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Vertrauen in politischen Institutionen: Die zentrale Rolle der traditionellen Medien

Maxime Walder, Daniel Schwarz, Nathalie Giger, Jan Fivaz
19th Februar 2024

Das Funktionieren von demokratischen Systemen hängt stark vom Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die politischen Institutionen ab. Das Vertrauen in den Wahlprozess - zum Beispiel - ist wichtig für die Wahlbeteiligung und die Akzeptanz des Wahlergebnisses. Ein Mangel an Vertrauen in diesen Prozess kann zu einer Verzerrung der Repräsentation und zu Misstrauen gegenüber dem System führen. Der jüngste Aufstand im Kapitol am 6. Januar 2021 war eine direkte Konsequenz des mangelnden Vertrauens in den Wahlprozess bei den US-Präsidentschaftswahlen 2020. Der Fortbestand und die Stabilität von Demokratien sind also eng mit dem Vertrauen verknüpft, das die Menschen in die Institutionen haben. Aber welche Faktoren beeinflussen nun das Vertrauen der Menschen in politische Institutionen?

Der Konsum von Informationen ist ein grundlegender Aspekt, der die Bildung von Einstellungen und Werten beeinflusst. Bürgerinnen und Bürger, die unterschiedlichen Informationen ausgesetzt sind, entwickeln mit größerer Wahrscheinlichkeit unterschiedliche Meinungen zu Themen als Personen, die ähnlichen Informationen ausgesetzt sind. In der Schweiz wird seit einigen Jahren eine Debatte über Fernsehgebühren geführt, wobei es seit 2018 zwei Volksabstimmungen gab und eine dritte bevorsteht. Die Reformen laufen auf eine Begrenzung der Medienfinanzierung hinaus, wodurch das traditionelle Medienangebot des Landes reduziert wird. Darüber hinaus verändert der aktuelle digitale Wandel die Art und Weise, wie Informationen verbreitet werden. Um zu verstehen, wie sich diese Entwicklungen auf das Vertrauen der Menschen in die politischen Institutionen auswirken, haben wir in einer Nachwahlumfrage erhoben, welche Informationsquellen die Schweizer Bürgerinnen und Bürger nutzen, um sich über die Politik zu informieren, und wie viel Vertrauen die Befragten in die politischen Institutionen haben.

Die Ergebnisse unserer Umfrage zeigen zunächst, dass eine große Mehrheit der Befragten die traditionellen Medien als Hauptinformationsquelle nutzt (53%). Gespräche mit Familie, Freunden und am Arbeitsplatz sind für 18% der Befragten die Hauptinformationsquelle und das Internet ist für 18% die Hauptinformationsquelle. Soziale Netzwerke werden heutzutage häufiger genutzt, stellen aber für weniger als 10% der Befragten die Hauptinformationsquelle dar. Die traditionellen Medien sind also für mehr als die Hälfte der Bevölkerung die wichtigste Quelle für politische Informationen. Doch welche Auswirkungen hat dies auf das Vertrauen in die politischen Institutionen? Abbildung 1 zeigt die Verteilung des Vertrauens in die Institutionen in Abhängigkeit von der Hauptinformationsquelle der Befragten.

Abbildung 1: Institutionenvertrauen nach Informationsquelle

Abbildung: Alix d'Agostino, DeFacto • Datenquelle: durchgeführte Umfrage

Abbildung 1 zeigt, dass das Vertrauen in politische Institutionen bei Befragten, die die traditionellen Medien als Hauptinformationsquelle nutzen, stärker ausgeprägt ist. Insgesamt scheint es, dass der Informationskonsum der traditionellen Medien das Vertrauen in die politischen Institutionen erhöht. Insgesamt gaben zwei Drittel der Personen, die großes Vertrauen in die Institutionen haben, an, traditionelle Medien zu nutzen, während nur 38% der Befragten mit geringem Vertrauen angaben, traditionelle Medien als Hauptinformationsquelle zu nutzen. Es gibt also einen starken Zusammenhang zwischen dem Konsum traditioneller Medien und dem Vertrauen in politische Institutionen.

Dies betrifft jedoch nur die Hauptinformationsquelle. Um genauer zu erfahren, wie die verschiedenen Medienarten das Vertrauen in die politischen Institutionen beeinflussen, befragten wir die Befragten nach allen Informationsquellen, über die sie sich während des Wahlkampfs politische Informationen beschafft haben. Insgesamt gaben 52% der Befragten an, sich aus Zeitungen zu informieren, 46% nutzten das Fernsehen und 22% das Radio. In Bezug auf digitale Informationsquellen zeigen die Ergebnisse, dass 18% der Befragten soziale Netzwerke nutzen und 28% das Internet. Schließlich gab ein grosser Teil der Befragten an, dass sie sich auch auf Gespräche mit Freunden und Familie als Quelle für politische Informationen stützen (41%). Bei Gesprächen am Arbeitsplatz ist dieser Anteil geringer (14 %).

Dieser Informationskonsum hängt auch mit dem Vertrauen der Menschen in die politischen Institutionen zusammen. Abbildung 2 zeigt den Durchschnitt des Vertrauens in die Institutionen nach Art der Quelle.

Abbildung 2: Durchschnittliches Vertrauen in Institutionen nach Medienquelle

Abbildung: Alix d'Agostino, DeFacto • Datenquelle: durchgeführte Umfrage

Abbildung 2 zeigt, dass Personen, die traditionellere Medien - TV, Radio und Zeitungen - konsumieren, tendenziell mehr Vertrauen in politische Institutionen haben. Es ist ersichtlich, dass dieser Mittelwert signifikant höher ist als das Vertrauen in die Institutionen der Befragten, die angeben, das Internet oder soziale Netzwerke zu nutzen.

Zusammenfassend zeigt unsere Untersuchung einen starken Zusammenhang zwischen dem Konsum von Informationen in traditionellen Medien und dem Vertrauen in politische Institutionen. Die Nutzung von sozialen Netzwerken und Informationen aus dem Internet sind hingegen mit einem geringeren Vertrauen in die politischen Institutionen verbunden. Angesichts der entscheidenden Rolle, die das Vertrauen in Institutionen für den Fortbestand demokratischer Systeme spielt, und der wachsenden Bedeutung digitaler Informationsquellen, die mit einem geringeren Vertrauen in demokratische Institutionen einhergehen, scheint es, dass die traditionellen Medien eine wichtige Rolle bei der Verbreitung politischer Informationen in der Bevölkerung spielen. Die Auswirkungen der Gebührensenkungen in der Schweiz müssen in ihrer Gesamtheit betrachtet werden, und es ist entscheidend zu berücksichtigen, dass das Medienangebot in der Schweiz zur politischen Stabilität beiträgt. Eine Schwächung der bestehenden Medieninstitutionen kann zu weniger Stabilität führen, und es liegt nun an der Schweizer Bevölkerung, die potenziellen individuellen Gewinne einer niedrigeren Gebühr und die gesellschaftlichen Kosten einer Schwächung der Medieninstitutionen abzuwägen.

Methode
Die vorliegenden Ergebnisse stammen aus einer Umfrage, die zwischen dem 23. Oktober und dem 1. November 2023 nach den Parlamentswahlen vom 22. Oktober 2023 durchgeführt wurde. Die Befragten wurden mit Quoten für Alter und Geschlecht rekrutiert. Insgesamt nahmen 3950 Personen an der Umfrage teil.

NFP 77 – Digitale Transformation
Im Nationalen Forschungsprogramm (NFP 77) forschen Wissenschaftler:innen in 46 Forschungsprojekten zum Thema „Digitale Transformation“. Das Hauptziel des NFP 77 Programms ist die Erarbeitung von Wissen über Chancen, Risiken, Herausforderungen und Lösungen der Digitalisierung für die Schweiz.


Hinweis: Der Artikel wurde von Remo Parisi übersetzt.

Bild: flickr.com