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Die SVP und die FDP führten die intensivsten Werbekampagnen vor den Wahlen 2015

Guillaume Zumofen, Marlène Gerber
21st Dezember 2018

Die SVP und die FDP sind die Gewinnerinnen der eidgenössischen Wahlen 2015. Und sie zeichnen sich als die beiden Parteien aus, die die intensivsten Wahlkampagnen geführt haben. Kann man ihren Erfolg bei den Wahlen somit durch ihre intensiven Kampagnen erklären? Haben sich die SVP und die FDP die Stimmen gar durch politische Werbung gekauft? Unsere Analysen zeigen, dass dies nicht wirklich der Fall ist.

Französische Version

Die finanziellen Ressourcen der Parteien sind ungleich verteilt, das lässt sich auch mit unseren Daten nachweisen. Die SVP und die FDP konnten im Jahr 2015 doppelt so viel politische Werbung in Zeitungen platzieren wie die Partei mit der drittintensivsten Kampagne.

Vom 1. August bis 18. Oktober 2015 wurden mehr als 5'000 politische Anzeigen in 50 regionalen und überregionalen Schweizer Zeitungen geschaltet. Die SVP veröffentlichte dabei 1‘658, die FDP 1‘580, die CVP 860 und die SP 764 Inserate (APS 2016).

Die SVP und die FDP sind auch die einzigen Parteien, die eine intensive Kampagne auf nationaler Ebene geführt haben, wobei sie sich auf die Themen Einwanderung und Asyl, Beziehungen zur EU und Wirtschaft konzentrierten. In Bezug auf die Migrationsthematik war die SVP die einzige Partei, die sich in ihrem Wahlkampf konsequent mit diesem Thema auseinandersetzte (siehe Abbildung 1).

Dennoch zeigen unsere Analysen, dass die Kampagnen bei den nationalen Wahlen 2015 nur einen (sehr) begrenzten Effekt auf die Wahlchancen der SVP und FDP hatten. Die politische Werbung ist also nicht (allein) für den Sieg dieser politischen Parteien verantwortlich.

Ein paar wenige Effekte lassen sich dennoch nachweisen: Einerseits erzielten die SVP-Inserate  bei Personen, die bereits planten, diese Partei zu wählen, einen verstärkenden Effekt. Andererseits hat die FDP durch ihre politische Werbung zum Thema Europäische Union (EU) neue Wähler mobilisiert. So zeigen unsere Ergebnisse die komplexe Realität der Wahlentscheidungen bei nationalen Wahlen und bestätigen – wenn überhaupt – nur eine bedingte Wirkung der politischen Werbung.

Abbildung 1: Politische Werbung durch die politischen Parteien in Printmedien (1. August bis 15. Oktober 2015)

Einwanderung und Asyl, Beziehungen zur EU und die Wirtschaft beschäftigten die Schweizer Bevölkerung im Wahljahr und standen im Zentrum der SVP- und FDP-Kampagne.

Die nationalen Wahlen finden in einem stark wettbewerbsorientierten Umfeld statt, das auch durch externe Ereignisse geprägt ist. So konzentrierten sich die Medien im Frühjahr und Sommer 2015 auf die Flüchtlingskrise und den Anstieg von Asylbewerbern in Europa. Im Februar 2014 hat die Annahme der Initiative gegen die Masseneinwanderung in der Schweiz die Beziehung zur EU erneut verschärft und im Januar 2015 hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) den Euro-Mindestkurs aufgehoben, was für die Wirtschaft Unsicherheiten zur Folge hatte.

Im Vorfeld der nationalen Wahlen 2015 waren es dann auch diese drei politischen Themen, die zuoberst auf der Problemliste der Schweizerinnen und Schweizer fungierten (Lutz 2016). Gemäss Daten aus der Schweizer Wahlstudie (Selects) 2015 (Lutz 2016) lässt sich ferner belegen, dass die FDP als diejenige Partei angesehen wird, die sich am stärksten um Anliegen der Wirtschaft kümmert und auch als diejenige Partei, die in diesem Bereich die besten Lösungen bieten kann. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der SVP im Bereich der Migrationspolitik, auch wenn ihre Vormachtstellung bezüglich Lösungskompetenz nicht ganz so unbestritten ist wie diejenige der FDP in Wirtschaftsfragen. Was die Beziehung zur EU betrifft, so versuchen mehrere politische Parteien seit Jahren, sich in dieser Thematik zu etablieren, aber auch hier sind die beiden Parteien vorne mit dabei.

Bei den eidgenössischen Wahlen 2015 befanden sich die beiden Parteien somit in einer strategisch vorteilhaften Position, da ihre zentralen Themen zu denjenigen Bereichen gehörten, welche die Schweizer Bevölkerung im Wahljahr am stärksten beschäftigte. Die Konzentration auf diese Wahlkampfthemen versprach somit auch aus theoretischer Warte Erfolg, da Wählerinnen und Wähler oft diejenige Partei wählen, die sie als die Kompetenteste zur Lösung des dringendsten Problems ansehen (Petitpas und Sciarini 2018). Die Frage, der wir nun nachgegangen sind lautete, inwiefern es der FDP und der SVP im Wahlkampf gelungen ist, ihre potentielle Wählerschaft durch Inserate zu diesen Themen noch stärker von sich zu überzeugen.

Ein begrenzter Effekt der politischen Werbung auf die Wahl einer politischen Partei

Unsere Analyse kommt allerdings zum Schluss, dass die Effekte politischer Wahlwerbung (sehr) auf die Parteiwahl im Rahmen der eidgenössischen Wahlen 2015 begrenzt waren. Nicht nachweisen konnten wir einen Überzeugungseffekt, resp. die Änderung einer bestehenden Wahlabsicht aufgrund der Wahlinserate. Zwei weitere Effekte haben wir betrachtet: den Verstärkungseffekt einer bestehenden Wahlabsicht oder den Aktivierungseffekt bei fehlender Wahlabsicht zu Beginn der Kampagne. Für die SVP zeigt die Analyse einen verstärkenden Effekt: Die intensive Kampagne der SVP im Allgemeinen und insbesondere die 482 politischen Anzeigen im Zusammenhang mit Einwanderung und Asyl bestärkten die Absicht der Personen, die ohnehin beabsichtigten, die SVP zu wählen. Darüber hinaus zeigen die Ergebnisse eine Wirkung für diejenigen, die sich für Massnahmen zur Stärkung der Wirtschaft ausgesprochen haben.

Für SVP-Wahlinserate, die gegen einen EU-Beitritt geworben haben, finden wir hingegen keinen verstärkenden Effekt auf die Parteiwahl. Ebenso zeigen unsere Auswertungen, dass es der SVP nicht gelungen ist, ein zu Beginn der Kampagne noch unentschlossenes, potentielles Wählerklientel mit ihrer Wahlwerbung zu überzeugen. Dies gelang auch dann nicht, wenn die Person Einstellungen zu Migration, Wirtschaft und EU vertrat, die sich mit den Positionen der SVP decken. Solche Ergebnisse deuten darauf hin, dass die SVP ihre Zahl an potenziellen Wählerinnen und Wählern stabilisiert und damit ihr maximales Potenzial erreicht hat. Die Hauptaufgabe der politischen Werbung für die SVP wäre es daher auch in Zukunft, ihre bestehende Wählerschaft zu stärken und zu sichern.

Für die FDP identifiziert die Analyse hingegen keine verstärkenden Effekte. Die 400 politischen Anzeigen zum Thema Wirtschaft - oder die Anzahl der Anzeigen im Allgemeinen - führten nicht dazu, dass Personen mit anfänglicher Präferenz für die FDP ihre Wahlabsicht im Verlaufe der Kampagne noch bekräftigten. Andererseits hatten FDP-Wahlinserate zur EU eine aktivierende Wirkung auf diejenigen Wählerinnen und Wähler, die zu Beginn der Kampagne noch keine konkrete Wahlabsicht geäussert hatten, die sich aber ebenso wie die Freisinnigen gegen eine EU-Mitgliedschaft aussprachen. So spiegelt sich ein Teil des Erfolgs der FDP im Jahr 2015 in ihrer Strategie wieder, nicht nur traditionelle Wirtschaftsthemen, sondern auch die Beziehungen zur EU in ihrer Kampagne zur Sprache zu bringen.

Daten und Methoden

Unsere Studie über die Auswirkungen der Inserate zu den nationalen Wahlen 2015 profitiert von der Verlinkung zweier Datenquellen. Erstens ermöglichte die Selects-Panel-Befragung (2016) nicht nur die Beobachtung der Entwicklung der Wahlabsichten, sondern sie liefert auch Informationen darüber, welche Printmedien die Befragungsteilnehmer im Vorfeld der Wahlen konsultierten. Zweitens liefert der APS-Datendatz (2016) eine genaue Angabe der Anzahl an politischen Inseraten, die in 50 überregionalen und regionalen Zeitungen während der gesamten Kampagne veröffentlicht wurden. Die Verlinkung der Inseratedaten mit der Selects-Befragung ermöglicht somit die Erstellung eines Masses für die potentielle Exponiertheit eines Respondenten zu diversen Parteiinseraten und den darin erwähnten Themen zwischen zwei Befragungszeitpunkten.

Mit diesen Daten war es erstmals möglich, die Auswirkungen von Wahlkämpfen in fast allen Schweizer Kantonen zu untersuchen - nur der Kanton Appenzell Innerrhoden wurde ausgeschlossen, weil weder die SVP noch die FDP dort Kandidaten für die Wahl in den Stände- und/oder Nationalrat präsentiert hatten.

 


Referenz: 

Zumofen, Guillaume und Marlène Gerber (2018). Effects of Issue‐Specific Political Advertisements in the 2015 Parliamentary Elections of Switzerland. Swiss Political Science Review, 24(4).
 

Literatur:

  • APS (2016). Database: Political Advertisements in the 2015 Federal Elections. Année Politique Suisse, Institute of Political Science, Université of Bern.
  • Clark, H., D. Sanders, M. Stewart und P. Whiteley (2011) Valence Politics and Electoral Choice in Britain, 2010. Journal of Elections, Public Opinions and Parties 21(2): 237–253.
  • Fög (2017). Reputationsmonitor Politik: SVP dominiert auch 2016 die Medienarena. Report 1/2017. Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft, University Zurich.
  • Lutz, G. (2016). Eidgenössische Wahlen 2015: Wahlteilnahme und Wahlentscheid. Selects – FORS, Lausanne.
  • Petitpas, Adrien und Pascal Sciarini (2018). Short‐Term Dynamics in Issue Ownership and Electoral Choice Formation. Swiss Political Science Review, 24(4): 423-441.

 

Bild: Collage (Année Politique Suisse)