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Aktuelle Voto-Studie: Unternehmenssteuerreform III — Im Zweifel Nein

Thomas Milic, Daniel Kübler, Georg Lutz, Florence Lebert, Oliver Lipps, Anke Tresch
30th März 2017

Kaum eine andere Vorlage der jüngeren Vergangenheit bereitete den Stimmenden mehr Mühe als die Unternehmenssteuerreform III. Rund ein Drittel der Nein-Stimmenden beklagte eine unzureichende Informationslage und entschied nach der Maxime „Im Zweifel ein Nein“. Weitere 36 Prozent der Nein- Stimmenden waren der Ansicht, die Reform nütze nur den Konzernen. Das zeigt die aktuelle Voto-Studie.

VOTO

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Unternehmenssteuerreform III: Im Zweifel ein Nein

74 Prozent der Befragten gaben an, es sei ihnen schwer gefallen, die Vorlage zu verstehen. Dies zeigt sich auch am Zeitpunkt der Entscheidungsfindung: Fast ein Drittel (30 %) der Stimmenden legte sich erst im letzten Moment fest.

Die Überforderung mit der Vorlage und die Unsicherheit über die finanziellen Auswirkungen der Reform waren auch zwei der wichtigsten Gründe, weshalb die USR III an der Urne scheiterte. 34 Prozent der Nein-Stimmenden begründeten ihre Ablehnung der Reform primär mit einer ungenügenden Informationslage. „Im Zweifel ein Nein“, lautete ihre Maxime. Ein weiteres wichtiges Nein-Motiv war das Argument, dass nur einige wenige Konzerne von der Reform profitieren würden. Auch Abstimmungsempfehlungen von Parteien und Verbänden spielten eine aussergewöhnlich wichtige Rolle beim Entscheid über die USR III – sowohl auf der Seite der Befürwortenden als auch auf der Seite der Ablehnenden. Vom Inhalt der Vorlage überfordert, orientierten sich 26 Prozent der Ja-Stimmenden und elf Prozent der Nein-Stimmenden primär an Empfehlungen und Parolen.

Das linke Lager stimmte beinahe geschlossen gegen die Steuerreform, während die bürgerliche Wählerschaft gespalten war. Etwa die Hälfte der SVP- und CVP-Anhängerschaft legte ein Nein in die Urne, und selbst bei den FDP-Sympathisanten stimmten 37 Prozent gegen die USR III – ungewöhnliche Werte für eine Steuervorlage, die hauptsächlich von links bekämpft wurde.

Das generelle Vertrauen in den Bundesrat hatte keinen nennenswerten Einfluss auf den Stimmentscheid. Zweifel an den Steuerprognosen der Behörden und Misstrauen gegenüber der Wirtschaft hingegen schon. Ausschlaggebend waren schliesslich auch die Erwartungen zu den steuerlichen Auswirkungen der Reform. Ein Grossteil der Stimmenden (43 %) erwartete zwar mittelfristig weder Steuermehreinnahmen noch Steuermindereinnahmen. Für viele reichte indes eine mittelfristige Kompensation der Steuerausfälle nicht aus, um die Reform gutzuheissen: Die Hälfte von ihnen verwarf die Steuerreform. Zusammen mit jenen, die entweder Steuerausfälle befürchteten oder von der Frage überfordert waren und deshalb Nein stimmten, ergab dies eine Mehrheit gegen die USR III.

Erleichterte Einbürgerung: Mitte-Lager gibt Ausschlag für Ja

Nur die SVP-Anhängerschaft stimmte gegen die erleichterte Einbürgerung – dies allerdings deutlich, mit einem Nein-Stimmenanteil von 79 Prozent. Alle anderen Parteianhängerschaften hiessen diese Vorlage mehrheitlich gut. Im Vergleich zu 2004, als eine ganz ähnliche Vorlage noch an der Urne scheiterte, gab dieses Mal das Mitte-Lager den Ausschlag: Damals verwarf eine Mehrheit der Stimmenden des Mitte- Lagers die erleichterte Einbürgerung von Personen der dritten Generation. Am Abstimmungswochenende vom 12. Februar hingegen stimmten 62 Prozent des Mitte-Lagers dafür.

Im Ja-Lager dominierte ein Motiv: Wer in der dritten Generation in der Schweiz lebt, gilt als Schweizerin bzw. Schweizer. Ein erheblicher Teil der Nein-Stimmenden hingegen sah keine Notwendigkeit für eine Erleichterung des Einbürgerungsverfahrens oder zeigte eine grundsätzliche Skepsis gegenüber Ausländerinnen und Ausländern. Nur selten wurde die Angst vor einer schleichenden Islamisierung genannt, ebenso wenig wie föderalistische Vorbehalte gegen die Revision formuliert wurden. Für die allermeisten Stimmenden war die Vorlage über die erleichterte Einbürgerung der dritten Ausländergeneration nicht eine Frage von Verwaltungskosten, Verfahrensregelungen und Föderalismus, sondern eine Identitätsfrage.


Zitierweise:

Thomas Milic, Thomas Reiss und Daniel Kübler (2017). VOTO-Studie zur eidgenössischen Volksabstimmung vom 12. Februar 2017. ZDA, FORS, LINK: Aarau/Lausanne/Luzern.

Kontakt:

Thomas Milic, 079 600 82 36, thomas.milic@zda.uzh.ch


Die VOTO-Studie
Die VOTO-Studien sind ein gemeinsames Projekt des Forschungszentrums FORS, dem Zentrum für Demokratie Aarau (ZDA) und dem Befragungsinstitut LINK. Finanziert wird VOTO von der Schweizerischen Bundeskanzlei. Die Befragung wird vom Bund seit Herbst 2016 neu anstelle der VOX-Analysen an den VOTO-Verbund in Auftrag gegeben.

An der Abstimmung vom 12. Februar 2017 hatte das Schweizer Stimmvolk über drei Vorlagen zu befinden: die erleichterte Einbürgerung für Ausländerinnen und Ausländer der dritten Generation, den Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds (NAF) und die Unternehmenssteuerreform III (USR III). Die beiden ersten Vorlagen wurden angenommen, die Unternehmenssteuerreform III hingegen abgelehnt.

Für die Voto-Studie wurden im Nachgang der Abstimmung 1’512 Stimmberechtigte aus der ganzen Schweiz befragt.

Alle Berichte, die Fragebogen sowie die Rohdaten mit Zusatzinformationen zur Erhebung sind für wissenschaftliche Zwecke frei zugänglich unter www.voto.swiss bzw. durch das FORS-Datenarchiv forsbase.unil.ch.