswahlkämpfe ausgefochten. Mit Roger Köppel versucht ein Aushängeschild der SVP einen der wiederantretenden Kandidaten des Duo "Nositsch" (Ruedi Noser, FDP und Daniel Jositsch, SP) heraus zu fordern. Zudem tritt mit Tiana Angelina Moser eine bekannte grünliberale Kandidatin an, welche in der Mitte punkten kann. Doch sowohl Köppel wie Moser werden auf dem Prognosemarkt keine realistischen Wahlchancen zugetraut. Im Moment liegt die Wahrscheinlichkeit der Wiederwahl von "Nositsch" bei etwa achtzig Prozent.

Abbildung 6: Wahrscheinlichkeiten für die Wahl (ZH)

Der Prognosemarkt: Teilnahme und Spielregeln
Allen Teilnehmerinnen steht ein Anfangsguthaben von 20‘000 Spielfranken (dies entspricht einem Realwert von 20CHF) zur Verfügung. Mit diesem Guthaben können alle Teilnehmenden Aktien von Wahlergebnissen kaufen oder verkaufen. Der Kurs einer Aktie widerspiegelt dabei die erwartete Wahrscheinlichkeit, dass das Wahlresultat eintrifft. Der Schlusspreis für jede Aktie beträgt 100 Spielfranken, wenn das Ereignis eintrifft, ansonsten null Spielfranken.

Beispiel: Eine Aktie beschreibt, dass eine Kandidatin gewählt wird. Der momentane Preis ist 50 Spielfranken. Dieser Preis beschreibt die Erwartung, dass die Wahrscheinlichkeit für die Wahl bei fünfzig Prozent liegt. Glaubt man, dass die Wahrscheinlichkeit für die Wahl der Kandidatin geringer als fünfzig Prozent ist, dann sollte man diese Aktie verkaufen. Denkt man, dass die Wahrscheinlichkeit für die Wahl der Kandidatin höher als fünfzig Prozent ist, dann sollte man diese Aktie kaufen. Wenn die Kandidatin tatsächlich gewählt wird, dann wird der Schlusspreis für diese Aktie 100 Spielfranken betragen. Ansonsten wird der Preis null Spielfranken betragen.

Am Prognosemarkt teilnehmen kann man, indem man sich mit einer offiziellen Email-Adresse einer Schweizer Universität auf thepredictionmarket.com registriert oder sich per Email bei oliver.strijbis@ipz.uzh.ch meldet.

 


Bibliographie

  • Graefe, A. (2017). Political markets. In K. Arzheimer, J. Evans & M. S. Lewis-Beck (Eds.), The SAGE Handbook of Electoral Behaviour, Volume 2 (pp. 861-882). London: Sage.
  • Strijbis, Oliver und Sveinung Arnesen. (2019). Explaining variance in the accuracy of prediction markets. International Journal of Forecasting 35(1), 408-419.