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Wie meisterten Paare die COVID-19-Pandemie?

Selina Landolt
18th August 2022

Vom fernen Virus in Wuhan zum Ausnahmezustand in der Schweiz und rund um den ganzen Globus – was löste die erste COVID-19-Welle in Paaren aus?

Genau dies haben sich auch die Professorinnen Ashley Randall und Claudia Chiarolanza ganz zu Beginn der Pandemie gefragt und kurzerhand ein internationales Forschungsprojekt zum Thema gestartet. Kollaborator*innen auf der ganzen Welt wurden kontaktiert, um möglichst viele Länder in der Studie zu repräsentieren. Insgesamt 27 Länder und 92 Ko-Autor*innen beschäftigten sich mit COVID-19 und Partnerschaften und wirkten im Rahmen der hier präsentierten Studie mit.

Die erste COVID-19-Welle

Versetzen wir uns doch nochmals in die erste Welle der COVID-19-Pandemie. Masken kannten wir bisher meist nur aus Operationssälen und der Impfstatus war kein Thema beim Small-Talk. Erinnern Sie sich noch, was Ihre Gedanken und Gefühle waren, als der vom Bundesrat beschlossene Shutdown am 16. März 2019 verkündet wurde? Das „neue Normal“ hat da seinen Anfang genommen und die damaligen Gemütszustände bilden die Szenerie dieser Studie ab. Soziale Kontakte mussten auf ein Minimum reduziert, die Arbeit von zu Hause aus erledigt werden und Kinder machten womöglich zum ersten Mal die Erfahrung, Schule nur noch durch den Bildschirm des heimischen Computers zu erleben. Kurz: Viel Neues und eine grosse Unsicherheit, die da auf uns zukam. Doch was passierte mit der Partnerschaft in dieser Zeit?

COVID-19 als Stressor für Partnerschaften

Weltweit sind Stress und Symptome von Depression und Angst während der ersten COVID-19-Welle angestiegen (Lakhan et al., 2020). Stress generell wiederum wirkt sich negativ auf individuelles Befinden und auch auf die Partnerschaft aus (Pietromonaco & Overall, 2021; Randall & Bodenmann, 2017). Können sich Partner*innen in Zeiten von Stress jedoch unterstützen, berichten sie über einen besseres persönliches Wohlbefinden sowie über eine erhöhte Partnerschaftszufriedenheit (Falconier et al., 2015, 2016; Loving & Slatcher, 2013; Stanton et al., 2020). Der Umgang mit Stress scheint also von grosser Bedeutung zu sein.

Ein Konzept, dass sich spezifisch auf den Umgang mit Stressoren in Partnerschaften bezieht – sei es Alltagsstress oder ein grösseres Ereignis wie eine Pandemie –, ist das dyadische Coping (Bodenmann, 2000). Der Grundgedanke entspringt dem systemisch-transaktionalen Modell (siehe Kästchen 1, Bodenmann, 1995, 1997, 2005), welches Stress als interdependentes Phänomen anschaut – das bedeutet, dass Stress innerhalb von Partnerschaften immer beide Partner*innen betrifft und daher am besten im Paar, ergo dyadisch, bewältigt wird.

Dabei kann dyadisches Coping positiv oder auch negativ erfolgen. Positives dyadisches Coping äussert sich zum Beispiel durch das Zeigen von Verständnis und Wertschätzung, der Übernahme einer Aufgabe oder in gemeinsamer Entspannung mit Musik. Negatives dyadisches Coping dagegen kann sich beispielswiese durch Äusserungen wie „Jetzt bist du schon wieder gestresst, entspann dich mal!“, in Unterstützung geben und dabei die Augen verdrehen oder einer unbeteiligten Umarmung zeigen (Bodenmann, 2000). 

Die Stressbewältigung in Partnerschaften während COVID-19

Doch wie zeigte sich die grosse Unsicherheit, ausgelöst durch die COVID-19-Pandemie, nun in Partnerschaften? Die Studienergebnisse von insgesamt 14‘020 Personen (Daten und Methodik siehe Kästchen 2) zeigen: In der Tat nahm der berichtete Stress im Vergleich zu vor der COVID-19-Pandemie in fast allen Ländern zu (Ausnahmen: Italien, Südkorea, Pakistan, Ghana, Bangladesh). Wie angenommen zeigten Personen, die in ihrem Land von überdurchschnittlich wahrgenommenem Stress berichten, eine geringere Partnerschaftsqualität auf (Ausnahmen: Bangladesh, Israel, Pakistan, Südkorea, Türkei und USA). Dabei wiesen positive Formen des dyadischen Copings in fast allen Ländern die angenommene puffernde Wirkung auf, während das negative Coping nur in wenigen Ländern den negativen Zusammenhang zwischen COVID-19-Stress und geringerer Partnerschaftsqualität verstärkten. Zusammengefasst heisst dies: Insbesondere das positive dyadische Coping konnte dazu beitragen, dass der pandemieverursachte Stress nicht mit geringerer Partnerschaftsqualität einherging. Währenddessen wird dem negativen dyadischen Coping während der COVID-19-Pandemie weniger Bedeutung zugeschrieben. Die Resultate zeigten sich in den meisten Ländern, jedoch nicht in allen (Randall et al., 2021). Warum es diese länderspezifischen Unterschiede zustande gekommen sind, ist jedoch nicht klar. Weitere Studien müssten diese Unterschiede genauer untersuchen.

Und was nun?

Ob die Resultate der Untersuchung noch auf die jetzige Zeit übertragen werden kann, ist fraglich: Die allfällige anfängliche Angst wich wohl der Gewohnheit, das womöglich ständige Verfolgen der Nachrichten der Gleichgültigkeit. Doch die COVID-19-Pandemie ist noch nicht vorbei, neue Wellen und neue Virusvarianten sind momentan aktuell. Dafür braucht es Studien, die Paare über einen längeren Zeitraum beobachten und wiederholte Messungen durchführen, um den Verlauf des Umgangs mit der COVID-19-Pandemie zu erfassen. Die Studienergebnisse zeigen jedoch, dass es sinnvoll ist zu untersuchen, welchen Beitrag die gemeinsame Stressbewältigung im Paar dazu leisten kann, stressbezogene Auswirkungen der COVID-19-Pandemie abzufedern.

Systemisch-transaktionales Stressmodell (Bodennmann 1995, 1997, 2005)

Das systemisch-transaktionale Modell besagt, dass (1) Stress immer beide Personen in einer Partnerschaft betrifft, (2) dass es eine Wechselwirkung vom Stresserleben beider Partner*innen gibt und (3) dass Ressourcen beider Partner*innen zur gegenseitigen Bewältigung von Stress genutzt werden können. Der Prozess des dyadischen Copings (DC) läuft wie folgt ab: Partner*in A äussert Stress verbal (in Worten), paraverbal (z. B. zitterige Stimme) oder nonverbal (z. B. Körpersprache und Gestik). Auf diese Stressäusserung kann Partner*in B wiederum mit verschiedenen dyadischen Copingstrategien reagieren (z. B. aufmerksam zuhören, in den Arm nehmen, Stress nicht ernst nehmen etc.).

Daten und Methodik
Zwischen März und Juli 2022 wurde in den sozialen Medien (wie z. B. Facebook, LinkedIn) der Link zum Online-Fragebogen gestreut. Einzelpersonen, die sich seit mind. 1 Jahr in einer Partnerschaft befinden und zusammenwohnen, konnten an der Studie teilnehmen. Von den insgesamt 14‘020 Personen stammten 419 Studienteilnehmende aus der Schweiz Die meisten Studienteilnehmen (77,4%) identifizierten sich als weiblich, waren durchschnittlich 36 Jahre alt (Standardabweichung 11 Jahre) und bezeichneten sich als heterosexuell (91,1%). Die durchschnittliche Partnerschaftsdauert betrug 11 Jahre (Standardabweichung 10 Jahre). Etwas mehr als die Hälfte, nämlich 58% der Paare waren verheiratet, 34% befanden sich in einer festen Partnerschaft und 8% waren zum Zeitpunkt der Studie verlobt.
 


Hinweis: Der wissenschaftliche Artikel steht für alle Personen (Open Access) als Download hier zur Verfügung https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/02654075211034236

Bild: pixabay.com