Über die Schwierigkeiten zu daten, wenn man radikal rechts wählt
Alberto Lopez Ortega, Stuart Turnbull-Dugarte
12th June 2025

In liberalen Kreisen geht man davon aus, dass rechts wählen im Datingmarkt klare Nachteile mit sich bringt. Die Vorstellung, dass die Unterstützung radikal-rechter Parteien ein soziales Ausschlusskriterium sei, ist weit verbreitet. Wer in seinem Dating-Profil zugibt, die AfD, VOX oder Reform UK gewählt zu haben, so weit die Überzeugung bei vielen, wird gnadenlos nach links geswiped – für immer. In vielen Köpfen gilt: Wer antidemokratische, fremdenfeindliche oder sexistische Ansichten unterstützt, verdient soziale Ächtung. Doch die Realität sieht anders aus.
Der Mythos der „undatebaren“ Wähler:innen
In aufgeklärten Kreisen glaubte man lange Zeit, dass radikal-rechte Einstellungen mit einem sozialen Stigma behaftet seien. Menschen mit solchen Meinungen hielten sich lieber bedeckt – aus Angst, zum Beispiel aus Gruppenchats geworfen oder im Freundeskreis geächtet zu werden.
Diese Vorstellung gab dabei vielen das beruhigende Gefühl, dass gesellschaftliche Normen nach wie vor gut funktionieren und dass moralisch fragwürdige Ansichten auch privat sanktioniert werden. Wer sich selbst als liberal, weltoffen und tolerant betrachtet, geht in der Regel davon aus, dass das eigene Umfeld ähnlich denkt.
Doch genau hier liegt der Trugschluss: Radikal-rechte Wähler:innen werden auf Dating-Plattformen keineswegs systematisch ausgeschlossen. Sie haben auf dem Dating-Markt genauso so viele Chancen wie andere – manchmal sind sie sogar erfolgreicher. Das liegt vor allem an der zunehmenden Polarisierung: Wer selbst konservativ wählt, datet vermehrt lieber jemanden vom gleichen Lager als jemanden aus dem gegenüberliegenden “feindlichen”.
Ein Experiment mit Tinder-Logik
Um herauszufinden, wie es tatsächlich um die Erfolgsaussichten auf dem Dating-Markt von Personen mit radikal-rechten Einstellungen steht, haben wir ein Verhaltensexperiment durchgeführt. Über 2’000 Personen in Grossbritannien und Spanien haben mehr als 20’000 fiktive Dating-Profile bewertet – mit zufällig variierten Merkmalen wie Aussehen, Beruf, Bildung, Interessen und vor allem: politischer Haltung.
Beispiele für Dating-Profile, die den Teilnehmenden des Experiments gezeigt wurden
In Grossbritannien war ein Bekenntnis zur Reform UK, der Partei von Nigel Farage, kaum ein Nachteil beim Daten – im Gegenteil: Profile von Personen, die Reform UK unterstützten, kamen sogar besser an als solche, die konservativ wählen.
Tabelle 1: Datingerfolg nach Parteizugehörigkeit – Vergleich von über 10’000 Dating-Profilen (Grossbritannien)
Wahrscheinlichkeit (%) für einen Match bei einer Online-Dating-App.
In Spanien hingegen wurden die VOX-Wähler:innen ein bisschen abgestraft – aber nur von Personen, die politisch links stehen. Wähler:innen des konservativen Partido Popular zogen VOX-Unterstützende auch denen aus dem politischen Zentrum vor.
Tabelle 2: Datingerfolg nach Parteizugehörigkeit – Vergleich von über 10’000 Dating-Profilen (Spanien)
Wahrscheinlichkeit (%) für einen Match bei einer Online-Dating-App.
Mit anderen Worten: Entscheidend ist der Abstand zur anderen politischen Position, während politische Radikalität kein Nachteil ist. Lieber extrem und aus dem eigenen politischen Lager als gemässigt und vom „falschen Team”.
Die wahre Gefahr: Die Radikale Rechte als “einfach eine weitere Option”
In der heutigen, polarisierten Gesellschaft verlaufen die entscheidenden Trennlinien auf den Datingmarkt zwischen den politischen Lagern. Auch für viele Konservative sind linke Positionen das grössere Problem als radikal-rechte Einstellungen.
Das hat Konsequenzen. Soziale Ächtung galt lange als wirksames Mittel, um demokratiefeindlichen Positionen entgegenzutreten. Wenn aber selbst intimste Entscheidungen – wie wen wir lieben oder mit wem wir eine Familie gründen – nicht mehr davon beeinflusst sind, droht die Normalisierung der radikalen Rechten.
Die Verantwortung für den Erhalt demokratischer Normen trägt auch das bürgerliche Zentrum. Vor allem konservative Parteien sollten sich bewusst werden, dass eine Duldung oder gar Kooperation mit der radikalen Rechten nicht neutral ist, sondern demokratiegefährdend sein kann.
Das Argument, dass man den „Extremen“ im verwandten Lager näher steht als dem Zentrum, untergräbt den Kern liberaler Demokratie: die Bereitschaft zu Dialog, Pluralität und Kompromissfindung. Wer die radikale Rechte als legitime Koalitionspartner:innen oder romantische Partner:innen akzeptiert, trägt damit zur Erosion demokratischer Standards bei.
Ist es also schwer, ein Date zu bekommen, wenn man radikal rechts wählt? Nein. Aber vielleicht sollte es das sein – um der Demokratie willen.
Referenz:
- Turnbull-Dugarte, Stuart James und Alberto López Ortega(2025): Far Right Normalization & Centrifugal Affect. Evidence from the Dating Market. The Journal of Politics. DOI: https://www.journals.uchicago.edu/doi/10.1086/736698
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